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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans II. Buch.
ab/ und fället auf einen andern daß er ihn durch den
Fall zu Boden schläget und wider seinen Willen töd-
tet. Deß also Verschiedenen Sohn beklaget den/ so
von dem Dach gefallen als einen Mörder/ und bittet/
ihn abzustraffen. Der Richter aber sagt/ der Sohn
solte hinauf steigen/ und auf den andern herab fallen/
wann er solcher Gestalt seines Vattern Tod räche/
solte es ihm auch ungestrafft hingehen. Er hatte aber
keine Lust zu so gefährlicher Rache.

Von vorhergehenden Fällen könte ein müssiger
Jurist weitschwe[i]ffige Bedencken aufsetzen/ und die
Gründe deß Rechtens eines und andern Theils an-
führen; Massen es nicht erdichtete/ sondern wahre
Fälle/ die Theils noch wol Nachsinnens würdig. Die
Erkundigung deß Rechtens und Handhabung der
Gerechtigkeit ist sehr nothwendig/ und in einem Re-
giment unentbährlich. Der Mißbrauch aber ist so
groß/ daß fast der rechte Gebrauch darbey nicht zu er-
kennen/ und eyfern wider solchen alle Ehristliche und
Gewissenhaffte Rechts-Gelehrte. Keine Sache ist so
böß/ man kan ihr eine schöne Farbe anstreichen/ daher
Boccalini recht erdichtet/ daß die Juristen im Parnasso
alle Farb-Krämer außgekauffet. Besiehe von der-
gleichen Rechts-Sachen Herrn Abele lustige Ge-
richts-Händel.

Es muste zwar Venereus bekennen/ daß es ihm
zu wichtig sey/ ex tempore diese Fragen zu beurthei-
len/ doch sähe er seine gewesene Lehrmeister für solche
verständige Leute an/ daß sie dieselbe ohne Mühe nach
einander und mit gutem Grund zu entscheiden sich
unternehmen würden. Jm übrigen verwundere ich
mich/ sprach er/ über den vorhin beschriebenen Küntzel/
von welchem neben mir ein Jeder bekennen wird/ daß
er ein fürtreffliches Gedächtnüß müsse gehabt haben.

Das
T t 5

Romans II. Buch.
ab/ und faͤllet auf einen andern daß er ihn durch den
Fall zu Boden ſchlaͤget und wider ſeinen Willen toͤd-
tet. Deß alſo Verſchiedenen Sohn beklaget den/ ſo
von dem Dach gefallen als einen Moͤrder/ und bittet/
ihn abzuſtraffen. Der Richter aber ſagt/ der Sohn
ſolte hinauf ſteigen/ und auf den andern herab fallen/
wann er ſolcher Geſtalt ſeines Vattern Tod raͤche/
ſolte es ihm auch ungeſtrafft hingehen. Er hatte aber
keine Luſt zu ſo gefaͤhrlicher Rache.

Von vorhergehenden Faͤllen koͤnte ein muͤſſiger
Juriſt weitſchwe[i]ffige Bedencken aufſetzen/ und die
Gruͤnde deß Rechtens eines und andern Theils an-
fuͤhren; Maſſen es nicht erdichtete/ ſondern wahre
Faͤlle/ die Theils noch wol Nachſinnens wuͤrdig. Die
Erkundigung deß Rechtens und Handhabung der
Gerechtigkeit iſt ſehr nothwendig/ und in einem Re-
giment unentbaͤhrlich. Der Mißbrauch aber iſt ſo
groß/ daß faſt der rechte Gebrauch darbey nicht zu er-
kennen/ und eyfern wider ſolchen alle Ehriſtliche und
Gewiſſenhaffte Rechts-Gelehrte. Keine Sache iſt ſo
boͤß/ man kan ihr eine ſchoͤne Farbe anſtreichen/ daher
Boccalini recht erdichtet/ daß die Juriſten im Parnaſſo
alle Farb-Kraͤmer außgekauffet. Beſiehe von der-
gleichen Rechts-Sachen Herꝛn Abele luſtige Ge-
richts-Haͤndel.

Es muſte zwar Venereus bekennen/ daß es ihm
zu wichtig ſey/ ex tempore dieſe Fragen zu beurthei-
len/ doch ſaͤhe er ſeine geweſene Lehrmeiſter fuͤr ſolche
verſtaͤndige Leute an/ daß ſie dieſelbe ohne Muͤhe nach
einander und mit gutem Grund zu entſcheiden ſich
unternehmen wuͤrden. Jm uͤbrigen verwundere ich
mich/ ſprach er/ uͤber den vorhin beſchriebenen Kuͤntzel/
von welchem neben mir ein Jeder bekennen wird/ daß
er ein fuͤrtreffliches Gedaͤchtnuͤß muͤſſe gehabt haben.

Das
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[665/0683] Romans II. Buch. ab/ und faͤllet auf einen andern daß er ihn durch den Fall zu Boden ſchlaͤget und wider ſeinen Willen toͤd- tet. Deß alſo Verſchiedenen Sohn beklaget den/ ſo von dem Dach gefallen als einen Moͤrder/ und bittet/ ihn abzuſtraffen. Der Richter aber ſagt/ der Sohn ſolte hinauf ſteigen/ und auf den andern herab fallen/ wann er ſolcher Geſtalt ſeines Vattern Tod raͤche/ ſolte es ihm auch ungeſtrafft hingehen. Er hatte aber keine Luſt zu ſo gefaͤhrlicher Rache. Von vorhergehenden Faͤllen koͤnte ein muͤſſiger Juriſt weitſchweiffige Bedencken aufſetzen/ und die Gruͤnde deß Rechtens eines und andern Theils an- fuͤhren; Maſſen es nicht erdichtete/ ſondern wahre Faͤlle/ die Theils noch wol Nachſinnens wuͤrdig. Die Erkundigung deß Rechtens und Handhabung der Gerechtigkeit iſt ſehr nothwendig/ und in einem Re- giment unentbaͤhrlich. Der Mißbrauch aber iſt ſo groß/ daß faſt der rechte Gebrauch darbey nicht zu er- kennen/ und eyfern wider ſolchen alle Ehriſtliche und Gewiſſenhaffte Rechts-Gelehrte. Keine Sache iſt ſo boͤß/ man kan ihr eine ſchoͤne Farbe anſtreichen/ daher Boccalini recht erdichtet/ daß die Juriſten im Parnaſſo alle Farb-Kraͤmer außgekauffet. Beſiehe von der- gleichen Rechts-Sachen Herꝛn Abele luſtige Ge- richts-Haͤndel. Es muſte zwar Venereus bekennen/ daß es ihm zu wichtig ſey/ ex tempore dieſe Fragen zu beurthei- len/ doch ſaͤhe er ſeine geweſene Lehrmeiſter fuͤr ſolche verſtaͤndige Leute an/ daß ſie dieſelbe ohne Muͤhe nach einander und mit gutem Grund zu entſcheiden ſich unternehmen wuͤrden. Jm uͤbrigen verwundere ich mich/ ſprach er/ uͤber den vorhin beſchriebenen Kuͤntzel/ von welchem neben mir ein Jeder bekennen wird/ daß er ein fuͤrtreffliches Gedaͤchtnuͤß muͤſſe gehabt haben. Das T t 5

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 665. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/683>, abgerufen am 22.11.2024.