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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Deß Academischen

Andere haben sich gefunden/ welche von Natur
eines sehr schwachen und unfähigen Gedächtnüß ge-
wesen. Käyser Claudius, war eines so blöden Ge-
dächtnüß/ daß von ihm Suetonius Tranquillus schrei-
bet/ es sey ihm mehrmahlen widerfahren/ daß seine
Gemahlin sich mit ihm zu Bette geleget/ er aber ha-
be nach ihr gefraget/ und die Ursach zu wissen begeh-
ret/ warum sie sich nicht zu ihm legete. Es geschahe
auch öffters/ daß er einen heut tödten/ deß andern Ta-
ges aber ihn in den Rath beruffen lassen/ andere/ so er
gleichfalls zu tödten befohlen/ ließ er folgends zu sich
beruffen/ daß sie mit ihm im Bret spielen solten/ nach
etlichen fragete er/ und nennete sie Faullentzer/ da er
sie deß Tages zuvor hatte aufhencken lassen.

Herodes Sophista, der treffliche Orator, hatte ei-
nen Sohn/ der war von so blöder Memori und Ver-
stand/ daß er auf keinerley Weise die Buchstaben deß
Alphabets lernen/ oder im Gedächtnüß behalten kun-
te. Der Vatter aber trug ein grosses Verlangen/
daß der Sohn solches lernen möchte/ also/ daß er ne-
ben ihm/ (der Meynung/ ihm solches desto eher bey-
zubringen/) 24. Knaben seines Alters auferzog/ und
einem Jeden unter ihnen einen Namen nach der
Ordnung der Buchstaben deß Alphabets gab/ damit/
so er dieselben kennen und bey Namen nennen wur-
de/ er auch zugleich die Buchstaben erlernen und be-
greiffen möchte.

Oben habe ich gemeldet/ daß der plötzliche Schre-
cken/ oder das Entsetzen/ das Gedächtnüß zu schwä-
chen und zu verhindern pflege/ und dem ist in Warheit
also/ dann ob der Schrecken gleich die Memori nicht
gantz vernichtet/ jedoch verursachet er/ daß der Mensch
eine Zeitlang das Jenige/ was er ihm vest in das Ge-
dächtnüß gebildet/ vergisset/ und also in seinem Vor-

satz
Deß Academiſchen

Andere haben ſich gefunden/ welche von Natur
eines ſehr ſchwachen und unfaͤhigen Gedaͤchtnuͤß ge-
weſen. Kaͤyſer Claudius, war eines ſo bloͤden Ge-
daͤchtnuͤß/ daß von ihm Suetonius Tranquillus ſchrei-
bet/ es ſey ihm mehrmahlen widerfahren/ daß ſeine
Gemahlin ſich mit ihm zu Bette geleget/ er aber ha-
be nach ihr gefraget/ und die Urſach zu wiſſen begeh-
ret/ warum ſie ſich nicht zu ihm legete. Es geſchahe
auch oͤffters/ daß er einen heut toͤdten/ deß andern Ta-
ges aber ihn in den Rath beruffen laſſen/ andere/ ſo er
gleichfalls zu toͤdten befohlen/ ließ er folgends zu ſich
beruffen/ daß ſie mit ihm im Bret ſpielen ſolten/ nach
etlichen fragete er/ und nennete ſie Faullentzer/ da er
ſie deß Tages zuvor hatte aufhencken laſſen.

Herodes Sophiſta, der treffliche Orator, hatte ei-
nen Sohn/ der war von ſo bloͤder Memori und Ver-
ſtand/ daß er auf keinerley Weiſe die Buchſtaben deß
Alphabets lernen/ oder im Gedaͤchtnuͤß behalten kun-
te. Der Vatter aber trug ein groſſes Verlangen/
daß der Sohn ſolches lernen moͤchte/ alſo/ daß er ne-
ben ihm/ (der Meynung/ ihm ſolches deſto eher bey-
zubringen/) 24. Knaben ſeines Alters auferzog/ und
einem Jeden unter ihnen einen Namen nach der
Ordnung der Buchſtaben deß Alphabets gab/ damit/
ſo er dieſelben kennen und bey Namen nennen wur-
de/ er auch zugleich die Buchſtaben erlernen und be-
greiffen moͤchte.

Oben habe ich gemeldet/ daß der ploͤtzliche Schre-
cken/ oder das Entſetzen/ das Gedaͤchtnuͤß zu ſchwaͤ-
chen und zu verhindern pflege/ und dem iſt in Warheit
alſo/ dann ob der Schrecken gleich die Memori nicht
gantz vernichtet/ jedoch verurſachet er/ daß der Menſch
eine Zeitlang das Jenige/ was er ihm veſt in das Ge-
daͤchtnuͤß gebildet/ vergiſſet/ und alſo in ſeinem Vor-

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[676/0694] Deß Academiſchen Andere haben ſich gefunden/ welche von Natur eines ſehr ſchwachen und unfaͤhigen Gedaͤchtnuͤß ge- weſen. Kaͤyſer Claudius, war eines ſo bloͤden Ge- daͤchtnuͤß/ daß von ihm Suetonius Tranquillus ſchrei- bet/ es ſey ihm mehrmahlen widerfahren/ daß ſeine Gemahlin ſich mit ihm zu Bette geleget/ er aber ha- be nach ihr gefraget/ und die Urſach zu wiſſen begeh- ret/ warum ſie ſich nicht zu ihm legete. Es geſchahe auch oͤffters/ daß er einen heut toͤdten/ deß andern Ta- ges aber ihn in den Rath beruffen laſſen/ andere/ ſo er gleichfalls zu toͤdten befohlen/ ließ er folgends zu ſich beruffen/ daß ſie mit ihm im Bret ſpielen ſolten/ nach etlichen fragete er/ und nennete ſie Faullentzer/ da er ſie deß Tages zuvor hatte aufhencken laſſen. Herodes Sophiſta, der treffliche Orator, hatte ei- nen Sohn/ der war von ſo bloͤder Memori und Ver- ſtand/ daß er auf keinerley Weiſe die Buchſtaben deß Alphabets lernen/ oder im Gedaͤchtnuͤß behalten kun- te. Der Vatter aber trug ein groſſes Verlangen/ daß der Sohn ſolches lernen moͤchte/ alſo/ daß er ne- ben ihm/ (der Meynung/ ihm ſolches deſto eher bey- zubringen/) 24. Knaben ſeines Alters auferzog/ und einem Jeden unter ihnen einen Namen nach der Ordnung der Buchſtaben deß Alphabets gab/ damit/ ſo er dieſelben kennen und bey Namen nennen wur- de/ er auch zugleich die Buchſtaben erlernen und be- greiffen moͤchte. Oben habe ich gemeldet/ daß der ploͤtzliche Schre- cken/ oder das Entſetzen/ das Gedaͤchtnuͤß zu ſchwaͤ- chen und zu verhindern pflege/ und dem iſt in Warheit alſo/ dann ob der Schrecken gleich die Memori nicht gantz vernichtet/ jedoch verurſachet er/ daß der Menſch eine Zeitlang das Jenige/ was er ihm veſt in das Ge- daͤchtnuͤß gebildet/ vergiſſet/ und alſo in ſeinem Vor- ſatz

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 676. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/694>, abgerufen am 22.11.2024.