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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans II. Buch.
Effect und Krafft der Hertzhafftigkeit; Obgleich alle
diese Tugenden und Gaben der Seelen in allen gros-
sen und heroischen Actionen deß Menschen/ dergestalt
an einander verknüpffet seyn/ daß man sie keines We-
ges trennen/ oder von einander separiren kan. Der
Sinn-reiche Verstand deß Menschen/ hat uns durch
seine vielfältige und herrliche Erfindungen auß einem/
der unvernünfftigen Thiere nicht unähnlichem Leben/
herauß gezogen/ und uns die Kleider/ Häuser und
Nahrung/ ja/ mit einem Wort zu sagen/ alle Be-
quemlichkeiten dieses Lebens zuweg gebracht/ und zu-
gleich die Art und Weise mit Leuten umzugehen ge-
lehret. Damit man aber desto besser hiervon urthei-
len möge/ so betrachte einer nur eine Gesellschafft
3. unterschiedlicher Leute/ deren einer einen Sinn-
reichen Verstand/ der andere ein reiffes Judicium, und
der dritte grosse Courage hat; So wird er befinden/
daß dieser Letzte nichts wird vertragen können; Der
Judicieuse aber wird nichts/ oder doch gar wenig/ re-
den; Der Dritte aber wird die gantze Compagnie
durch seine artige Einfälle erlustigen. Träget es sich
auch zu/ daß 2. in der Compagnie unter sich streitbar
werden/ so wird der Jenige/ welcher den Sinn-reichen
und fertigsten Verstand unter ihnen hat/ bald Mittel
finden/ sie zum Vergleich zu bringen. Da ein Judi-
cieus
er mannichmahl so viel Fürsichtigkeit gebrau-
chet/ daß die Klage darüber alt wird/ und hernach
nicht so leicht/ wie stracks Anfangs hätte geschehen
können/ beygeleget würde. Jm Krieg wird ein Be-
hertzter sich viel eher in die Gefahr stürtzen. Ein Ju-
dicieus
er wird eine Entreprise gar leicht außstellen/
und sich so lange darüber bedencken/ ob sie thunlich
sey/ oder nicht? Da sie indessen wol 2. mahl hätte
können werckstellig gemacht werden/ worüber dann

die
N n 2

Romans II. Buch.
Effect und Krafft der Hertzhafftigkeit; Obgleich alle
dieſe Tugenden und Gaben der Seelen in allen groſ-
ſen und heroiſchen Actionen deß Menſchen/ dergeſtalt
an einander verknuͤpffet ſeyn/ daß man ſie keines We-
ges trennen/ oder von einander ſepariren kan. Der
Sinn-reiche Verſtand deß Menſchen/ hat uns durch
ſeine vielfaͤltige und herꝛliche Erfindungen auß einem/
der unvernuͤnfftigen Thiere nicht unaͤhnlichem Leben/
herauß gezogen/ und uns die Kleider/ Haͤuſer und
Nahrung/ ja/ mit einem Wort zu ſagen/ alle Be-
quemlichkeiten dieſes Lebens zuweg gebracht/ und zu-
gleich die Art und Weiſe mit Leuten umzugehen ge-
lehret. Damit man aber deſto beſſer hiervon urthei-
len moͤge/ ſo betrachte einer nur eine Geſellſchafft
3. unterſchiedlicher Leute/ deren einer einen Sinn-
reichen Verſtand/ der andere ein reiffes Judicium, und
der dritte groſſe Courage hat; So wird er befinden/
daß dieſer Letzte nichts wird vertragen koͤnnen; Der
Judicieuſe aber wird nichts/ oder doch gar wenig/ re-
den; Der Dritte aber wird die gantze Compagnie
durch ſeine artige Einfaͤlle erluſtigen. Traͤget es ſich
auch zu/ daß 2. in der Compagnie unter ſich ſtreitbar
werden/ ſo wird der Jenige/ welcher den Sinn-reichen
und fertigſten Verſtand unter ihnen hat/ bald Mittel
finden/ ſie zum Vergleich zu bringen. Da ein Judi-
cieuſ
er mannichmahl ſo viel Fuͤrſichtigkeit gebrau-
chet/ daß die Klage daruͤber alt wird/ und hernach
nicht ſo leicht/ wie ſtracks Anfangs haͤtte geſchehen
koͤnnen/ beygeleget wuͤrde. Jm Krieg wird ein Be-
hertzter ſich viel eher in die Gefahr ſtuͤrtzen. Ein Ju-
dicieuſ
er wird eine Entrepriſe gar leicht außſtellen/
und ſich ſo lange daruͤber bedencken/ ob ſie thunlich
ſey/ oder nicht? Da ſie indeſſen wol 2. mahl haͤtte
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die
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[563/0579] Romans II. Buch. Effect und Krafft der Hertzhafftigkeit; Obgleich alle dieſe Tugenden und Gaben der Seelen in allen groſ- ſen und heroiſchen Actionen deß Menſchen/ dergeſtalt an einander verknuͤpffet ſeyn/ daß man ſie keines We- ges trennen/ oder von einander ſepariren kan. Der Sinn-reiche Verſtand deß Menſchen/ hat uns durch ſeine vielfaͤltige und herꝛliche Erfindungen auß einem/ der unvernuͤnfftigen Thiere nicht unaͤhnlichem Leben/ herauß gezogen/ und uns die Kleider/ Haͤuſer und Nahrung/ ja/ mit einem Wort zu ſagen/ alle Be- quemlichkeiten dieſes Lebens zuweg gebracht/ und zu- gleich die Art und Weiſe mit Leuten umzugehen ge- lehret. Damit man aber deſto beſſer hiervon urthei- len moͤge/ ſo betrachte einer nur eine Geſellſchafft 3. unterſchiedlicher Leute/ deren einer einen Sinn- reichen Verſtand/ der andere ein reiffes Judicium, und der dritte groſſe Courage hat; So wird er befinden/ daß dieſer Letzte nichts wird vertragen koͤnnen; Der Judicieuſe aber wird nichts/ oder doch gar wenig/ re- den; Der Dritte aber wird die gantze Compagnie durch ſeine artige Einfaͤlle erluſtigen. Traͤget es ſich auch zu/ daß 2. in der Compagnie unter ſich ſtreitbar werden/ ſo wird der Jenige/ welcher den Sinn-reichen und fertigſten Verſtand unter ihnen hat/ bald Mittel finden/ ſie zum Vergleich zu bringen. Da ein Judi- cieuſer mannichmahl ſo viel Fuͤrſichtigkeit gebrau- chet/ daß die Klage daruͤber alt wird/ und hernach nicht ſo leicht/ wie ſtracks Anfangs haͤtte geſchehen koͤnnen/ beygeleget wuͤrde. Jm Krieg wird ein Be- hertzter ſich viel eher in die Gefahr ſtuͤrtzen. Ein Ju- dicieuſer wird eine Entrepriſe gar leicht außſtellen/ und ſich ſo lange daruͤber bedencken/ ob ſie thunlich ſey/ oder nicht? Da ſie indeſſen wol 2. mahl haͤtte koͤnnen werckſtellig gemacht werden/ woruͤber dann die N n 2

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 563. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/579>, abgerufen am 22.11.2024.