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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Deß Academischen
was erzehlen; Derohalben richtete er sein Haupt auf/ und sag-
te: Redet was lauter/ damit ich es verstehen kan/ dann/ wann
ich noch etwas lerne/ so werde ich desto süsser sterben. Socrates
wurde zum Tod verdammet/ weil er gelehret hatte/ daß nur ein
GOtt wäre. Wofern er von dieser Meynung abgestanden wä-
re/ so hätte er Gnade erlanget; Aber/ er sagete dieses zu den
Richtern: Wann ihr mir das Leben mit diesem Beding schencken
woltet/ daß ich der Weißheit nicht mehr nachforschen solte/ so
wurde ich euer Anbott abschlagen/ und viel lieber sterben. Man
muß euch zwar gehorsam seyn/ aber viel mehr dem unsterblichen
GOTT.

Der Podesta: Ein grosses Wort von dem Heyden Socrate!
Eben also redeten die Apostel von der Christl. Religion, doch auß
einem andern und festern Grund! Es sind lauter Worte/ welche
die Christen beschämen. Wo findet man die Christen/ die um der
Religion das Jenige thun solten/ was die Heyden der Welt-
Weißheit wegen gethan haben? Pompejus sagte/ das Lernen wä-
re die rechte Richtschnur deß Lebens. Julianus sprach: Jch wil
noch etwas lernen/ wann ich auch schon den einen Fuß im Grab
hätte. Als man den Diogenem vermahnete/ daß er wegen seines
grossen Alters vom Studiren etwas ablassen solte/ sagte er: An-
jetzo/ da ich fast zum Ende der Lauff-Bahn kommen bin/ soll ich
nun erst träg werden? Worte/ fürwahr welche ich den Heyden
mißgönne/ und wünschte/ daß die Christen so redeten/ und thäten!

Worauf der Printz: Cato hatte allezeit/ wann er zu Rath
sasse/ Bücher bey sich. Epaminondas gieng niemahls von einer
offentlichen Redhaltung hinweg/ ehe sie vollendet war. Dion
muste für der Gransamkeit deß Domitiani, welcher die Gelehrte
vorfolgete/ fliehen/ und auß Armuth Bauren-Arbeit thun/ gleich-
wol hatte er allezeit Bücher bey sich. Jacobus zu Bononien/
war ein Sattler/ doch sonderte er ihm deß Tages einige Stun-
den ab/ um zu studiren/ und ward ein gelehrter Mann. Doch ist
das Jenige/ was von Superiano erzehlet wird/ sehr merckwürdig:
Erkam spat/ und zwar erstlich im 30. Jahr seines Alters/ zum
Studiren/ er studirte sonder Lehrmeister für sich selber/ wann er
seine Sache nicht wol verrichtete/ dann straffete er sich selber/ und
geisselte sich/ wie die Lehrmeister ihren Schülern zu thun pflegen.

Klingenfeld: Wir sind Schüler Christi/ welche unsere
Sachen auch nicht wol außrichten. Paulus sagt: Wir müssen
uns selbst urtheilen/ und unsern Leib bezwingen. Wir sind frühe
gnug in Christi Schul gewesen/ aber viel Leute/ die spät zum Stu-

diren

Deß Academiſchen
was erzehlen; Derohalben richtete er ſein Haupt auf/ und ſag-
te: Redet was lauter/ damit ich es verſtehen kan/ dann/ wann
ich noch etwas lerne/ ſo werde ich deſto ſuͤſſer ſterben. Socrates
wurde zum Tod verdammet/ weil er gelehret hatte/ daß nur ein
GOtt waͤre. Wofern er von dieſer Meynung abgeſtanden waͤ-
re/ ſo haͤtte er Gnade erlanget; Aber/ er ſagete dieſes zu den
Richtern: Wann ihr mir das Leben mit dieſem Beding ſchencken
woltet/ daß ich der Weißheit nicht mehr nachforſchen ſolte/ ſo
wurde ich euer Anbott abſchlagen/ und viel lieber ſterben. Man
muß euch zwar gehorſam ſeyn/ aber viel mehr dem unſterblichen
GOTT.

Der Podeſtà: Ein groſſes Wort von dem Heyden Socrate!
Eben alſo redeten die Apoſtel von der Chriſtl. Religion, doch auß
einem andern und feſtern Grund! Es ſind lauter Worte/ welche
die Chriſten beſchaͤmen. Wo findet man die Chriſten/ die um der
Religion das Jenige thun ſolten/ was die Heyden der Welt-
Weißheit wegen gethan haben? Pompejus ſagte/ das Lernen waͤ-
re die rechte Richtſchnur deß Lebens. Julianus ſprach: Jch wil
noch etwas lernen/ wann ich auch ſchon den einen Fuß im Grab
haͤtte. Als man den Diogenem vermahnete/ daß er wegen ſeines
groſſen Alters vom Studiren etwas ablaſſen ſolte/ ſagte er: An-
jetzo/ da ich faſt zum Ende der Lauff-Bahn kommen bin/ ſoll ich
nun erſt traͤg werden? Worte/ fuͤrwahr welche ich den Heyden
mißgoͤñe/ und wuͤnſchte/ daß die Chriſten ſo redeten/ und thaͤten!

Worauf der Printz: Cato hatte allezeit/ wann er zu Rath
ſaſſe/ Buͤcher bey ſich. Epaminondas gieng niemahls von einer
offentlichen Redhaltung hinweg/ ehe ſie vollendet war. Dion
muſte fuͤr der Granſamkeit deß Domitiani, welcher die Gelehrte
vorfolgete/ fliehen/ und auß Armuth Bauren-Arbeit thun/ gleich-
wol hatte er allezeit Buͤcher bey ſich. Jacobus zu Bononien/
war ein Sattler/ doch ſonderte er ihm deß Tages einige Stun-
den ab/ um zu ſtudiren/ und ward ein gelehrter Mann. Doch iſt
das Jenige/ was von Superiano erzehlet wird/ ſehr merckwuͤrdig:
Erkam ſpat/ und zwar erſtlich im 30. Jahr ſeines Alters/ zum
Studiren/ er ſtudirte ſonder Lehrmeiſter fuͤr ſich ſelber/ wann er
ſeine Sache nicht wol verrichtete/ dann ſtraffete er ſich ſelber/ und
geiſſelte ſich/ wie die Lehrmeiſter ihren Schuͤlern zu thun pflegen.

Klingenfeld: Wir ſind Schuͤler Chriſti/ welche unſere
Sachen auch nicht wol außrichten. Paulus ſagt: Wir muͤſſen
uns ſelbſt urtheilen/ und unſern Leib bezwingen. Wir ſind fruͤhe
gnug in Chriſti Schul geweſen/ aber viel Leute/ die ſpaͤt zum Stu-

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[392/0406] Deß Academiſchen was erzehlen; Derohalben richtete er ſein Haupt auf/ und ſag- te: Redet was lauter/ damit ich es verſtehen kan/ dann/ wann ich noch etwas lerne/ ſo werde ich deſto ſuͤſſer ſterben. Socrates wurde zum Tod verdammet/ weil er gelehret hatte/ daß nur ein GOtt waͤre. Wofern er von dieſer Meynung abgeſtanden waͤ- re/ ſo haͤtte er Gnade erlanget; Aber/ er ſagete dieſes zu den Richtern: Wann ihr mir das Leben mit dieſem Beding ſchencken woltet/ daß ich der Weißheit nicht mehr nachforſchen ſolte/ ſo wurde ich euer Anbott abſchlagen/ und viel lieber ſterben. Man muß euch zwar gehorſam ſeyn/ aber viel mehr dem unſterblichen GOTT. Der Podeſtà: Ein groſſes Wort von dem Heyden Socrate! Eben alſo redeten die Apoſtel von der Chriſtl. Religion, doch auß einem andern und feſtern Grund! Es ſind lauter Worte/ welche die Chriſten beſchaͤmen. Wo findet man die Chriſten/ die um der Religion das Jenige thun ſolten/ was die Heyden der Welt- Weißheit wegen gethan haben? Pompejus ſagte/ das Lernen waͤ- re die rechte Richtſchnur deß Lebens. Julianus ſprach: Jch wil noch etwas lernen/ wann ich auch ſchon den einen Fuß im Grab haͤtte. Als man den Diogenem vermahnete/ daß er wegen ſeines groſſen Alters vom Studiren etwas ablaſſen ſolte/ ſagte er: An- jetzo/ da ich faſt zum Ende der Lauff-Bahn kommen bin/ ſoll ich nun erſt traͤg werden? Worte/ fuͤrwahr welche ich den Heyden mißgoͤñe/ und wuͤnſchte/ daß die Chriſten ſo redeten/ und thaͤten! Worauf der Printz: Cato hatte allezeit/ wann er zu Rath ſaſſe/ Buͤcher bey ſich. Epaminondas gieng niemahls von einer offentlichen Redhaltung hinweg/ ehe ſie vollendet war. Dion muſte fuͤr der Granſamkeit deß Domitiani, welcher die Gelehrte vorfolgete/ fliehen/ und auß Armuth Bauren-Arbeit thun/ gleich- wol hatte er allezeit Buͤcher bey ſich. Jacobus zu Bononien/ war ein Sattler/ doch ſonderte er ihm deß Tages einige Stun- den ab/ um zu ſtudiren/ und ward ein gelehrter Mann. Doch iſt das Jenige/ was von Superiano erzehlet wird/ ſehr merckwuͤrdig: Erkam ſpat/ und zwar erſtlich im 30. Jahr ſeines Alters/ zum Studiren/ er ſtudirte ſonder Lehrmeiſter fuͤr ſich ſelber/ wann er ſeine Sache nicht wol verrichtete/ dann ſtraffete er ſich ſelber/ und geiſſelte ſich/ wie die Lehrmeiſter ihren Schuͤlern zu thun pflegen. Klingenfeld: Wir ſind Schuͤler Chriſti/ welche unſere Sachen auch nicht wol außrichten. Paulus ſagt: Wir muͤſſen uns ſelbſt urtheilen/ und unſern Leib bezwingen. Wir ſind fruͤhe gnug in Chriſti Schul geweſen/ aber viel Leute/ die ſpaͤt zum Stu- diren

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/406>, abgerufen am 22.11.2024.