Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

Bild:
<< vorherige Seite

Romans II. Buch.
Trollen hungerigen Magen war übrig gelassen wor-
den. Darauf erzehlete ihm der Mann/ wie er von
seiner Steinalten Frau so gar keine Lust in ehelichen
Sachen mehr erlangen könte/ daher er genöthiget
sey/ auf eine andere Wäyde zu gehen. Die Dirne
hingegen beklagte sich/ daß sie schon 3. Jahr bey ihrer
alten Frauen gedienet/ die ihr aber alle Jahr etwas
an ihrem Lohn gekürtzet/ dahero sie sich solcher Ge-
stalt an ihr zu rächen hätte entschliessen müssen. Troll
preisete sie alle beyde/ und daraüf legte sich der alte
abgemergelte Mann unter einer Hecke schlaffen/ da-
hero die Dirne den Troll begrüssete/ es daselst wie-
der anzufangen/ wo es der Alte hätte bewenden las-
sen. Aber dieser wolte nicht/ sondern sprach: Dirne/ du
hast einen getreuen Liebhaber an diesem Greisen/ dem
must du nicht im ersten Augenblick untreu werden.
Jch meines Theils bin gebrechlich/ und habe einen
starcken Bruch/ welcher mich zwinget/ den Leib stäts
in einer Binde zu tragen/ sonsten wolte ich mich nicht
lange bitten lassen zu einer Arbeit/ die voller Süssig-
keit stecket. Er halff aber der Dirne etliche Korn Gar-
ben binden/ welches dem alten Mann/ als er erwa-
chete/ ein sonderlicher Trost war/ weil er für Mattig-
keit diese Arbeit nicht verrichten kunte/ und also hiel-
ten sie sich mit einander auf diesem Acker auf/ biß es
Abend zu werden begunte/ da giengen sie mit einan-
der nach dem Dorffe/ und kehrete Troll bey dem al-
ten Bauren ein/ der ihm denselben Abend satt zu essen
und zu trincken gab/ auch eine gute Schlaff-Stelle
verschaffete.

Am folgenden Morgen sehr frühe stund Troll/
und sahe zum Fenster unter dem Dache herauß/ da
er dann merckete/ daß dieser Ort etwas mehr/ als ein
Dorff/ dann er war ziemlich groß/ und befunden sich

etliche
B b b 3

Romans II. Buch.
Trollen hungerigen Magen war uͤbrig gelaſſen wor-
den. Darauf erzehlete ihm der Mann/ wie er von
ſeiner Steinalten Frau ſo gar keine Luſt in ehelichen
Sachen mehr erlangen koͤnte/ daher er genoͤthiget
ſey/ auf eine andere Waͤyde zu gehen. Die Dirne
hingegen beklagte ſich/ daß ſie ſchon 3. Jahr bey ihrer
alten Frauen gedienet/ die ihr aber alle Jahr etwas
an ihrem Lohn gekuͤrtzet/ dahero ſie ſich ſolcher Ge-
ſtalt an ihr zu raͤchen haͤtte entſchlieſſen muͤſſen. Troll
preiſete ſie alle beyde/ und darauͤf legte ſich der alte
abgemergelte Mann unter einer Hecke ſchlaffen/ da-
hero die Dirne den Troll begruͤſſete/ es daſelſt wie-
der anzufangen/ wo es der Alte haͤtte bewenden laſ-
ſen. Aber dieſer wolte nicht/ ſondern ſprach: Dirne/ du
haſt einen getreuen Liebhaber an dieſem Greiſen/ dem
muſt du nicht im erſten Augenblick untreu werden.
Jch meines Theils bin gebrechlich/ und habe einen
ſtarcken Bruch/ welcher mich zwinget/ den Leib ſtaͤts
in einer Binde zu tragen/ ſonſten wolte ich mich nicht
lange bitten laſſen zu einer Arbeit/ die voller Suͤſſig-
keit ſtecket. Er halff aber der Dirne etliche Korn Gar-
ben binden/ welches dem alten Mann/ als er erwa-
chete/ ein ſonderlicher Troſt war/ weil er fuͤr Mattig-
keit dieſe Arbeit nicht verrichten kunte/ und alſo hiel-
ten ſie ſich mit einander auf dieſem Acker auf/ biß es
Abend zu werden begunte/ da giengen ſie mit einan-
der nach dem Dorffe/ und kehrete Troll bey dem al-
ten Bauren ein/ der ihm denſelben Abend ſatt zu eſſen
und zu trincken gab/ auch eine gute Schlaff-Stelle
verſchaffete.

Am folgenden Morgen ſehr fruͤhe ſtund Troll/
und ſahe zum Fenſter unter dem Dache herauß/ da
er dann merckete/ daß dieſer Ort etwas mehr/ als ein
Dorff/ dann er war ziemlich groß/ und befunden ſich

etliche
B b b 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0777" n="757"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Romans <hi rendition="#aq">II.</hi> Buch.</hi></fw><lb/>
Trollen hungerigen Magen war u&#x0364;brig gela&#x017F;&#x017F;en wor-<lb/>
den. Darauf erzehlete ihm der Mann/ wie er von<lb/>
&#x017F;einer Steinalten Frau &#x017F;o gar keine Lu&#x017F;t in ehelichen<lb/>
Sachen mehr erlangen ko&#x0364;nte/ daher er geno&#x0364;thiget<lb/>
&#x017F;ey/ auf eine andere Wa&#x0364;yde zu gehen. Die Dirne<lb/>
hingegen beklagte &#x017F;ich/ daß &#x017F;ie &#x017F;chon 3. Jahr bey ihrer<lb/>
alten Frauen gedienet/ die ihr aber alle Jahr etwas<lb/>
an ihrem Lohn geku&#x0364;rtzet/ dahero &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;olcher Ge-<lb/>
&#x017F;talt an ihr zu ra&#x0364;chen ha&#x0364;tte ent&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Troll<lb/>
prei&#x017F;ete &#x017F;ie alle beyde/ und darau&#x0364;f legte &#x017F;ich der alte<lb/>
abgemergelte Mann unter einer Hecke &#x017F;chlaffen/ da-<lb/>
hero die Dirne den Troll begru&#x0364;&#x017F;&#x017F;ete/ es da&#x017F;el&#x017F;t wie-<lb/>
der anzufangen/ wo es der Alte ha&#x0364;tte bewenden la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. Aber die&#x017F;er wolte nicht/ &#x017F;ondern &#x017F;prach: Dirne/ du<lb/>
ha&#x017F;t einen getreuen Liebhaber an die&#x017F;em Grei&#x017F;en/ dem<lb/>
mu&#x017F;t du nicht im er&#x017F;ten Augenblick untreu werden.<lb/>
Jch meines Theils bin gebrechlich/ und habe einen<lb/>
&#x017F;tarcken Bruch/ welcher mich zwinget/ den Leib &#x017F;ta&#x0364;ts<lb/>
in einer Binde zu tragen/ &#x017F;on&#x017F;ten wolte ich mich nicht<lb/>
lange bitten la&#x017F;&#x017F;en zu einer Arbeit/ die voller Su&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig-<lb/>
keit &#x017F;tecket. Er halff aber der Dirne etliche Korn Gar-<lb/>
ben binden/ welches dem alten Mann/ als er erwa-<lb/>
chete/ ein &#x017F;onderlicher Tro&#x017F;t war/ weil er fu&#x0364;r Mattig-<lb/>
keit die&#x017F;e Arbeit nicht verrichten kunte/ und al&#x017F;o hiel-<lb/>
ten &#x017F;ie &#x017F;ich mit einander auf die&#x017F;em Acker auf/ biß es<lb/>
Abend zu werden begunte/ da giengen &#x017F;ie mit einan-<lb/>
der nach dem Dorffe/ und kehrete Troll bey dem al-<lb/>
ten Bauren ein/ der ihm den&#x017F;elben Abend &#x017F;att zu e&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und zu trincken gab/ auch eine gute Schlaff-Stelle<lb/>
ver&#x017F;chaffete.</p><lb/>
          <p>Am folgenden Morgen &#x017F;ehr fru&#x0364;he &#x017F;tund Troll/<lb/>
und &#x017F;ahe zum Fen&#x017F;ter unter dem Dache herauß/ da<lb/>
er dann merckete/ daß die&#x017F;er Ort etwas mehr/ als ein<lb/>
Dorff/ dann er war ziemlich groß/ und befunden &#x017F;ich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B b b 3</fw><fw place="bottom" type="catch">etliche</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[757/0777] Romans II. Buch. Trollen hungerigen Magen war uͤbrig gelaſſen wor- den. Darauf erzehlete ihm der Mann/ wie er von ſeiner Steinalten Frau ſo gar keine Luſt in ehelichen Sachen mehr erlangen koͤnte/ daher er genoͤthiget ſey/ auf eine andere Waͤyde zu gehen. Die Dirne hingegen beklagte ſich/ daß ſie ſchon 3. Jahr bey ihrer alten Frauen gedienet/ die ihr aber alle Jahr etwas an ihrem Lohn gekuͤrtzet/ dahero ſie ſich ſolcher Ge- ſtalt an ihr zu raͤchen haͤtte entſchlieſſen muͤſſen. Troll preiſete ſie alle beyde/ und darauͤf legte ſich der alte abgemergelte Mann unter einer Hecke ſchlaffen/ da- hero die Dirne den Troll begruͤſſete/ es daſelſt wie- der anzufangen/ wo es der Alte haͤtte bewenden laſ- ſen. Aber dieſer wolte nicht/ ſondern ſprach: Dirne/ du haſt einen getreuen Liebhaber an dieſem Greiſen/ dem muſt du nicht im erſten Augenblick untreu werden. Jch meines Theils bin gebrechlich/ und habe einen ſtarcken Bruch/ welcher mich zwinget/ den Leib ſtaͤts in einer Binde zu tragen/ ſonſten wolte ich mich nicht lange bitten laſſen zu einer Arbeit/ die voller Suͤſſig- keit ſtecket. Er halff aber der Dirne etliche Korn Gar- ben binden/ welches dem alten Mann/ als er erwa- chete/ ein ſonderlicher Troſt war/ weil er fuͤr Mattig- keit dieſe Arbeit nicht verrichten kunte/ und alſo hiel- ten ſie ſich mit einander auf dieſem Acker auf/ biß es Abend zu werden begunte/ da giengen ſie mit einan- der nach dem Dorffe/ und kehrete Troll bey dem al- ten Bauren ein/ der ihm denſelben Abend ſatt zu eſſen und zu trincken gab/ auch eine gute Schlaff-Stelle verſchaffete. Am folgenden Morgen ſehr fruͤhe ſtund Troll/ und ſahe zum Fenſter unter dem Dache herauß/ da er dann merckete/ daß dieſer Ort etwas mehr/ als ein Dorff/ dann er war ziemlich groß/ und befunden ſich etliche B b b 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/777
Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 757. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/777>, abgerufen am 22.11.2024.