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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans II. Buch.
mit das Maaß der Schulden/ womit ich euch ver-
hafftet/ gantz voll werde/ und ich also Ursach habe/
vor aller Welt frey offentlich zu bekennen/ daß ich/
nächst GOtt/ euch 2. Cavallieren mein Leben und
meine Freyheit allein zu dancken habe.

Condado hielte ihr dargegen vor/ daß sie nichts
gethan/ als was ihre Schuldigkeit erfodert/ und daß
sie demnach ihnen so hoch nicht verpflichtet/ als sie sich
wol einbildete. Aber die Dame schalt ihn für einen höf-
lichen Cavallier auß/ der nichts hören wolte von der
Obligation, damit man ihm verpflichtet wäre. Nach
gehaltener Abend-Mahlzeit/ bey welcher alles vollauf
gewesen/ trennete sich endlich die Compagnie, und ein
Jeder legete sich an seinen angewiesenen Ort schlaf-
fen. Als gegen den andern Morgen die Sonne auf-
gegangen war/ ließ der alte Edelmann ein gutes
Frühstück anrichten/ setzte sich hernach selber zu seiner
Baasen in den Wagen/ und fuhr/ in Begleitung deß
Condado und Klingenfelds/ vollends nach der Damen
Adelichem Schloß/ welches in einem schönen Flecken/
3. Meilen von dannen lag. Um die Abend-Zeit kamen
sie daselbst an/ und funden in dem Flecken eine grosse
Menge Leute versammlet/ neben einem dicken Thurn
stehen/ da man ihnen bedeutete/ daß man vor einer
halben Stunden einen Menschen gefangen einge-
bracht/ der jenem Kloster/ etwa 4. Meilen von hinnen/
nach Chur hinauß/ einen Esel auf der Wäyde gestoh-
len hätte. Jndem sie aber daselbst unter den Leuten
stille hielten/ steckete der Gefangene den Kopff durch
ein Mauer-Loch herauß um das Volck zu sehen/ und
wie er deß Condado nebst Klingenfelds gewahr wor-
den/ rieff er: Domini, facite opus misericordiae, & li-
berate me ex captivitate hac durissima. Condado
er-
kandte den Cerebacchium alsobald/ winckete ihm

dem-

Romans II. Buch.
mit das Maaß der Schulden/ womit ich euch ver-
hafftet/ gantz voll werde/ und ich alſo Urſach habe/
vor aller Welt frey offentlich zu bekennen/ daß ich/
naͤchſt GOtt/ euch 2. Cavallieren mein Leben und
meine Freyheit allein zu dancken habe.

Condado hielte ihr dargegen vor/ daß ſie nichts
gethan/ als was ihre Schuldigkeit erfodert/ und daß
ſie demnach ihnen ſo hoch nicht verpflichtet/ als ſie ſich
wol einbildete. Aber die Dame ſchalt ihn fuͤr einen hoͤf-
lichen Cavallier auß/ der nichts hoͤren wolte von der
Obligation, damit man ihm verpflichtet waͤre. Nach
gehaltener Abend-Mahlzeit/ bey welcher alles vollauf
geweſen/ trennete ſich endlich die Compagnie, und ein
Jeder legete ſich an ſeinen angewieſenen Ort ſchlaf-
fen. Als gegen den andern Morgen die Sonne auf-
gegangen war/ ließ der alte Edelmann ein gutes
Fruͤhſtuͤck anrichten/ ſetzte ſich hernach ſelber zu ſeiner
Baaſen in den Wagen/ und fuhr/ in Begleitung deß
Condado und Klingenfelds/ vollends nach der Damen
Adelichem Schloß/ welches in einem ſchoͤnen Flecken/
3. Meilen von dannen lag. Um die Abend-Zeit kamen
ſie daſelbſt an/ und funden in dem Flecken eine groſſe
Menge Leute verſammlet/ neben einem dicken Thurn
ſtehen/ da man ihnen bedeutete/ daß man vor einer
halben Stunden einen Menſchen gefangen einge-
bracht/ der jenem Kloſter/ etwa 4. Meilen von hinnen/
nach Chur hinauß/ einen Eſel auf der Waͤyde geſtoh-
len haͤtte. Jndem ſie aber daſelbſt unter den Leuten
ſtille hielten/ ſteckete der Gefangene den Kopff durch
ein Mauer-Loch herauß um das Volck zu ſehen/ und
wie er deß Condado nebſt Klingenfelds gewahr wor-
den/ rieff er: Domini, facite opus miſericordiæ, & li-
berate me ex captivitate hac duriſſima. Condado
er-
kandte den Cerebacchium alſobald/ winckete ihm

dem-
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[555/0571] Romans II. Buch. mit das Maaß der Schulden/ womit ich euch ver- hafftet/ gantz voll werde/ und ich alſo Urſach habe/ vor aller Welt frey offentlich zu bekennen/ daß ich/ naͤchſt GOtt/ euch 2. Cavallieren mein Leben und meine Freyheit allein zu dancken habe. Condado hielte ihr dargegen vor/ daß ſie nichts gethan/ als was ihre Schuldigkeit erfodert/ und daß ſie demnach ihnen ſo hoch nicht verpflichtet/ als ſie ſich wol einbildete. Aber die Dame ſchalt ihn fuͤr einen hoͤf- lichen Cavallier auß/ der nichts hoͤren wolte von der Obligation, damit man ihm verpflichtet waͤre. Nach gehaltener Abend-Mahlzeit/ bey welcher alles vollauf geweſen/ trennete ſich endlich die Compagnie, und ein Jeder legete ſich an ſeinen angewieſenen Ort ſchlaf- fen. Als gegen den andern Morgen die Sonne auf- gegangen war/ ließ der alte Edelmann ein gutes Fruͤhſtuͤck anrichten/ ſetzte ſich hernach ſelber zu ſeiner Baaſen in den Wagen/ und fuhr/ in Begleitung deß Condado und Klingenfelds/ vollends nach der Damen Adelichem Schloß/ welches in einem ſchoͤnen Flecken/ 3. Meilen von dannen lag. Um die Abend-Zeit kamen ſie daſelbſt an/ und funden in dem Flecken eine groſſe Menge Leute verſammlet/ neben einem dicken Thurn ſtehen/ da man ihnen bedeutete/ daß man vor einer halben Stunden einen Menſchen gefangen einge- bracht/ der jenem Kloſter/ etwa 4. Meilen von hinnen/ nach Chur hinauß/ einen Eſel auf der Waͤyde geſtoh- len haͤtte. Jndem ſie aber daſelbſt unter den Leuten ſtille hielten/ ſteckete der Gefangene den Kopff durch ein Mauer-Loch herauß um das Volck zu ſehen/ und wie er deß Condado nebſt Klingenfelds gewahr wor- den/ rieff er: Domini, facite opus miſericordiæ, & li- berate me ex captivitate hac duriſſima. Condado er- kandte den Cerebacchium alſobald/ winckete ihm dem-

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/571>, abgerufen am 22.11.2024.