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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648.

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Die zwölffte Stund.
durch seiner Brüder Reise verändert und ge-
hemmet worden: Nachgehens giebt sich Joseph
seinen Brüdern zu erkennen/ und folget darauf
eine gäntzliche Veränderung.

3. Diese beede Arten die Freudenspiele zu ent-
schliessen/ sind zugleich gebräuchlich in zweyschich-
tigem Jnhalt/ und bewegen der Zuschauer Ge-
müter vorbesagter massen. Wann man nur eine
Statt/ Land/ Grabmahl/ etc. erkennet/ und darauf
keine merkliche Veränderung erfolget/ so wird die
Gemütsneigung dardurch nicht beherrschet.
Wie aber die Liebe mit Gegenliebe erwiedert wird/
also sol die Erkantniß mit einer Gegenerkantniß *
zu Entschluß und Endschluß des Freudenspiels
dienen. Also erkante Joseph seine Brüder/ als
sie das erstemahl bey ihm gewesen; es erfolgte aber
keine Veränderung/ bis er sich ihnen zu erkennen
gegeben. Die Zeichen/ durch welche wir erkannt/
werden entweder mit uns geboren/ als da sind ge-
wisse Mahle und Gestalt des Leibs/ oder in der
Kindheit und Jugend beygelegt oder sonst zuge-
eignet. Zuzeiten setzet man beedes zusammen/ die
Erkantniß zu versichern: zuzeiten ist die Sache so
verwirrt/ daß man durch ein Himmelsgeschik/
(welches Aristoteles Machinam ** nennet/ und

dar-
* Agnitio duplex.
** Vid. Heins. de Constit. Trag. c. 12. f. 96.

Die zwoͤlffte Stund.
durch ſeiner Bruͤder Reiſe veraͤndert und ge-
hemmet worden: Nachgehens giebt ſich Joſeph
ſeinen Bruͤdern zu erkennen/ und folget darauf
eine gaͤntzliche Veraͤnderung.

3. Dieſe beede Arten die Freudenſpiele zu ent-
ſchlieſſẽ/ ſind zugleich gebraͤuchlich in zweyſchich-
tigem Jnhalt/ und bewegen der Zuſchauer Ge-
muͤter vorbeſagter maſſen. Wann man nur eine
Statt/ Land/ Grabmahl/ etc. erkennet/ und darauf
keine merkliche Veraͤnderung erfolget/ ſo wird die
Gemuͤtsneigung dardurch nicht beherrſchet.
Wie aber die Liebe mit Gegenliebe erwiedert wird/
alſo ſol die Erkantniß mit einer Gegenerkantniß *
zu Entſchluß und Endſchluß des Freudenſpiels
dienen. Alſo erkante Joſeph ſeine Bruͤder/ als
ſie das erſtemahl bey ihm geweſen; es erfolgte abeꝛ
keine Veraͤnderung/ bis er ſich ihnen zu erkennen
gegeben. Die Zeichen/ durch welche wir erkannt/
werden entweder mit uns geboren/ als da ſind ge-
wiſſe Mahle und Geſtalt des Leibs/ oder in der
Kindheit und Jugend beygelegt oder ſonſt zuge-
eignet. Zuzeiten ſetzet man beedes zuſammen/ die
Erkantniß zu verſichern: zuzeiten iſt die Sache ſo
verwirrt/ daß man durch ein Himmelsgeſchik/
(welches Ariſtoteles Machinam ** nennet/ und

dar-
* Agnitio duplex.
** Vid. Heinſ. de Conſtit. Trag. c. 12. f. 96.
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[95/0109] Die zwoͤlffte Stund. durch ſeiner Bruͤder Reiſe veraͤndert und ge- hemmet worden: Nachgehens giebt ſich Joſeph ſeinen Bruͤdern zu erkennen/ und folget darauf eine gaͤntzliche Veraͤnderung. 3. Dieſe beede Arten die Freudenſpiele zu ent- ſchlieſſẽ/ ſind zugleich gebraͤuchlich in zweyſchich- tigem Jnhalt/ und bewegen der Zuſchauer Ge- muͤter vorbeſagter maſſen. Wann man nur eine Statt/ Land/ Grabmahl/ etc. erkennet/ und darauf keine merkliche Veraͤnderung erfolget/ ſo wird die Gemuͤtsneigung dardurch nicht beherrſchet. Wie aber die Liebe mit Gegenliebe erwiedert wird/ alſo ſol die Erkantniß mit einer Gegenerkantniß * zu Entſchluß und Endſchluß des Freudenſpiels dienen. Alſo erkante Joſeph ſeine Bruͤder/ als ſie das erſtemahl bey ihm geweſen; es erfolgte abeꝛ keine Veraͤnderung/ bis er ſich ihnen zu erkennen gegeben. Die Zeichen/ durch welche wir erkannt/ werden entweder mit uns geboren/ als da ſind ge- wiſſe Mahle und Geſtalt des Leibs/ oder in der Kindheit und Jugend beygelegt oder ſonſt zuge- eignet. Zuzeiten ſetzet man beedes zuſammen/ die Erkantniß zu verſichern: zuzeiten iſt die Sache ſo verwirrt/ daß man durch ein Himmelsgeſchik/ (welches Ariſtoteles Machinam ** nennet/ und dar- * Agnitio duplex. ** Vid. Heinſ. de Conſtit. Trag. c. 12. f. 96.

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648/109>, abgerufen am 25.11.2024.