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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans II. Buch.
seculo, aetate jam declinata litteras Graecas Ennio prae-
ceptore usus, didicit; Ut esset hominibus documen-
to, ea quoque percipi posse, quae senes concupissent.

Und der Welt-berühmte Alphonsus, König in Arra-
goni
en/ wird deßwegen nicht zu schelten seyn/ daß er
im 50. Jahr seines Lebens/ von dem Laurentio Valla
und Antonio Panormitano sich die Lateinische Sprach
lehren lassen/ hat sich nicht gescheuet/ die ersten Rudi-
menta
der Grammatic, wie der kleineste Lehr-Schüler/
anfangen zu lernen.

Das ist freylich wol was seltzames/ sprach Cavi-
na
anjetzo/ daß dieser Johannes Parvus in seinen hohen
ja letzten Tagen sich noch auf solche Wissenschafften
geleget/ und wundere ich mich weit mehr darüber/
als über jenes herrliche Gedächtnüß/ darvon uns der
Herrkurtz vorher erzehlet hat/ dann ich finde mehr
dergleichen Exempla. Warlich/ die vernünfftige
Seele deß Menschen/ welche ihn von andern Thie-
ren unterscheidet/ erweiset sich durch seinen Verstand
und Willen/ welcher beyder Kräfften Bediente und
Dollmetscherin ist das Gedächtnüß/ der wir alles
müssen zu dancken haben. Niemand/ oder sehr wenig/
dancken GOtt für solche herrliche und unschätzbare
Gabe/ sonder welche wir Kinder wären/ die so mehr
nicht wissen/ als was sie für Augen sehen. Deßwegen
dann das Gedächtnüß das Haupt-Buch der Gelehr-
ten/ der Prob-Stein aller Wissenschafften/ der Augen
geheimes Buch/ der Schatz unserer Geschicklichkeit/
und die Mutter der Musen genennet wird. Unter
vielen alten und neuen Exempeln der Jenigen/ die
mit einem glückseeligen Gedächtnüß begabt gewesen/
ist auch zu zehlen Nicola Serpetro, welcher also von
sich schreibet: Bevor ich das 26. Jahr erlanget/ habe
ich den Tasso, Ariosso, Petrova Sannazario, Pastorfido,

Virgi-

Romans II. Buch.
ſeculo, ætate jam declinatâ litteras Græcas Ennio præ-
ceptore uſus, didicit; Ut eſſet hominibus documen-
to, ea quoque percipi poſſe, quæ ſenes concupiſſent.

Und der Welt-beruͤhmte Alphonſus, Koͤnig in Arra-
goni
en/ wird deßwegen nicht zu ſchelten ſeyn/ daß er
im 50. Jahr ſeines Lebens/ von dem Laurentio Valla
und Antonio Panormitano ſich die Lateiniſche Sprach
lehren laſſen/ hat ſich nicht geſcheuet/ die erſten Rudi-
menta
der Grammatic, wie der kleineſte Lehr-Schuͤler/
anfangen zu lernen.

Das iſt freylich wol was ſeltzames/ ſprach Cavi-
na
anjetzo/ daß dieſer Johannes Parvus in ſeinen hohen
ja letzten Tagen ſich noch auf ſolche Wiſſenſchafften
geleget/ und wundere ich mich weit mehr daruͤber/
als uͤber jenes herꝛliche Gedaͤchtnuͤß/ darvon uns der
Herꝛkurtz vorher erzehlet hat/ dann ich finde mehr
dergleichen Exempla. Warlich/ die vernuͤnfftige
Seele deß Menſchen/ welche ihn von andern Thie-
ren unterſcheidet/ erweiſet ſich durch ſeinen Verſtand
und Willen/ welcher beyder Kraͤfften Bediente und
Dollmetſcherin iſt das Gedaͤchtnuͤß/ der wir alles
muͤſſen zu dancken haben. Niemand/ oder ſehr wenig/
dancken GOtt fuͤr ſolche herꝛliche und unſchaͤtzbare
Gabe/ ſonder welche wir Kinder waͤren/ die ſo mehr
nicht wiſſen/ als was ſie fuͤr Augen ſehen. Deßwegen
dann das Gedaͤchtnuͤß das Haupt-Buch der Gelehr-
ten/ der Prob-Stein aller Wiſſenſchafften/ der Augen
geheimes Buch/ der Schatz unſerer Geſchicklichkeit/
und die Mutter der Muſen genennet wird. Unter
vielen alten und neuen Exempeln der Jenigen/ die
mit einem gluͤckſeeligen Gedaͤchtnuͤß begabt geweſen/
iſt auch zu zehlen Nicola Serpetro, welcher alſo von
ſich ſchreibet: Bevor ich das 26. Jahr erlanget/ habe
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Virgi-
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[875/0895] Romans II. Buch. ſeculo, ætate jam declinatâ litteras Græcas Ennio præ- ceptore uſus, didicit; Ut eſſet hominibus documen- to, ea quoque percipi poſſe, quæ ſenes concupiſſent. Und der Welt-beruͤhmte Alphonſus, Koͤnig in Arra- gonien/ wird deßwegen nicht zu ſchelten ſeyn/ daß er im 50. Jahr ſeines Lebens/ von dem Laurentio Valla und Antonio Panormitano ſich die Lateiniſche Sprach lehren laſſen/ hat ſich nicht geſcheuet/ die erſten Rudi- menta der Grammatic, wie der kleineſte Lehr-Schuͤler/ anfangen zu lernen. Das iſt freylich wol was ſeltzames/ ſprach Cavi- na anjetzo/ daß dieſer Johannes Parvus in ſeinen hohen ja letzten Tagen ſich noch auf ſolche Wiſſenſchafften geleget/ und wundere ich mich weit mehr daruͤber/ als uͤber jenes herꝛliche Gedaͤchtnuͤß/ darvon uns der Herꝛkurtz vorher erzehlet hat/ dann ich finde mehr dergleichen Exempla. Warlich/ die vernuͤnfftige Seele deß Menſchen/ welche ihn von andern Thie- ren unterſcheidet/ erweiſet ſich durch ſeinen Verſtand und Willen/ welcher beyder Kraͤfften Bediente und Dollmetſcherin iſt das Gedaͤchtnuͤß/ der wir alles muͤſſen zu dancken haben. Niemand/ oder ſehr wenig/ dancken GOtt fuͤr ſolche herꝛliche und unſchaͤtzbare Gabe/ ſonder welche wir Kinder waͤren/ die ſo mehr nicht wiſſen/ als was ſie fuͤr Augen ſehen. Deßwegen dann das Gedaͤchtnuͤß das Haupt-Buch der Gelehr- ten/ der Prob-Stein aller Wiſſenſchafften/ der Augen geheimes Buch/ der Schatz unſerer Geſchicklichkeit/ und die Mutter der Muſen genennet wird. Unter vielen alten und neuen Exempeln der Jenigen/ die mit einem gluͤckſeeligen Gedaͤchtnuͤß begabt geweſen/ iſt auch zu zehlen Nicola Serpetro, welcher alſo von ſich ſchreibet: Bevor ich das 26. Jahr erlanget/ habe ich den Taſſo, Arioſſo, Petrova Sannazario, Paſtorfido, Virgi-

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 875. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/895>, abgerufen am 22.11.2024.