Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.Deß Academischen durch ein seltzames Nacht-Liecht gäntzlich vom rech-ten Weg ab- und in einen dunckeln Wald hinein geführet/ da er dann endlich das Jrr-Liecht verlohren/ und nichts/ als lauter dunckele Finsternüß um sich sahe. Hieselbst fand er im Tunckeln ein gesatteltes Pferd/ ohne Herrn/ auf welches er sich setzete/ und fort ritte/ er ließ dasselbe auch gehen/ wohin es wol- te/ dannenhero kam er auf demselben endlich an die Ecke deß Waldes/ allwo ein Mann den Zügel ergriff/ und zu dem Reuter sprach: Mein Freund/ ihr seyd vom rechten Weg abgekommen/ ich wil euch wieder darauf helffen. Hierauf führete er ihn ein wenig seit- wärts/ für einen grossen hohlen Baum/ für welchem ein kleines Feuer brandte/ und lagen 2. starcke Män- ner neben demselben/ und schlieffen. Diese wurden von ihrem dritten Cammeraden bald aufgewecket/ der ihnen den Troll fürstellete/ da sie ihn mit gar freund- lichen Worten zum Feuer nöthigten/ welches ihm Troll gefallen ließ/ der zuforderst nach etwas Speise forschete. Sie reicheten ihm etwas Brodt und Käse/ worbey er zu diesem mahl seine Abend-Mahlzeit hal- ten muste. Man band sein Pferd an einen Graß- reichen Ort/ und als sich Troll zu den andern gesetzet/ fielen sie ihm plötzlich auf den Leib/ und bunden ihm Hände und Füsse. Dieses Handels erschrack er sehr/ rieff aber doch: Misericordia! Misericordia! quid postulatis ab homine pauperrimo? Zu allem Glück war unter dem Hauffen einer/ der ein wenig Latein verstund/ dieser bath für ihn/ und sagte/ er würde ih- nen der Sprache halben nützlich seyn/ darum möchte man ihm das Leben schencken. Also ward er begnadiget/ mit dem Bedinge/ daß über-
Deß Academiſchen durch ein ſeltzames Nacht-Liecht gaͤntzlich vom rech-ten Weg ab- und in einen dunckeln Wald hinein gefuͤhret/ da er dann endlich das Jrꝛ-Liecht verlohren/ und nichts/ als lauter dunckele Finſternuͤß um ſich ſahe. Hieſelbſt fand er im Tunckeln ein geſatteltes Pferd/ ohne Herꝛn/ auf welches er ſich ſetzete/ und fort ritte/ er ließ daſſelbe auch gehen/ wohin es wol- te/ dannenhero kam er auf demſelben endlich an die Ecke deß Waldes/ allwo ein Mann den Zuͤgel ergriff/ und zu dem Reuter ſprach: Mein Freund/ ihr ſeyd vom rechten Weg abgekommen/ ich wil euch wieder darauf helffen. Hierauf fuͤhrete er ihn ein wenig ſeit- waͤrts/ fuͤr einen groſſen hohlen Baum/ fuͤr welchem ein kleines Feuer brandte/ und lagen 2. ſtarcke Maͤn- ner neben demſelben/ und ſchlieffen. Dieſe wurden von ihrem dritten Cam̃eraden bald aufgewecket/ der ihnen den Troll fuͤrſtellete/ da ſie ihn mit gar freund- lichen Worten zum Feuer noͤthigten/ welches ihm Troll gefallen ließ/ der zuforderſt nach etwas Speiſe forſchete. Sie reicheten ihm etwas Brodt und Kaͤſe/ worbey er zu dieſem mahl ſeine Abend-Mahlzeit hal- ten muſte. Man band ſein Pferd an einen Graß- reichen Ort/ und als ſich Troll zu den andern geſetzet/ fielen ſie ihm ploͤtzlich auf den Leib/ und bunden ihm Haͤnde und Fuͤſſe. Dieſes Handels erſchrack er ſehr/ rieff aber doch: Miſericordia! Miſericordia! quid poſtulatis ab homine pauperrimo? Zu allem Gluͤck war unter dem Hauffen einer/ der ein wenig Latein verſtund/ dieſer bath fuͤr ihn/ und ſagte/ er wuͤrde ih- nen der Sprache halben nuͤtzlich ſeyn/ darum moͤchte man ihm das Leben ſchencken. Alſo ward er begnadiget/ mit dem Bedinge/ daß uͤber-
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Deß Academiſchen
durch ein ſeltzames Nacht-Liecht gaͤntzlich vom rech-
ten Weg ab- und in einen dunckeln Wald hinein
gefuͤhret/ da er dann endlich das Jrꝛ-Liecht verlohren/
und nichts/ als lauter dunckele Finſternuͤß um ſich
ſahe. Hieſelbſt fand er im Tunckeln ein geſatteltes
Pferd/ ohne Herꝛn/ auf welches er ſich ſetzete/ und
fort ritte/ er ließ daſſelbe auch gehen/ wohin es wol-
te/ dannenhero kam er auf demſelben endlich an die
Ecke deß Waldes/ allwo ein Mann den Zuͤgel ergriff/
und zu dem Reuter ſprach: Mein Freund/ ihr ſeyd
vom rechten Weg abgekommen/ ich wil euch wieder
darauf helffen. Hierauf fuͤhrete er ihn ein wenig ſeit-
waͤrts/ fuͤr einen groſſen hohlen Baum/ fuͤr welchem
ein kleines Feuer brandte/ und lagen 2. ſtarcke Maͤn-
ner neben demſelben/ und ſchlieffen. Dieſe wurden
von ihrem dritten Cam̃eraden bald aufgewecket/ der
ihnen den Troll fuͤrſtellete/ da ſie ihn mit gar freund-
lichen Worten zum Feuer noͤthigten/ welches ihm
Troll gefallen ließ/ der zuforderſt nach etwas Speiſe
forſchete. Sie reicheten ihm etwas Brodt und Kaͤſe/
worbey er zu dieſem mahl ſeine Abend-Mahlzeit hal-
ten muſte. Man band ſein Pferd an einen Graß-
reichen Ort/ und als ſich Troll zu den andern geſetzet/
fielen ſie ihm ploͤtzlich auf den Leib/ und bunden ihm
Haͤnde und Fuͤſſe. Dieſes Handels erſchrack er ſehr/
rieff aber doch: Miſericordia! Miſericordia! quid
poſtulatis ab homine pauperrimo? Zu allem Gluͤck
war unter dem Hauffen einer/ der ein wenig Latein
verſtund/ dieſer bath fuͤr ihn/ und ſagte/ er wuͤrde ih-
nen der Sprache halben nuͤtzlich ſeyn/ darum moͤchte
man ihm das Leben ſchencken.
Alſo ward er begnadiget/ mit dem Bedinge/ daß
er ihr getreuer Cammerad hinfuͤhro ſeyn/ was er haͤt-
te/ mit ihnen getreulich theilen/ und von dem/ was ſie
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