Harenberg, Johann Christoph: Vernünftige und Christliche Gedancken Uber die VAMPIRS Oder Bluhtsaugende Todten. Wolfenbüttel, 1733.Manne gebräuchliche Erzehlung, daß die begrabenen Cörper, oder die Seelen derselben bey entstehenden Seuchen zurückkehren und andern durch Absaugung des Bluhts das Leben nehmen. So bald nun eine gleiche Seuche zum Vorschein kommt, daran die Leute geschwind sterben und ersticken, so erinnern sich die Leute der alten Legende von den Vampirs. Die Seuche wird fortgepflantzet theils durch Bestreichung mit dem Bluhte eines dergleichen angesteckten Cörpers, theils durch die Nutzung des angesteckten Viehes, theils durch die Besuchung der Krancken und unreiner Dünste, welche in der Luft sind, und die Lunge alzusehr austrocknen, und das ihrige zu der Verdickung des Bluhts beytragen. §. XXXI. Die Kranckheit selbst bestehet in einer Art der Angina, oder Stickung. Denn die Patienten klagen über Zusammenziehung und Schmertzen auf der Brust, dabey ihnen zu Muhte ist, als ob sie jemand würgen, und die Luft-Röhre zuziehen wolle. Bey diesen Umständen ist das Bluht in gröster Verdickung und Unordnung, Dannenhero macht es hie und dort, sonderlich in den subtilsten Gefässen des Haupts, Staunungen oder stases. Weil ferner die Bilder-mäßigen Vorstellungen der Phantasey sich nach dem Zustande des Cörpers richten; so sind die Gedancken traurig, ängstlich und unordentlich. Dem Gedächtnis fällt so fort die alte Historie bey von Manne gebräuchliche Erzehlung, daß die begrabenen Cörper, oder die Seelen derselben bey entstehenden Seuchen zurückkehren und andern durch Absaugung des Bluhts das Leben nehmen. So bald nun eine gleiche Seuche zum Vorschein kommt, daran die Leute geschwind sterben und ersticken, so erinnern sich die Leute der alten Legende von den Vampirs. Die Seuche wird fortgepflantzet theils durch Bestreichung mit dem Bluhte eines dergleichen angesteckten Cörpers, theils durch die Nutzung des angesteckten Viehes, theils durch die Besuchung der Krancken und unreiner Dünste, welche in der Luft sind, und die Lunge alzusehr austrocknen, und das ihrige zu der Verdickung des Bluhts beytragen. §. XXXI. Die Kranckheit selbst bestehet in einer Art der Angina, oder Stickung. Denn die Patienten klagen über Zusammenziehung und Schmertzen auf der Brust, dabey ihnen zu Muhte ist, als ob sie jemand würgen, und die Luft-Röhre zuziehen wolle. Bey diesen Umständen ist das Bluht in gröster Verdickung und Unordnung, Dannenhero macht es hie und dort, sonderlich in den subtilsten Gefässen des Haupts, Staunungen oder stases. Weil ferner die Bilder-mäßigen Vorstellungen der Phantasey sich nach dem Zustande des Cörpers richten; so sind die Gedancken traurig, ängstlich und unordentlich. Dem Gedächtnis fällt so fort die alte Historie bey von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0110" n="112"/> Manne gebräuchliche Erzehlung, daß die begrabenen Cörper, oder die Seelen derselben bey entstehenden Seuchen zurückkehren und andern durch Absaugung des Bluhts das Leben nehmen. So bald nun eine gleiche Seuche zum Vorschein kommt, daran die Leute geschwind sterben und ersticken, so erinnern sich die Leute der alten Legende von den Vampirs. Die Seuche wird fortgepflantzet theils durch Bestreichung mit dem Bluhte eines dergleichen angesteckten Cörpers, theils durch die Nutzung des angesteckten Viehes, theils durch die Besuchung der Krancken und unreiner Dünste, welche in der Luft sind, und die Lunge alzusehr austrocknen, und das ihrige zu der Verdickung des Bluhts beytragen.</p> </div> <div n="2"> <head>§. XXXI.</head><lb/> <p>Die Kranckheit selbst bestehet in einer Art der <hi rendition="#aq">Angina,</hi> oder Stickung. Denn die Patienten klagen über Zusammenziehung und Schmertzen auf der Brust, dabey ihnen zu Muhte ist, als ob sie jemand würgen, und die Luft-Röhre zuziehen wolle. Bey diesen Umständen ist das Bluht in gröster Verdickung und Unordnung, Dannenhero macht es hie und dort, sonderlich in den subtilsten Gefässen des Haupts, Staunungen oder <hi rendition="#aq">stases</hi>. Weil ferner die Bilder-mäßigen Vorstellungen der Phantasey sich nach dem Zustande des Cörpers richten; so sind die Gedancken traurig, ängstlich und unordentlich. Dem Gedächtnis fällt so fort die alte Historie bey von </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [112/0110]
Manne gebräuchliche Erzehlung, daß die begrabenen Cörper, oder die Seelen derselben bey entstehenden Seuchen zurückkehren und andern durch Absaugung des Bluhts das Leben nehmen. So bald nun eine gleiche Seuche zum Vorschein kommt, daran die Leute geschwind sterben und ersticken, so erinnern sich die Leute der alten Legende von den Vampirs. Die Seuche wird fortgepflantzet theils durch Bestreichung mit dem Bluhte eines dergleichen angesteckten Cörpers, theils durch die Nutzung des angesteckten Viehes, theils durch die Besuchung der Krancken und unreiner Dünste, welche in der Luft sind, und die Lunge alzusehr austrocknen, und das ihrige zu der Verdickung des Bluhts beytragen.
§. XXXI.
Die Kranckheit selbst bestehet in einer Art der Angina, oder Stickung. Denn die Patienten klagen über Zusammenziehung und Schmertzen auf der Brust, dabey ihnen zu Muhte ist, als ob sie jemand würgen, und die Luft-Röhre zuziehen wolle. Bey diesen Umständen ist das Bluht in gröster Verdickung und Unordnung, Dannenhero macht es hie und dort, sonderlich in den subtilsten Gefässen des Haupts, Staunungen oder stases. Weil ferner die Bilder-mäßigen Vorstellungen der Phantasey sich nach dem Zustande des Cörpers richten; so sind die Gedancken traurig, ängstlich und unordentlich. Dem Gedächtnis fällt so fort die alte Historie bey von
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Zitationshilfe: | Harenberg, Johann Christoph: Vernünftige und Christliche Gedancken Uber die VAMPIRS Oder Bluhtsaugende Todten. Wolfenbüttel, 1733, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harenberg_vampirs_1733/110>, abgerufen am 16.07.2024. |