Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

Bild:
<< vorherige Seite

Romans I. Buch.
10. Jahr aufgehalten/ verheyrathete er sich auf An-
halten deß Kloster-Abts/ (weiß nicht was denselben
darzu mag bewogen haben/) an eine hübsche Land-
Dirne/ ohnerachtet er schon ein Mann von 56. Jah-
ren war. Mit dieser meiner Mutter hat er mich ge-
zeuget/ und muß wol etwas sonderliches in mir ste-
cken/ inmassen mich meine Mutter nach dem Beyla-
ger nicht länger als 3. Monat getragen hat. Was
zu einer fleissigen Auferziehung ihres Söhnleins ge-
dienet/ daran hat mein Herr Vatter nichts ersparet.
Er hat mich bey Zeiten in die Schule gesandt/ und
wolte mit Gewalt ein rechtes Candelabrum Patriae
von mir machen. Als ich das 9. Jahr meines Alters
hinter mich geleget/ schaffete er mir einen Privat-Prae-
ceptorem,
welcher war ein Sophistischer Super-Magi-
ster, Signor Trubald Holofernes
genannt/ der mich
sein Namen-Büchlein/ sein A B C-Täfelein/ das
grosse Lehrbrett/ womit Hercules seinen grossen Lehr-
meister Trismegistum todt geschlagen/ gar bald leh-
rete/ daß ich es hinter und vor mich lesen kunte/ wie die
Sägemüller. Jn dieser Arbeit brachte ich 3. Jahr und
5. Monat zu/ darauf lehrete er mich den Donat, den
Facet, Theodolet und Alanum in Parabolis, wormit
ich 4. Jahr/ 4. Monat und 14. Tage zubrachte. Dann
wer reden wil lernen/ muß vorhero stammlen/ juxta
illud: minorans se majorabitur.
Er hat mich darnach
die H. Schrifft schreiben lernen/ wie deren Exempel
etliche Lazius und Goropius zeigen. Zu dem Ende
trug ich allwege ein grosses Schreibzeug und Pennal/
welches so schwer war/ daß ich darvon annoch diese
Stunde nach der einen Seiten etwas zu hincken
pflege.

Endlich erlernete ich eine schöne Nomenclatur,
wordurch ich die fürnehmste und schwereste Wörter

in
G g 5

Romans I. Buch.
10. Jahr aufgehalten/ verheyrathete er ſich auf An-
halten deß Kloſter-Abts/ (weiß nicht was denſelben
darzu mag bewogen haben/) an eine huͤbſche Land-
Dirne/ ohnerachtet er ſchon ein Mann von 56. Jah-
ren war. Mit dieſer meiner Mutter hat er mich ge-
zeuget/ und muß wol etwas ſonderliches in mir ſte-
cken/ inmaſſen mich meine Mutter nach dem Beyla-
ger nicht laͤnger als 3. Monat getragen hat. Was
zu einer fleiſſigen Auferziehung ihres Soͤhnleins ge-
dienet/ daran hat mein Herꝛ Vatter nichts erſparet.
Er hat mich bey Zeiten in die Schule geſandt/ und
wolte mit Gewalt ein rechtes Candelabrum Patriæ
von mir machen. Als ich das 9. Jahr meines Alters
hinter mich geleget/ ſchaffete er mir einen Privat-Præ-
ceptorem,
welcher war ein Sophiſtiſcher Super-Magi-
ſter, Signor Trubald Holofernes
genannt/ der mich
ſein Namen-Buͤchlein/ ſein A B C-Taͤfelein/ das
groſſe Lehrbrett/ womit Hercules ſeinen groſſen Lehr-
meiſter Trismegiſtum todt geſchlagen/ gar bald leh-
rete/ daß ich es hinter und vor mich leſen kunte/ wie die
Saͤgemuͤller. Jn dieſer Arbeit brachte ich 3. Jahr und
5. Monat zu/ darauf lehrete er mich den Donat, den
Facet, Theodolet und Alanum in Parabolis, wormit
ich 4. Jahr/ 4. Monat und 14. Tage zubrachte. Dann
wer reden wil lernen/ muß vorhero ſtammlen/ juxta
illud: minorans ſe majorabitur.
Er hat mich darnach
die H. Schrifft ſchreiben lernen/ wie deren Exempel
etliche Lazius und Goropius zeigen. Zu dem Ende
trug ich allwege ein groſſes Schreibzeug und Pennal/
welches ſo ſchwer war/ daß ich darvon annoch dieſe
Stunde nach der einen Seiten etwas zu hincken
pflege.

Endlich erlernete ich eine ſchoͤne Nomenclatur,
wordurch ich die fuͤrnehmſte und ſchwereſte Woͤrter

in
G g 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0487" n="473"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Romans <hi rendition="#aq">I.</hi> Buch.</hi></fw><lb/>
10. Jahr aufgehalten/ verheyrathete er &#x017F;ich auf An-<lb/>
halten deß Klo&#x017F;ter-Abts/ (weiß nicht was den&#x017F;elben<lb/>
darzu mag bewogen haben/) an eine hu&#x0364;b&#x017F;che Land-<lb/>
Dirne/ ohnerachtet er &#x017F;chon ein Mann von 56. Jah-<lb/>
ren war. Mit die&#x017F;er meiner Mutter hat er mich ge-<lb/>
zeuget/ und muß wol etwas &#x017F;onderliches in mir &#x017F;te-<lb/>
cken/ inma&#x017F;&#x017F;en mich meine Mutter nach dem Beyla-<lb/>
ger nicht la&#x0364;nger als 3. Monat getragen hat. Was<lb/>
zu einer flei&#x017F;&#x017F;igen Auferziehung ihres So&#x0364;hnleins ge-<lb/>
dienet/ daran hat mein Her&#xA75B; Vatter nichts er&#x017F;paret.<lb/>
Er hat mich bey Zeiten in die Schule ge&#x017F;andt/ und<lb/>
wolte mit Gewalt ein rechtes <hi rendition="#aq">Candelabrum Patriæ</hi><lb/>
von mir machen. Als ich das 9. Jahr meines Alters<lb/>
hinter mich geleget/ &#x017F;chaffete er mir einen <hi rendition="#aq">Privat-Præ-<lb/>
ceptorem,</hi> welcher war ein <hi rendition="#aq">Sophi&#x017F;ti</hi>&#x017F;cher <hi rendition="#aq">Super-Magi-<lb/>
&#x017F;ter, Signor Trubald Holofernes</hi> genannt/ der mich<lb/>
&#x017F;ein Namen-Bu&#x0364;chlein/ &#x017F;ein A B C-Ta&#x0364;felein/ das<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;e Lehrbrett/ womit <hi rendition="#aq">Hercules</hi> &#x017F;einen gro&#x017F;&#x017F;en Lehr-<lb/>
mei&#x017F;ter <hi rendition="#aq">Trismegi&#x017F;tum</hi> todt ge&#x017F;chlagen/ gar bald leh-<lb/>
rete/ daß ich es hinter und vor mich le&#x017F;en kunte/ wie die<lb/>
Sa&#x0364;gemu&#x0364;ller. Jn die&#x017F;er Arbeit brachte ich 3. Jahr und<lb/>
5. Monat zu/ darauf lehrete er mich den <hi rendition="#aq">Donat,</hi> den<lb/><hi rendition="#aq">Facet, Theodolet</hi> und <hi rendition="#aq">Alanum in Parabolis,</hi> wormit<lb/>
ich 4. Jahr/ 4. Monat und 14. Tage zubrachte. Dann<lb/>
wer reden wil lernen/ muß vorhero &#x017F;tammlen/ <hi rendition="#aq">juxta<lb/>
illud: minorans &#x017F;e majorabitur.</hi> Er hat mich darnach<lb/>
die H. Schrifft &#x017F;chreiben lernen/ wie deren Exempel<lb/>
etliche <hi rendition="#aq">Lazius</hi> und <hi rendition="#aq">Goropius</hi> zeigen. Zu dem Ende<lb/>
trug ich allwege ein gro&#x017F;&#x017F;es Schreibzeug und Pennal/<lb/>
welches &#x017F;o &#x017F;chwer war/ daß ich darvon annoch die&#x017F;e<lb/>
Stunde nach der einen Seiten etwas zu hincken<lb/>
pflege.</p><lb/>
          <p>Endlich erlernete ich eine &#x017F;cho&#x0364;ne <hi rendition="#aq">Nomenclatur,</hi><lb/>
wordurch ich die fu&#x0364;rnehm&#x017F;te und &#x017F;chwere&#x017F;te Wo&#x0364;rter<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G g 5</fw><fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[473/0487] Romans I. Buch. 10. Jahr aufgehalten/ verheyrathete er ſich auf An- halten deß Kloſter-Abts/ (weiß nicht was denſelben darzu mag bewogen haben/) an eine huͤbſche Land- Dirne/ ohnerachtet er ſchon ein Mann von 56. Jah- ren war. Mit dieſer meiner Mutter hat er mich ge- zeuget/ und muß wol etwas ſonderliches in mir ſte- cken/ inmaſſen mich meine Mutter nach dem Beyla- ger nicht laͤnger als 3. Monat getragen hat. Was zu einer fleiſſigen Auferziehung ihres Soͤhnleins ge- dienet/ daran hat mein Herꝛ Vatter nichts erſparet. Er hat mich bey Zeiten in die Schule geſandt/ und wolte mit Gewalt ein rechtes Candelabrum Patriæ von mir machen. Als ich das 9. Jahr meines Alters hinter mich geleget/ ſchaffete er mir einen Privat-Præ- ceptorem, welcher war ein Sophiſtiſcher Super-Magi- ſter, Signor Trubald Holofernes genannt/ der mich ſein Namen-Buͤchlein/ ſein A B C-Taͤfelein/ das groſſe Lehrbrett/ womit Hercules ſeinen groſſen Lehr- meiſter Trismegiſtum todt geſchlagen/ gar bald leh- rete/ daß ich es hinter und vor mich leſen kunte/ wie die Saͤgemuͤller. Jn dieſer Arbeit brachte ich 3. Jahr und 5. Monat zu/ darauf lehrete er mich den Donat, den Facet, Theodolet und Alanum in Parabolis, wormit ich 4. Jahr/ 4. Monat und 14. Tage zubrachte. Dann wer reden wil lernen/ muß vorhero ſtammlen/ juxta illud: minorans ſe majorabitur. Er hat mich darnach die H. Schrifft ſchreiben lernen/ wie deren Exempel etliche Lazius und Goropius zeigen. Zu dem Ende trug ich allwege ein groſſes Schreibzeug und Pennal/ welches ſo ſchwer war/ daß ich darvon annoch dieſe Stunde nach der einen Seiten etwas zu hincken pflege. Endlich erlernete ich eine ſchoͤne Nomenclatur, wordurch ich die fuͤrnehmſte und ſchwereſte Woͤrter in G g 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/487
Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/487>, abgerufen am 25.11.2024.