Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

Bild:
<< vorherige Seite

Romans II. Buch.
quam irasci, es ist besser leyden/ als zürnen. Er war gelehrt/
dann den Donat wuste er auß den Nagel/ in der Grammatic
war er ziemlich belesen/ die Definitionem Rhetorices wuste er
außwendig/ wie auch das Griechische Alphabet, und in dem
Hebräischen war er schon biß auf das Gimmel kommen/ deß-
wegen wolte sich kein Jüdischer Rabbi mit ihm einlassen. Er
war sparsam/ dann im Sommer behalff er sich mit einer Schüssel
voll Butter-Milch/ und im Winter mit einem Napp voll Rocken-
Brey/ Ja/ wann die Winter-Kälte nicht zu groß/ zog er weder
Schuh noch Strümpff an. Ach du Edler Mann/ daß du schon
versauten solst/ aber die besten Leute werden zeitlich hinweg ge-
rücket. Er ist in Freuden gestorben/ gönnet ihm die ewige Freude.
Er ist am Rad behangen blieben/ aber nicht an dem/ das bey
dem Galgen stehet/ es war deß Herrn Burgermeisters Karren-
Rad. Der Kopff starb am ersten/ mit welchem er am meisten
gearbeitet hatte. Seine schwartze Pluder-Hosen haben ihn
gerades Weges in den Himmel geschickt/ welche deßwegen ver-
dienen/ daß man sie/ gleich einer Siegs-Fahnen/ in unsere Kirche
hange. Nun wolan/ er ist gestorben/ und wird wol todt bleiben/
uns aber gebühret/ daß wir sein Leyd vertrincken bey einer Freu-
den-Mahlzeit/ und vor allen Dingen den Herrn Prediger oben
an setzen. Lebet wol/ ihr lieben Freunde/ ich kan vor Hertzenleyd
nicht mehr reden/ meine Augen wollen in Thränen zerschmel[tz]en.
Hiermit Adjeu.

Als Troll seine Rede hiermit geendiget/ stecke-
ten die Leute die Köpffe zusammen/ und lobeten ihn/
der eine noch mehr/ als der andere/ der Burgermeister
aber reichete ihm die Hand/ und wünschete ihm Glück
zum Rector-Amt/ nöthigte ihn auch mit auf die
Mahlzeit/ die er zu dieser Bestattung in seinem Hauß
hatte anrichten lassen/ und darauf schied die Gemeine
auß einander. Troll gieng mit Krachbein nach Hauß/
und tröstete ihn wegen seiner abgestorbenen Frauen.
Als der Abend herzu nahete/ giengen sie mit einander
nach deß Burgermeisters Hauß/ woselbst sich die an-
dern auch nach einander einstelleten/ der Herr Pastor
kam auch/ und ward oben an gesetzet/ zu welchem sich
der Burgermeister setzete/ alsdann die Aeltesten der

Gemei-

Romans II. Buch.
quam iraſci, es iſt beſſer leyden/ als zuͤrnen. Er war gelehrt/
dann den Donat wuſte er auß den Nagel/ in der Grammatic
war er ziemlich beleſen/ die Definitionem Rhetorices wuſte er
außwendig/ wie auch das Griechiſche Alphabet, und in dem
Hebraͤiſchen war er ſchon biß auf das Gimmel kommen/ deß-
wegen wolte ſich kein Juͤdiſcher Rabbi mit ihm einlaſſen. Er
war ſparſam/ dann im Som̃er behalff er ſich mit einer Schuͤſſel
voll Butter-Milch/ und im Winter mit einem Napp voll Rocken-
Brey/ Ja/ wann die Winter-Kaͤlte nicht zu groß/ zog er weder
Schuh noch Struͤmpff an. Ach du Edler Mann/ daß du ſchon
verſauten ſolſt/ aber die beſten Leute werden zeitlich hinweg ge-
ruͤcket. Er iſt in Freuden geſtorben/ goͤnnet ihm die ewige Freude.
Er iſt am Rad behangen blieben/ aber nicht an dem/ das bey
dem Galgen ſtehet/ es war deß Herꝛn Burgermeiſters Karren-
Rad. Der Kopff ſtarb am erſten/ mit welchem er am meiſten
gearbeitet hatte. Seine ſchwartze Pluder-Hoſen haben ihn
gerades Weges in den Himmel geſchickt/ welche deßwegen ver-
dienen/ daß man ſie/ gleich einer Siegs-Fahnen/ in unſere Kirche
hange. Nun wolan/ er iſt geſtorben/ und wird wol todt bleiben/
uns aber gebuͤhret/ daß wir ſein Leyd vertrincken bey einer Freu-
den-Mahlzeit/ und vor allen Dingen den Herꝛn Prediger oben
an ſetzen. Lebet wol/ ihr lieben Freunde/ ich kan vor Hertzenleyd
nicht mehr reden/ meine Augen wollen in Thraͤnen zerſchmel[tz]en.
Hiermit Adjeu.

Als Troll ſeine Rede hiermit geendiget/ ſtecke-
ten die Leute die Koͤpffe zuſammen/ und lobeten ihn/
der eine noch mehr/ als der andere/ der Burgermeiſter
aber reichete ihm die Hand/ und wuͤnſchete ihm Gluͤck
zum Rector-Amt/ noͤthigte ihn auch mit auf die
Mahlzeit/ die er zu dieſer Beſtattung in ſeinem Hauß
hatte anrichten laſſen/ und darauf ſchied die Gemeine
auß einander. Troll gieng mit Krachbein nach Hauß/
und troͤſtete ihn wegen ſeiner abgeſtorbenen Frauen.
Als der Abend herzu nahete/ giengen ſie mit einander
nach deß Burgermeiſters Hauß/ woſelbſt ſich die an-
dern auch nach einander einſtelleten/ der Herꝛ Paſtor
kam auch/ und ward oben an geſetzet/ zu welchem ſich
der Burgermeiſter ſetzete/ alsdann die Aelteſten der

Gemei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <floatingText>
            <body>
              <p><pb facs="#f0787" n="767"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Romans <hi rendition="#aq">II.</hi> Buch.</hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">quam ira&#x017F;ci,</hi> es i&#x017F;t be&#x017F;&#x017F;er leyden/ als zu&#x0364;rnen. Er war gelehrt/<lb/>
dann den <hi rendition="#aq">Donat</hi> wu&#x017F;te er auß den Nagel/ in der <hi rendition="#aq">Grammatic</hi><lb/>
war er ziemlich bele&#x017F;en/ die <hi rendition="#aq">Definitionem Rhetorices</hi> wu&#x017F;te er<lb/>
außwendig/ wie auch das Griechi&#x017F;che <hi rendition="#aq">Alphabet,</hi> und in dem<lb/>
Hebra&#x0364;i&#x017F;chen war er &#x017F;chon biß auf das <hi rendition="#aq">Gimmel</hi> kommen/ deß-<lb/>
wegen wolte &#x017F;ich kein Ju&#x0364;di&#x017F;cher <hi rendition="#aq">Rabbi</hi> mit ihm einla&#x017F;&#x017F;en. Er<lb/>
war &#x017F;par&#x017F;am/ dann im Som&#x0303;er behalff er &#x017F;ich mit einer Schu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el<lb/>
voll Butter-Milch/ und im Winter mit einem Napp voll Rocken-<lb/>
Brey/ Ja/ wann die Winter-Ka&#x0364;lte nicht zu groß/ zog er weder<lb/>
Schuh noch Stru&#x0364;mpff an. Ach du Edler Mann/ daß du &#x017F;chon<lb/>
ver&#x017F;auten &#x017F;ol&#x017F;t/ aber die be&#x017F;ten Leute werden zeitlich hinweg ge-<lb/>
ru&#x0364;cket. Er i&#x017F;t in Freuden ge&#x017F;torben/ go&#x0364;nnet ihm die ewige Freude.<lb/>
Er i&#x017F;t am Rad behangen blieben/ aber nicht an dem/ das bey<lb/>
dem Galgen &#x017F;tehet/ es war deß Her&#xA75B;n Burgermei&#x017F;ters Karren-<lb/>
Rad. Der Kopff &#x017F;tarb am er&#x017F;ten/ mit welchem er am mei&#x017F;ten<lb/>
gearbeitet hatte. Seine &#x017F;chwartze Pluder-Ho&#x017F;en haben ihn<lb/>
gerades Weges in den Himmel ge&#x017F;chickt/ welche deßwegen ver-<lb/>
dienen/ daß man &#x017F;ie/ gleich einer Siegs-Fahnen/ in un&#x017F;ere Kirche<lb/>
hange. Nun wolan/ er i&#x017F;t ge&#x017F;torben/ und wird wol todt bleiben/<lb/>
uns aber gebu&#x0364;hret/ daß wir &#x017F;ein Leyd vertrincken bey einer Freu-<lb/>
den-Mahlzeit/ und vor allen Dingen den Her&#xA75B;n Prediger oben<lb/>
an &#x017F;etzen. Lebet wol/ ihr lieben Freunde/ ich kan vor Hertzenleyd<lb/>
nicht mehr reden/ meine Augen wollen in Thra&#x0364;nen zer&#x017F;chmel<supplied>tz</supplied>en.<lb/>
Hiermit <hi rendition="#aq">Adjeu.</hi></p>
            </body>
          </floatingText><lb/>
          <p>Als Troll &#x017F;eine Rede hiermit geendiget/ &#x017F;tecke-<lb/>
ten die Leute die Ko&#x0364;pffe zu&#x017F;ammen/ und lobeten ihn/<lb/>
der eine noch mehr/ als der andere/ der Burgermei&#x017F;ter<lb/>
aber reichete ihm die Hand/ und wu&#x0364;n&#x017F;chete ihm Glu&#x0364;ck<lb/>
zum <hi rendition="#aq">Rector-</hi>Amt/ no&#x0364;thigte ihn auch mit auf die<lb/>
Mahlzeit/ die er zu die&#x017F;er Be&#x017F;tattung in &#x017F;einem Hauß<lb/>
hatte anrichten la&#x017F;&#x017F;en/ und darauf &#x017F;chied die Gemeine<lb/>
auß einander. Troll gieng mit Krachbein nach Hauß/<lb/>
und tro&#x0364;&#x017F;tete ihn wegen &#x017F;einer abge&#x017F;torbenen Frauen.<lb/>
Als der Abend herzu nahete/ giengen &#x017F;ie mit einander<lb/>
nach deß Burgermei&#x017F;ters Hauß/ wo&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ich die an-<lb/>
dern auch nach einander ein&#x017F;telleten/ der Her&#xA75B; <hi rendition="#aq">Pa&#x017F;tor</hi><lb/>
kam auch/ und ward oben an ge&#x017F;etzet/ zu welchem &#x017F;ich<lb/>
der Burgermei&#x017F;ter &#x017F;etzete/ alsdann die Aelte&#x017F;ten der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Gemei-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[767/0787] Romans II. Buch. quam iraſci, es iſt beſſer leyden/ als zuͤrnen. Er war gelehrt/ dann den Donat wuſte er auß den Nagel/ in der Grammatic war er ziemlich beleſen/ die Definitionem Rhetorices wuſte er außwendig/ wie auch das Griechiſche Alphabet, und in dem Hebraͤiſchen war er ſchon biß auf das Gimmel kommen/ deß- wegen wolte ſich kein Juͤdiſcher Rabbi mit ihm einlaſſen. Er war ſparſam/ dann im Som̃er behalff er ſich mit einer Schuͤſſel voll Butter-Milch/ und im Winter mit einem Napp voll Rocken- Brey/ Ja/ wann die Winter-Kaͤlte nicht zu groß/ zog er weder Schuh noch Struͤmpff an. Ach du Edler Mann/ daß du ſchon verſauten ſolſt/ aber die beſten Leute werden zeitlich hinweg ge- ruͤcket. Er iſt in Freuden geſtorben/ goͤnnet ihm die ewige Freude. Er iſt am Rad behangen blieben/ aber nicht an dem/ das bey dem Galgen ſtehet/ es war deß Herꝛn Burgermeiſters Karren- Rad. Der Kopff ſtarb am erſten/ mit welchem er am meiſten gearbeitet hatte. Seine ſchwartze Pluder-Hoſen haben ihn gerades Weges in den Himmel geſchickt/ welche deßwegen ver- dienen/ daß man ſie/ gleich einer Siegs-Fahnen/ in unſere Kirche hange. Nun wolan/ er iſt geſtorben/ und wird wol todt bleiben/ uns aber gebuͤhret/ daß wir ſein Leyd vertrincken bey einer Freu- den-Mahlzeit/ und vor allen Dingen den Herꝛn Prediger oben an ſetzen. Lebet wol/ ihr lieben Freunde/ ich kan vor Hertzenleyd nicht mehr reden/ meine Augen wollen in Thraͤnen zerſchmeltzen. Hiermit Adjeu. Als Troll ſeine Rede hiermit geendiget/ ſtecke- ten die Leute die Koͤpffe zuſammen/ und lobeten ihn/ der eine noch mehr/ als der andere/ der Burgermeiſter aber reichete ihm die Hand/ und wuͤnſchete ihm Gluͤck zum Rector-Amt/ noͤthigte ihn auch mit auf die Mahlzeit/ die er zu dieſer Beſtattung in ſeinem Hauß hatte anrichten laſſen/ und darauf ſchied die Gemeine auß einander. Troll gieng mit Krachbein nach Hauß/ und troͤſtete ihn wegen ſeiner abgeſtorbenen Frauen. Als der Abend herzu nahete/ giengen ſie mit einander nach deß Burgermeiſters Hauß/ woſelbſt ſich die an- dern auch nach einander einſtelleten/ der Herꝛ Paſtor kam auch/ und ward oben an geſetzet/ zu welchem ſich der Burgermeiſter ſetzete/ alsdann die Aelteſten der Gemei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/787
Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 767. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/787>, abgerufen am 22.11.2024.