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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans II. Buch.
Kugel/ seynd von einerley Natur. Wird aber einiger
Unterschied darinn gefunden/ so muß er anders wo-
her/ als auß den 4. Theilen der Welt/ fürnemlich aber
auß der Kälte und Hitze beschlossen werden. Auf
diese Weise werden die Jenigen/ so unter den Polis
leben/ einer gantz andern Complexion deß Leibes und
deß Verstandes seyn/ als die Jenige/ die unter den
Tropicis wohnen/ und dem Zufolge/ müssen die Ein-
wohner der temperirten Zonen/ die Sinn-reichsten
seyn/ weilen die Kälte dem Leben gar zu sehr zuwider
ist/ daß grosser Verstand darauß solte kommen kön-
nen/ und die überauß grosse Hitze die Humeuren nicht
weniger inwendig als außwendig verbrennet/ wie
solches das wollichte Haar und die schwartze Farbe
der Leute außweisen/ die dergleichen Hitze ertragen.
Was das Temperament anlanget/ kan das Sangui-
ni
sche darzu nicht das Geschickteste seyn/ weilen es
den Sinnen gar zu sehr nachhänget/ und gar zu mitley-
dig ist/ wegen der Weichlichkeit der Humeuren/ da
hingegen das Temperament bey einem verständigen
Menschen moderiret seyn soll. Aber allem Ansehen
nach/ gibt die natürliche Melancholia die beste Dispo-
sition
zu einem guten Verstand; Dann sie macht
ein solides Judicium, und ein ehrbar/ beständig/ ge-
dultig und mässiges Gemüth/ welches die fürnehm-
sten Säulen der Klugheit seynd.

Der Dritte beschloß: Daß Sinn-reich oder
Dumm seyn/ nicht von den Climaten noch Tempera-
ment
en dependirte. Dann das Erste erschiene dar-
auß: Gleichwie in allen Ländern gute und böse Leute
sind/ also werden auch Kluge und Narren/ Sinn-
reiche und Dumme darinnen gefunden. Dann/ weil
unsere Seele weder von der Erden/ noch von dem
äusserlichen Himmel oder Firmament kommt/ und

die

Romans II. Buch.
Kugel/ ſeynd von einerley Natur. Wird aber einiger
Unterſchied darinn gefunden/ ſo muß er anders wo-
her/ als auß den 4. Theilen der Welt/ fuͤrnemlich aber
auß der Kaͤlte und Hitze beſchloſſen werden. Auf
dieſe Weiſe werden die Jenigen/ ſo unter den Polis
leben/ einer gantz andern Complexion deß Leibes und
deß Verſtandes ſeyn/ als die Jenige/ die unter den
Tropicis wohnen/ und dem Zufolge/ muͤſſen die Ein-
wohner der temperirten Zonen/ die Sinn-reichſten
ſeyn/ weilen die Kaͤlte dem Leben gar zu ſehr zuwider
iſt/ daß groſſer Verſtand darauß ſolte kommen koͤn-
nen/ und die uͤberauß groſſe Hitze die Humeuren nicht
weniger inwendig als außwendig verbrennet/ wie
ſolches das wollichte Haar und die ſchwartze Farbe
der Leute außweiſen/ die dergleichen Hitze ertragen.
Was das Temperament anlanget/ kan das Sangui-
ni
ſche darzu nicht das Geſchickteſte ſeyn/ weilen es
den Siñen gar zu ſehr nachhaͤnget/ und gar zu mitley-
dig iſt/ wegen der Weichlichkeit der Humeuren/ da
hingegen das Temperament bey einem verſtaͤndigen
Menſchen moderiret ſeyn ſoll. Aber allem Anſehen
nach/ gibt die natuͤrliche Melancholia die beſte Diſpo-
ſition
zu einem guten Verſtand; Dann ſie macht
ein ſolides Judicium, und ein ehrbar/ beſtaͤndig/ ge-
dultig und maͤſſiges Gemuͤth/ welches die fuͤrnehm-
ſten Saͤulen der Klugheit ſeynd.

Der Dritte beſchloß: Daß Sinn-reich oder
Dum̃ ſeyn/ nicht von den Climaten noch Tempera-
ment
en dependirte. Dann das Erſte erſchiene dar-
auß: Gleichwie in allen Laͤndern gute und boͤſe Leute
ſind/ alſo werden auch Kluge und Narren/ Sinn-
reiche und Dum̃e darinnen gefunden. Dann/ weil
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[623/0641] Romans II. Buch. Kugel/ ſeynd von einerley Natur. Wird aber einiger Unterſchied darinn gefunden/ ſo muß er anders wo- her/ als auß den 4. Theilen der Welt/ fuͤrnemlich aber auß der Kaͤlte und Hitze beſchloſſen werden. Auf dieſe Weiſe werden die Jenigen/ ſo unter den Polis leben/ einer gantz andern Complexion deß Leibes und deß Verſtandes ſeyn/ als die Jenige/ die unter den Tropicis wohnen/ und dem Zufolge/ muͤſſen die Ein- wohner der temperirten Zonen/ die Sinn-reichſten ſeyn/ weilen die Kaͤlte dem Leben gar zu ſehr zuwider iſt/ daß groſſer Verſtand darauß ſolte kommen koͤn- nen/ und die uͤberauß groſſe Hitze die Humeuren nicht weniger inwendig als außwendig verbrennet/ wie ſolches das wollichte Haar und die ſchwartze Farbe der Leute außweiſen/ die dergleichen Hitze ertragen. Was das Temperament anlanget/ kan das Sangui- niſche darzu nicht das Geſchickteſte ſeyn/ weilen es den Siñen gar zu ſehr nachhaͤnget/ und gar zu mitley- dig iſt/ wegen der Weichlichkeit der Humeuren/ da hingegen das Temperament bey einem verſtaͤndigen Menſchen moderiret ſeyn ſoll. Aber allem Anſehen nach/ gibt die natuͤrliche Melancholia die beſte Diſpo- ſition zu einem guten Verſtand; Dann ſie macht ein ſolides Judicium, und ein ehrbar/ beſtaͤndig/ ge- dultig und maͤſſiges Gemuͤth/ welches die fuͤrnehm- ſten Saͤulen der Klugheit ſeynd. Der Dritte beſchloß: Daß Sinn-reich oder Dum̃ ſeyn/ nicht von den Climaten noch Tempera- menten dependirte. Dann das Erſte erſchiene dar- auß: Gleichwie in allen Laͤndern gute und boͤſe Leute ſind/ alſo werden auch Kluge und Narren/ Sinn- reiche und Dum̃e darinnen gefunden. Dann/ weil unſere Seele weder von der Erden/ noch von dem aͤuſſerlichen Himmel oder Firmament kommt/ und die

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/641>, abgerufen am 22.11.2024.