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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans II. Buch.

Dieser/ so Burgermeister/ hatte eine schöne junge
Frau/ welche sich alsobald in den Venereum verliebte/
wie er dann etwas sonderliches an sich hatte/ daran
das geile Frauenzimmer bald einen Narren fressen
kunte. Jndem also diese Frau vor ihn bathe/ kam ein
Geschrey/ wie etliche bey dem Galgen gesehen wor-
den/ welche den gehangenen Juden hätten herab ge-
nommen. Also lieff ein Jeder zur Stadt hinauß/ aber
Venereus blieb bey dem alten Burgermeister/ biß die
Leute mit dem Juden-Dieb daher kamen/ dieser war
ein Schäfer/ welcher alsobald bekennete/ daß er schon
5. Juden von dem Galgen genommen/ und in die Er-
de an heimlichen Orten gescharret/ wovor er von der
Judenschafft der umligenden Oerter vor jede Person
20. Reichsthl. zu empfangen gehabt. Er habe aber
wol gewust/ daß die Bürger von Colli diesen Juden
die Nacht über durch eine starcke versteckte Schild-
wache genau bewacheten/ dahero habe er sich nicht
daran zu machen getrauet/ biß sie mit diesem Unschul-
digen diesen Morgen eingekommen/ darauf habe er
gedacht/ nun gebe man keine Acht auf den Galgen/
weil man sich deß Diebes versichert hätte/ habe also
sich auf den Weg gemacht/ und den Juden herab ge-
nommen/ worüber er aber ertappet worden/ bathe
demnach um Dimission, so wolle er die Juden anmel-
den/ die ihn darzu erkaufft/ und dem Gericht einen
fetten Hammel zur Mahlzeit verehret haben. Also
sahe nun Jedermann/ daß Venereus an seiner Auf-
lage zumahl unschuldig/ welcher darauf auß einem
andern Thon sprach/ und fürwendete/ er sey ein Be-
dienter eines hohen Printzen/ der viel Graubünder in
seinen Diensten hätte/ und dafern sie ihm nicht völli-
ge Satisfaction vor die beschehene Injurie erstatteten/
wolle er es dahin bringen/ daß sie ihre Vermessenheit

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Romans II. Buch.

Dieſer/ ſo Burgermeiſter/ hatte eine ſchoͤne junge
Frau/ welche ſich alſobald in den Venereum verliebte/
wie er dann etwas ſonderliches an ſich hatte/ daran
das geile Frauenzimmer bald einen Narren freſſen
kunte. Jndem alſo dieſe Frau vor ihn bathe/ kam ein
Geſchrey/ wie etliche bey dem Galgen geſehen wor-
den/ welche den gehangenen Juden haͤtten herab ge-
nommen. Alſo lieff ein Jeder zur Stadt hinauß/ aber
Venereus blieb bey dem alten Burgermeiſter/ biß die
Leute mit dem Juden-Dieb daher kamen/ dieſer war
ein Schaͤfer/ welcher alſobald bekennete/ daß er ſchon
5. Juden von dem Galgen genommen/ und in die Er-
de an heimlichen Orten geſcharret/ wovor er von der
Judenſchafft der umligenden Oerter vor jede Perſon
20. Reichsthl. zu empfangen gehabt. Er habe aber
wol gewuſt/ daß die Buͤrger von Colli dieſen Juden
die Nacht uͤber durch eine ſtarcke verſteckte Schild-
wache genau bewacheten/ dahero habe er ſich nicht
daran zu machen getrauet/ biß ſie mit dieſem Unſchul-
digen dieſen Morgen eingekommen/ darauf habe er
gedacht/ nun gebe man keine Acht auf den Galgen/
weil man ſich deß Diebes verſichert haͤtte/ habe alſo
ſich auf den Weg gemacht/ und den Juden herab ge-
nommen/ woruͤber er aber ertappet worden/ bathe
demnach um Dimiſſion, ſo wolle er die Juden anmel-
den/ die ihn darzu erkaufft/ und dem Gericht einen
fetten Hammel zur Mahlzeit verehret haben. Alſo
ſahe nun Jedermann/ daß Venereus an ſeiner Auf-
lage zumahl unſchuldig/ welcher darauf auß einem
andern Thon ſprach/ und fuͤrwendete/ er ſey ein Be-
dienter eines hohen Printzen/ der viel Graubuͤnder in
ſeinen Dienſten haͤtte/ und dafern ſie ihm nicht voͤlli-
ge Satisfaction vor die beſchehene Injurie erſtatteten/
wolle er es dahin bringen/ daß ſie ihre Vermeſſenheit

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[593/0611] Romans II. Buch. Dieſer/ ſo Burgermeiſter/ hatte eine ſchoͤne junge Frau/ welche ſich alſobald in den Venereum verliebte/ wie er dann etwas ſonderliches an ſich hatte/ daran das geile Frauenzimmer bald einen Narren freſſen kunte. Jndem alſo dieſe Frau vor ihn bathe/ kam ein Geſchrey/ wie etliche bey dem Galgen geſehen wor- den/ welche den gehangenen Juden haͤtten herab ge- nommen. Alſo lieff ein Jeder zur Stadt hinauß/ aber Venereus blieb bey dem alten Burgermeiſter/ biß die Leute mit dem Juden-Dieb daher kamen/ dieſer war ein Schaͤfer/ welcher alſobald bekennete/ daß er ſchon 5. Juden von dem Galgen genommen/ und in die Er- de an heimlichen Orten geſcharret/ wovor er von der Judenſchafft der umligenden Oerter vor jede Perſon 20. Reichsthl. zu empfangen gehabt. Er habe aber wol gewuſt/ daß die Buͤrger von Colli dieſen Juden die Nacht uͤber durch eine ſtarcke verſteckte Schild- wache genau bewacheten/ dahero habe er ſich nicht daran zu machen getrauet/ biß ſie mit dieſem Unſchul- digen dieſen Morgen eingekommen/ darauf habe er gedacht/ nun gebe man keine Acht auf den Galgen/ weil man ſich deß Diebes verſichert haͤtte/ habe alſo ſich auf den Weg gemacht/ und den Juden herab ge- nommen/ woruͤber er aber ertappet worden/ bathe demnach um Dimiſſion, ſo wolle er die Juden anmel- den/ die ihn darzu erkaufft/ und dem Gericht einen fetten Hammel zur Mahlzeit verehret haben. Alſo ſahe nun Jedermann/ daß Venereus an ſeiner Auf- lage zumahl unſchuldig/ welcher darauf auß einem andern Thon ſprach/ und fuͤrwendete/ er ſey ein Be- dienter eines hohen Printzen/ der viel Graubuͤnder in ſeinen Dienſten haͤtte/ und dafern ſie ihm nicht voͤlli- ge Satisfaction vor die beſchehene Injurie erſtatteten/ wolle er es dahin bringen/ daß ſie ihre Vermeſſenheit all zu P p

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/611>, abgerufen am 22.11.2024.