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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Deß Academischen
Orten gar willig zu ihnen/ und kan offt ein Mann
mehr thun bey dem Aufnehmen einer Academie, als
10. andere. Es war schon ziemlich spät in die Nacht
hinein/ als einer nach dem andern von der Gesell-
schafft sich dem Schlaff ergab/ wie aber am folgenden
Morgen die Sonne herfür brach/ giengen ihrer et-
liche nach der Ost-Seiten der Jnsul/ und sahen auf
dem Schwäbischen Ufer eine schöne Kirche stehen/
welche der Schweitzer höchlich rühmete/ und be-
haupten wolte/ daß es ein überauß fürtreffliches Ge-
bäu wäre. Cavina aber bedeutete ihm/ daß die Kirchen
in Jtalien fast durchgehends herrlich wären/ darüber
kamen sie nach und nach in einen Discurs, und sprach
der Edelmann: Jch habe noch nirgends schönere Kir-
chen gefunden/ als unter den Heyden in Jndien. Der
König von Siam hat Jährlich viel Millionen Ein-
kommen/ wovon er bey nahe die Helffte auf das Bau-
Wesen der Heydnischen Tempel oder Pagoden ver-
wendet. Der Geistliche sprach dargegen: Die
Christen lassen ihnen das Kirchen-Bauen nicht so
sehr angelegen seyn. Es ist eine Schande/ daß grosse
Leute so wenig darzu geben wollen/ wann man nur
ein schlechtes Kirchlein bauen soll/ muß man Jahr
und Tag daran betteln. Die Jndianer/ Türcken und
Jtaliäner überzeugen uns in dieser unserer Geizigkeit.
Es gehet mit uns/ wie mit den Juden. Erstlich waren
sie sehr freygebig/ wie sie die Hütte deß Stiffts solten
bauen/ hernach aber sorgeten sie nur für ihre eigene
prächtige Häuser/ und hatten keine Zeit noch Lust für
GOttes Hauß. Der Edelmann warff allhier ein:

DJe Christliche Käyser pflegten vorzeiten freygebiger gegen
den Gottesdienst zu seyn. Die schöne Kirche zu Constanti-
nopel/ S. Sophia genannt/ war von den Heyden gebauet. Der
Käyser Constantinus erbauete sie noch viel köstlicher. Die Ar-
rianer verbrandten sie/ aber Käyser Theodosius hat sie aufs

Neue

Deß Academiſchen
Orten gar willig zu ihnen/ und kan offt ein Mann
mehr thun bey dem Aufnehmen einer Academie, als
10. andere. Es war ſchon ziemlich ſpaͤt in die Nacht
hinein/ als einer nach dem andern von der Geſell-
ſchafft ſich dem Schlaff ergab/ wie aber am folgenden
Morgen die Sonne herfuͤr brach/ giengen ihrer et-
liche nach der Oſt-Seiten der Jnſul/ und ſahen auf
dem Schwaͤbiſchen Ufer eine ſchoͤne Kirche ſtehen/
welche der Schweitzer hoͤchlich ruͤhmete/ und be-
haupten wolte/ daß es ein uͤberauß fuͤrtreffliches Ge-
baͤu waͤre. Cavina aber bedeutete ihm/ daß die Kirchen
in Jtalien faſt durchgehends herꝛlich waͤren/ daruͤber
kamen ſie nach und nach in einen Diſcurs, und ſprach
der Edelmann: Jch habe noch nirgends ſchoͤnere Kir-
chen gefunden/ als unter den Heyden in Jndien. Der
Koͤnig von Siam hat Jaͤhrlich viel Millionen Ein-
kommen/ wovon er bey nahe die Helffte auf das Bau-
Weſen der Heydniſchen Tempel oder Pagoden ver-
wendet. Der Geiſtliche ſprach dargegen: Die
Chriſten laſſen ihnen das Kirchen-Bauen nicht ſo
ſehr angelegen ſeyn. Es iſt eine Schande/ daß groſſe
Leute ſo wenig darzu geben wollen/ wann man nur
ein ſchlechtes Kirchlein bauen ſoll/ muß man Jahr
und Tag daran betteln. Die Jndianer/ Tuͤrcken und
Jtaliaͤner uͤberzeugen uns in dieſer unſerer Geizigkeit.
Es gehet mit uns/ wie mit den Juden. Erſtlich waren
ſie ſehr freygebig/ wie ſie die Huͤtte deß Stiffts ſolten
bauen/ hernach aber ſorgeten ſie nur fuͤr ihre eigene
praͤchtige Haͤuſer/ und hatten keine Zeit noch Luſt fuͤr
GOttes Hauß. Der Edelmann warff allhier ein:

DJe Chriſtliche Kaͤyſer pflegten vorzeiten freygebiger gegen
den Gottesdienſt zu ſeyn. Die ſchoͤne Kirche zu Conſtanti-
nopel/ S. Sophia genannt/ war von den Heyden gebauet. Der
Kaͤyſer Conſtantinus erbauete ſie noch viel koͤſtlicher. Die Ar-
rianer verbrandten ſie/ aber Kaͤyſer Theodoſius hat ſie aufs

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[830/0850] Deß Academiſchen Orten gar willig zu ihnen/ und kan offt ein Mann mehr thun bey dem Aufnehmen einer Academie, als 10. andere. Es war ſchon ziemlich ſpaͤt in die Nacht hinein/ als einer nach dem andern von der Geſell- ſchafft ſich dem Schlaff ergab/ wie aber am folgenden Morgen die Sonne herfuͤr brach/ giengen ihrer et- liche nach der Oſt-Seiten der Jnſul/ und ſahen auf dem Schwaͤbiſchen Ufer eine ſchoͤne Kirche ſtehen/ welche der Schweitzer hoͤchlich ruͤhmete/ und be- haupten wolte/ daß es ein uͤberauß fuͤrtreffliches Ge- baͤu waͤre. Cavina aber bedeutete ihm/ daß die Kirchen in Jtalien faſt durchgehends herꝛlich waͤren/ daruͤber kamen ſie nach und nach in einen Diſcurs, und ſprach der Edelmann: Jch habe noch nirgends ſchoͤnere Kir- chen gefunden/ als unter den Heyden in Jndien. Der Koͤnig von Siam hat Jaͤhrlich viel Millionen Ein- kommen/ wovon er bey nahe die Helffte auf das Bau- Weſen der Heydniſchen Tempel oder Pagoden ver- wendet. Der Geiſtliche ſprach dargegen: Die Chriſten laſſen ihnen das Kirchen-Bauen nicht ſo ſehr angelegen ſeyn. Es iſt eine Schande/ daß groſſe Leute ſo wenig darzu geben wollen/ wann man nur ein ſchlechtes Kirchlein bauen ſoll/ muß man Jahr und Tag daran betteln. Die Jndianer/ Tuͤrcken und Jtaliaͤner uͤberzeugen uns in dieſer unſerer Geizigkeit. Es gehet mit uns/ wie mit den Juden. Erſtlich waren ſie ſehr freygebig/ wie ſie die Huͤtte deß Stiffts ſolten bauen/ hernach aber ſorgeten ſie nur fuͤr ihre eigene praͤchtige Haͤuſer/ und hatten keine Zeit noch Luſt fuͤr GOttes Hauß. Der Edelmann warff allhier ein: DJe Chriſtliche Kaͤyſer pflegten vorzeiten freygebiger gegen den Gottesdienſt zu ſeyn. Die ſchoͤne Kirche zu Conſtanti- nopel/ S. Sophia genannt/ war von den Heyden gebauet. Der Kaͤyſer Conſtantinus erbauete ſie noch viel koͤſtlicher. Die Ar- rianer verbrandten ſie/ aber Kaͤyſer Theodoſius hat ſie aufs Neue

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 830. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/850>, abgerufen am 22.11.2024.