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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans I. Buch.
zur selbigen Zeit der Mantel bey nahe die gantze Kleidung war/
welche die Studenten über den nackenden Leib trugen. Wann
der Eine außgieng/ so bliebe der andere in dem Stroh ligen. Wo-
fern bey uns die Studenten also studiren solten/ so solte man we-
nig gelehrte Leute finden.

Der Printz: Andere haben auß Lust zur Weißheit noch
wunderlichere Dinge gethan. Monimus, eines Lombarders
Knecht/ stellete sich närrisch/ sein Herr jagete ihn weg/ darauf
lieffe er zum Diogeni, und ward ein sehr gelehrter Mann.
Alexander hatte den gelehrten Callisthenem mit einem Hund
in einen Käfig sperren lassen; Dannoch kam Lysimachus, deß
Königs Zorn ungeachtet/ offtmahls zu ihm/ und hörete ihn von
Tugend und Weißheit reden. Euclides begab/ sich in grössere Ge-
fahr: Die Stadt Megara und Athen waren so feindseelig gegen
einander/ daß sich ihre Bürger einander allenthalben todt schlu-
gen. Euclides wohnete zu Megara, und Socrates zu Athen/ dero-
halben zohe Euclides Weibes-Kleider an/ kam bey Nacht nach
Athen/ und hörete also den Socratem.

Der Podesta: Das faule Christen-Blut solte durch folche über-
zeugende Exempel warm/ ja brennend werden/ um mit grösserer
Luft und Eyfer die Göttl. Weißheit zu hören. Also entbrandten die
Emaus-Gänger/ als ihnen der HErr JEsus die Schrifft erklä-
rete. Viele aber sind deß Lernens in Christi Schul bald müde.
Wann die Bekanntnüß gethan ist/ so leget man die Bibel/ und
andere gute Bücher/ hinter die Banck. Die Heyden sind eyferiger
gewesen/ ihre irrdische Weißheit zu lernen/ und darinnen völlig
gelehrt zu werden. Nachdem Sandes Lampsacenus den Epicu-
rum
gehöret hatte/ bliebe er lange Jahre bey ihm/ außgenommen
6. Monat/ da er seine Freunde besuchte. AEschines wiche auch
niemahls von seinem Meister Socrate, darum sagte Socrates von
ihm: AEschines allein weiß seinen Meister zu ehren. Eine solche
Luft muß in uns seyn/ um mit Maria zu Christi Füssen zu sitzen/
und seine Lehre mit Freuden anzuhören.

Der Printz dargegen: Obschon die Heyden sehr weiß wa-
ren/ so vermeyneten sie doch niemahlen/ gnug zu wissen/ sondern
es bliebe die Lehr-Begierigkeit biß an das Ende ihres Lebens bey
ihnen. Gorgias Leontinus studirte noch/ als er 107. Jahre alt
war. Als Demosthenes 100. Jahre alt war/ sagte er auf sei-
nem Tod-Bette: Jch bin betrübet/ daß ich sterben muß/ da ich
erst anfange/ weiß zu werden. Solon lag gleichfalls auf seinem
Tod-Bette/ und hörete etliche seiner Freunde vor seinem Bett et-

was
B b 4

Romans I. Buch.
zur ſelbigen Zeit der Mantel bey nahe die gantze Kleidung war/
welche die Studenten uͤber den nackenden Leib trugen. Wann
der Eine außgieng/ ſo bliebe der andere in dem Stroh ligen. Wo-
fern bey uns die Studenten alſo ſtudiren ſolten/ ſo ſolte man we-
nig gelehrte Leute finden.

Der Printz: Andere haben auß Luſt zur Weißheit noch
wunderlichere Dinge gethan. Monimus, eines Lombarders
Knecht/ ſtellete ſich naͤrriſch/ ſein Herꝛ jagete ihn weg/ darauf
lieffe er zum Diogeni, und ward ein ſehr gelehrter Mann.
Alexander hatte den gelehrten Calliſthenem mit einem Hund
in einen Kaͤfig ſperren laſſen; Dannoch kam Lyſimachus, deß
Koͤnigs Zorn ungeachtet/ offtmahls zu ihm/ und hoͤrete ihn von
Tugend und Weißheit reden. Euclides begab/ ſich in groͤſſere Ge-
fahr: Die Stadt Megara und Athen waren ſo feindſeelig gegen
einander/ daß ſich ihre Buͤrger einander allenthalben todt ſchlu-
gen. Euclides wohnete zu Megara, und Socrates zu Athen/ dero-
halben zohe Euclides Weibes-Kleider an/ kam bey Nacht nach
Athen/ und hoͤrete alſo den Socratem.

Der Podeſtà: Das faule Chriſten-Blut ſolte durch folche uͤber-
zeugende Exempel warm/ ja brennend werden/ um mit groͤſſerer
Luft uñ Eyfer die Goͤttl. Weißheit zu hoͤren. Alſo entbrandten die
Emaus-Gaͤnger/ als ihnen der HErꝛ JEſus die Schrifft erklaͤ-
rete. Viele aber ſind deß Lernens in Chriſti Schul bald muͤde.
Wann die Bekanntnuͤß gethan iſt/ ſo leget man die Bibel/ und
andere gute Buͤcher/ hinter die Banck. Die Heyden ſind eyferiger
geweſen/ ihre irꝛdiſche Weißheit zu lernen/ und darinnen voͤllig
gelehrt zu werden. Nachdem Sandes Lampſacenus den Epicu-
rum
gehoͤret hatte/ bliebe er lange Jahre bey ihm/ außgenom̃en
6. Monat/ da er ſeine Freunde beſuchte. Æſchines wiche auch
niemahls von ſeinem Meiſter Socrate, darum ſagte Socrates von
ihm: Æſchines allein weiß ſeinen Meiſter zu ehren. Eine ſolche
Luft muß in uns ſeyn/ um mit Maria zu Chriſti Fuͤſſen zu ſitzen/
und ſeine Lehre mit Freuden anzuhoͤren.

Der Printz dargegen: Obſchon die Heyden ſehr weiß wa-
ren/ ſo vermeyneten ſie doch niemahlen/ gnug zu wiſſen/ ſondern
es bliebe die Lehr-Begierigkeit biß an das Ende ihres Lebens bey
ihnen. Gorgias Leontinus ſtudirte noch/ als er 107. Jahre alt
war. Als Demoſthenes 100. Jahre alt war/ ſagte er auf ſei-
nem Tod-Bette: Jch bin betruͤbet/ daß ich ſterben muß/ da ich
erſt anfange/ weiß zu werden. Solon lag gleichfalls auf ſeinem
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was
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[391/0405] Romans I. Buch. zur ſelbigen Zeit der Mantel bey nahe die gantze Kleidung war/ welche die Studenten uͤber den nackenden Leib trugen. Wann der Eine außgieng/ ſo bliebe der andere in dem Stroh ligen. Wo- fern bey uns die Studenten alſo ſtudiren ſolten/ ſo ſolte man we- nig gelehrte Leute finden. Der Printz: Andere haben auß Luſt zur Weißheit noch wunderlichere Dinge gethan. Monimus, eines Lombarders Knecht/ ſtellete ſich naͤrriſch/ ſein Herꝛ jagete ihn weg/ darauf lieffe er zum Diogeni, und ward ein ſehr gelehrter Mann. Alexander hatte den gelehrten Calliſthenem mit einem Hund in einen Kaͤfig ſperren laſſen; Dannoch kam Lyſimachus, deß Koͤnigs Zorn ungeachtet/ offtmahls zu ihm/ und hoͤrete ihn von Tugend und Weißheit reden. Euclides begab/ ſich in groͤſſere Ge- fahr: Die Stadt Megara und Athen waren ſo feindſeelig gegen einander/ daß ſich ihre Buͤrger einander allenthalben todt ſchlu- gen. Euclides wohnete zu Megara, und Socrates zu Athen/ dero- halben zohe Euclides Weibes-Kleider an/ kam bey Nacht nach Athen/ und hoͤrete alſo den Socratem. Der Podeſtà: Das faule Chriſten-Blut ſolte durch folche uͤber- zeugende Exempel warm/ ja brennend werden/ um mit groͤſſerer Luft uñ Eyfer die Goͤttl. Weißheit zu hoͤren. Alſo entbrandten die Emaus-Gaͤnger/ als ihnen der HErꝛ JEſus die Schrifft erklaͤ- rete. Viele aber ſind deß Lernens in Chriſti Schul bald muͤde. Wann die Bekanntnuͤß gethan iſt/ ſo leget man die Bibel/ und andere gute Buͤcher/ hinter die Banck. Die Heyden ſind eyferiger geweſen/ ihre irꝛdiſche Weißheit zu lernen/ und darinnen voͤllig gelehrt zu werden. Nachdem Sandes Lampſacenus den Epicu- rum gehoͤret hatte/ bliebe er lange Jahre bey ihm/ außgenom̃en 6. Monat/ da er ſeine Freunde beſuchte. Æſchines wiche auch niemahls von ſeinem Meiſter Socrate, darum ſagte Socrates von ihm: Æſchines allein weiß ſeinen Meiſter zu ehren. Eine ſolche Luft muß in uns ſeyn/ um mit Maria zu Chriſti Fuͤſſen zu ſitzen/ und ſeine Lehre mit Freuden anzuhoͤren. Der Printz dargegen: Obſchon die Heyden ſehr weiß wa- ren/ ſo vermeyneten ſie doch niemahlen/ gnug zu wiſſen/ ſondern es bliebe die Lehr-Begierigkeit biß an das Ende ihres Lebens bey ihnen. Gorgias Leontinus ſtudirte noch/ als er 107. Jahre alt war. Als Demoſthenes 100. Jahre alt war/ ſagte er auf ſei- nem Tod-Bette: Jch bin betruͤbet/ daß ich ſterben muß/ da ich erſt anfange/ weiß zu werden. Solon lag gleichfalls auf ſeinem Tod-Bette/ und hoͤrete etliche ſeiner Freunde vor ſeinem Bett et- was B b 4

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/405>, abgerufen am 22.11.2024.