Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.Romans I. Buch. Xenophon wuste ihm dieses eigentlich zu sagen. Dafragete er ihn ferner: Wo werden aber die Menschen gut und Tugendsam? Xenophon antwortete: Das wüste er nicht. Darauf sagte Plutarchus: Komm/ folge mir/ ich wil es dir weisen. Er brachte ihn in seine Schul/ und nahm ihn unter seine Schüler auf. Also ward Xenophon ein sehr weiser Mann/ wie solches der gantzen Nach-Welt ist kund worden. Der Po- desta wolte hören lassen/ daß er ein Mann/ der sonder- lich viel auf die Tugend hielte/ dannenhero sprach er: URfere Leute wissen auch sehr wol/ wo alle Dinge feil sind/ Der Printz sprach: Nicht alle Lehrmeister haben dieses wer- B b 2
Romans I. Buch. Xenophon wuſte ihm dieſes eigentlich zu ſagen. Dafragete er ihn ferner: Wo werden aber die Menſchen gut und Tugendſam? Xenophon antwortete: Das wuͤſte er nicht. Darauf ſagte Plutarchus: Kom̃/ folge mir/ ich wil es dir weiſen. Er brachte ihn in ſeine Schul/ und nahm ihn unter ſeine Schuͤler auf. Alſo ward Xenophon ein ſehr weiſer Mann/ wie ſolches der gantzen Nach-Welt iſt kund worden. Der Po- deſtà wolte hoͤren laſſen/ daß er ein Mann/ der ſonder- lich viel auf die Tugend hielte/ dannenhero ſprach er: URfere Leute wiſſen auch ſehr wol/ wo alle Dinge feil ſind/ Der Printz ſprach: Nicht alle Lehrmeiſter haben dieſes wer- B b 2
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Romans I. Buch.
Xenophon wuſte ihm dieſes eigentlich zu ſagen. Da
fragete er ihn ferner: Wo werden aber die Menſchen
gut und Tugendſam? Xenophon antwortete: Das
wuͤſte er nicht. Darauf ſagte Plutarchus: Kom̃/ folge
mir/ ich wil es dir weiſen. Er brachte ihn in ſeine
Schul/ und nahm ihn unter ſeine Schuͤler auf. Alſo
ward Xenophon ein ſehr weiſer Mann/ wie ſolches
der gantzen Nach-Welt iſt kund worden. Der Po-
deſtà wolte hoͤren laſſen/ daß er ein Mann/ der ſonder-
lich viel auf die Tugend hielte/ dannenhero ſprach er:
URfere Leute wiſſen auch ſehr wol/ wo alle Dinge feil ſind/
ſie kennen auch die Schule Chriſti/ wo man die Tugend leh-
ret; Viele aber haben keine Luft/ Juͤnger Chriſti zu werden.
Jener Laconiſche Schulmeiſter ward gefraget: Was er die
Kinder lehren wolte? Er ſagte: Jch wil ſie lehren vom Boͤſen
einen Abſcheu/ und zum Guten und ehrlichen Dingen eine Luft
zu haben. Ein Spartaner antwortete auf dergleichen Frage:
Jch wil machen/ daß das Jenige/ was ehrlich/ ihnen auch ange-
nehm ſeye. Kunten das Heyden von ihren Schulen ſagen/ wie
viel mehr ſollen dann Chriſtliche Lehrmeiſter darnach trachten.
Doch muß dieſes fuͤrnemlich der Fleiß und Abſehen der Lehrer in
der Chriſtlichen Kirche ſeyn.
Der Printz ſprach: Nicht alle Lehrmeiſter haben dieſes
Abſehen. Als Diogenes ſahe/ daß ſich ein Lehr-Jung ungebaͤr-
dig anftellete/ ſchlug er den Lehrmeiſter mit einem Stock/ und
ſagte: Warum unterweiſeſt du deinen Schuͤler nicht beſſer?
Wann theils Lehrmeiſter nur Geld gnug gewinnen koͤnnen/ ſo
achten ſie das Leben ihrer Schuͤler nicht hoch. Apollonius hatte
einen andern Sinn: Er lehrete um Geld/ wann er aber einen
Schuͤler ſahe/ der zu einem Redner nicht tuͤchtig war/ den ſchick-
te er auß ſeiner Schule/ und ſagte: Laſſet euren Sohn was an-
ders lehren. Worauf der Gouverneur: Es liget nicht allezeit
an den Lehrmeiſtern/ daß die Schuͤler nichts lernen. Jener Welt-
weiſe hatte 2. Juͤnger/ der Eine war geſchickt/ und unfleiſſig/ der
Andere aber dumm/ und fleiſſig. Der Lehrmeiſter ſagte zu ihnen:
Jhr werdet Beyde nichts nutzen/ der Eine/ weil er kan/ und wil
nicht lernen/ der Andere aber/ weil er wil/ und kan nicht lernen.
Dergleichen gibt es auch ſehr viel in der Schul Chriſti/ doch wer-
den die Jenige/ die wollen/ und nicht viel koͤnnen/ nicht verlohren
wer-
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Zitationshilfe: | Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/401>, abgerufen am 22.07.2024. |