Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.Romans I. Buch. man dann bey einer jeden Wissenschafft absonderlich siehet;Dann/ weilen das Gedächtnüß uns nur die blossen Gestalten der Dinge die es durch fleissige Arbeit/ oder durch vieles Lesen und Hören gesammlet/ darreichet/ stehet es alleine dem Verstande zu/ vernünfftige und nutzliche Schluß-Reden darauß zu machen. Daher der Unterscheid zwischen einem Verständigen und einem Narren nicht darinn bestehet/ daß man viel guter Dinge erzehle/ sondern daß man sie zur rechter Zeit vorbringe/ welches allein eine Würckung und Effect deß Verstandes/ und nicht der grossen Arbeit ist. Wordurch man der gemeinen Schul-Füchse Art nach/ wol endlich viel und meistentheils ungereimte Dinge alle- giren/ aber dieselbe nimmermehr wol zu Marckt bringen/ noch ne recht zu appliciren lernen kan. Condado beschlosse den Discurs also: Weilen der Mensch Die K k
Romans I. Buch. man dann bey einer jeden Wiſſenſchafft abſonderlich ſiehet;Dann/ weilen das Gedaͤchtnuͤß uns nur die bloſſen Geſtalten der Dinge die es durch fleiſſige Arbeit/ oder durch vieles Leſen und Hoͤren geſammlet/ darreichet/ ſtehet es alleine dem Verſtande zu/ vernuͤnfftige und nutzliche Schluß-Reden darauß zu machen. Daher der Unterſcheid zwiſchen einem Verſtaͤndigen und einem Narren nicht darinn beſtehet/ daß man viel guter Dinge erzehle/ ſondern daß man ſie zur rechter Zeit vorbringe/ welches allein eine Wuͤrckung und Effect deß Verſtandes/ und nicht der groſſen Arbeit iſt. Wordurch man der gemeinen Schul-Fuͤchſe Art nach/ wol endlich viel und meiſtentheils ungereimte Dinge alle- giren/ aber dieſelbe nimmermehr wol zu Marckt bringen/ noch ne recht zu appliciren lernen kan. Condado beſchloſſe den Diſcurs alſo: Weilen der Menſch Die K k
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Romans I. Buch.
man dann bey einer jeden Wiſſenſchafft abſonderlich ſiehet;
Dann/ weilen das Gedaͤchtnuͤß uns nur die bloſſen Geſtalten
der Dinge die es durch fleiſſige Arbeit/ oder durch vieles Leſen und
Hoͤren geſammlet/ darreichet/ ſtehet es alleine dem Verſtande
zu/ vernuͤnfftige und nutzliche Schluß-Reden darauß zu machen.
Daher der Unterſcheid zwiſchen einem Verſtaͤndigen und einem
Narren nicht darinn beſtehet/ daß man viel guter Dinge erzehle/
ſondern daß man ſie zur rechter Zeit vorbringe/ welches allein
eine Wuͤrckung und Effect deß Verſtandes/ und nicht der groſſen
Arbeit iſt. Wordurch man der gemeinen Schul-Fuͤchſe Art
nach/ wol endlich viel und meiſtentheils ungereimte Dinge alle-
giren/ aber dieſelbe nimmermehr wol zu Marckt bringen/ noch
ne recht zu appliciren lernen kan.
Condado beſchloſſe den Diſcurs alſo: Weilen der Menſch
weder ohne mittelmaͤſſigen Verſtand/ noch ohne Arbeit etwas
thun koͤnne/ werde nicht unbillig gefraget: Ob die Fuͤrtrefflich-
keit deß einen mehr erfordert wuͤrde/ als die Staͤtigkeit deß an-
dern? Dann die Jenigen/ die etwas mehr/ als gemeinen Ver-
ſtand haben/ ſeynd ins gemein nicht arbeitſam. Wann ſie es aber
ſeynd/ ſo ſeynd ſie es nicht in allen Dingen/ ſondern ihr Sinn trei-
bet ſie bald zu dieſem/ bald zu Jenem/ da hingegen leget ſich ein
mittelmaͤſſiger Verſtand viel beſtaͤndiger auf ein Ding/ als die
gar zu ſubtile Leute/ und wann er es begriffen/ acquiriret er ihm
darinn eher durch fleiſſige Ubung einen Habitum, und machet
ſich alsdann zum Meiſter. Welches auch an den unvernuͤnff-
tigen Thieren zu ſehen/ die das Jenige/ was ſie einmahl gelernet
haben/ es ſey Tantzen/ oder dergleichen etwas/ viel beſſer und ex-
acter thun/ als der Menſch ſelbſten/ deſſen Caprice mannich mahl
den Regulen der Kunſt zuwider/ etwas darvon/ oder hinzu thut.
Daß man alſo nach Proportion von den Leuten ſagen kan/ die
ihren geringen Verſtand mit einem unnachlaͤſſigen Fleiß und
Arbeit in ſchweren und wichtigen Dingen/ (als da ſeynd/ ſich in
Kuͤnſten/ Wiſſenſchafften und Exercitiis zur Perfection zu brin-
gen/) erſetzen. Daß ſie zu Folge dem Spruch: Labor impro-
bus omnia vincit, endlich zu allen Dingen gelangen koͤnnen.
Doch muß eine gewiſſe Maß hierinn gebrauchet werden/ dann
ſonſten iſt es bekandt/ daß die gar zu ſchwere und ſtaͤtige Arbeit/
auch das allerſtaͤrckeſte Temperament und Complexion, ſo wol
deß Leibes/ als deß Verſtandes/ ebener Maſſen verderbe/ wie die
Senne auf einem Bogen/ dardurch entweder ſpringet/ oder
ſchlappernd uñ untuͤchtiger gemacht wird/ wañ man ihn allezeit
geſpannet haͤlt.
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Zitationshilfe: | Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/529>, abgerufen am 22.07.2024. |