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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans II. Buch.

Jnzwischen kam die Hauß-Magd in die unterste
Stuben getretten/ und als sie den Hauß-Mann sitzen
sahe/ muste sie seines Würffel-Weiß geschornen
Barts zwar hefftig lachen/ aber sie fragete doch dar-
bey/ wie er so still allhier sitze? Er gab zur Antwort:
Jch warte nur auf meinen Balbierer/ welcher bald
wieder kommen/ und mich vollends scheeren wird.
Die Magd replicirte: Seyd ihr nicht recht bey Ver-
stand? Der Jenige/ der mit dem Scheer-Messer jetzo
hinauß lieff/ ist gantz rasend-toll/ ob er gleich bißwei-
len ein vernünfftiges Wort fliegen lässet/ und möget
ihr dem Himmel dancken/ daß er euch nicht die Kehle
hat abgeschnitten. Als der Bauer dieses hörete/
stund er auf/ sammlete die abgeworffene Bart-Haare
auf/ und fragete nach einem/ der ihm den Bart abge-
kaufft hätte. Die Magd lachete ihn auß/ und sprach:
Wer hat sein Lebtage wol einen Bart verkauffen se-
hen? Jch sage euch ja/ daß diese Gefangenen mit ein-
ander toll sind/ darum fanget ja bey Leibe mit ihnen
nichts an/ sonsten werdet ihr wahrhafftig übel an-
lauffen/ und ich rathe euch/ gehet von hinnen/ ehe der
Kerl mit dem Scheer-Messer wieder kommt/ sonsten
dörffte es doch euch annoch euer Leben kosten/ wie dem
einen gefangenen Jungen/ dem er gleichfalls den
Halß abgeschnitten hat/ und liget derselbe annoch
zubegraben droben in einer besondern Kayn. Hier-
über erschrack der gute Bauer dergestalt/ daß er seine
Haare zu sich steckete/ und damit auß dem Hause
gieng/ auch dem Himmel danckete/ daß er mit einem
halben Thaler noch darvon kommen war. Er gieng
aber auf die Strasse/ und suchte ein ander Balbier-
Hauß/ da dann die Jungen und allerhand Leute
Hauffen-Weiß hinter ihm herkamen/ und ihn vor
einen geschornen Halb-Bart außschalten; Es hatte

also
U u u 3
Romans II. Buch.

Jnzwiſchen kam die Hauß-Magd in die unterſte
Stuben getretten/ und als ſie den Hauß-Mann ſitzen
ſahe/ muſte ſie ſeines Wuͤrffel-Weiß geſchornen
Barts zwar hefftig lachen/ aber ſie fragete doch dar-
bey/ wie er ſo ſtill allhier ſitze? Er gab zur Antwort:
Jch warte nur auf meinen Balbierer/ welcher bald
wieder kommen/ und mich vollends ſcheeren wird.
Die Magd replicirte: Seyd ihr nicht recht bey Ver-
ſtand? Der Jenige/ der mit dem Scheer-Meſſer jetzo
hinauß lieff/ iſt gantz raſend-toll/ ob er gleich bißwei-
len ein vernuͤnfftiges Wort fliegen laͤſſet/ und moͤget
ihr dem Himmel dancken/ daß er euch nicht die Kehle
hat abgeſchnitten. Als der Bauer dieſes hoͤrete/
ſtund er auf/ ſam̃lete die abgeworffene Bart-Haare
auf/ und fragete nach einem/ der ihm den Bart abge-
kaufft haͤtte. Die Magd lachete ihn auß/ und ſprach:
Wer hat ſein Lebtage wol einen Bart verkauffen ſe-
hen? Jch ſage euch ja/ daß dieſe Gefangenen mit ein-
ander toll ſind/ darum fanget ja bey Leibe mit ihnen
nichts an/ ſonſten werdet ihr wahrhafftig uͤbel an-
lauffen/ und ich rathe euch/ gehet von hinnen/ ehe der
Kerl mit dem Scheer-Meſſer wieder kommt/ ſonſten
doͤrffte es doch euch annoch euer Leben koſten/ wie dem
einen gefangenen Jungen/ dem er gleichfalls den
Halß abgeſchnitten hat/ und liget derſelbe annoch
zubegraben droben in einer beſondern Kayn. Hier-
uͤber erſchrack der gute Bauer dergeſtalt/ daß er ſeine
Haare zu ſich ſteckete/ und damit auß dem Hauſe
gieng/ auch dem Himmel danckete/ daß er mit einem
halben Thaler noch darvon kommen war. Er gieng
aber auf die Straſſe/ und ſuchte ein ander Balbier-
Hauß/ da dann die Jungen und allerhand Leute
Hauffen-Weiß hinter ihm herkamen/ und ihn vor
einen geſchornen Halb-Bart außſchalten; Es hatte

alſo
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[1045/1067] Romans II. Buch. Jnzwiſchen kam die Hauß-Magd in die unterſte Stuben getretten/ und als ſie den Hauß-Mann ſitzen ſahe/ muſte ſie ſeines Wuͤrffel-Weiß geſchornen Barts zwar hefftig lachen/ aber ſie fragete doch dar- bey/ wie er ſo ſtill allhier ſitze? Er gab zur Antwort: Jch warte nur auf meinen Balbierer/ welcher bald wieder kommen/ und mich vollends ſcheeren wird. Die Magd replicirte: Seyd ihr nicht recht bey Ver- ſtand? Der Jenige/ der mit dem Scheer-Meſſer jetzo hinauß lieff/ iſt gantz raſend-toll/ ob er gleich bißwei- len ein vernuͤnfftiges Wort fliegen laͤſſet/ und moͤget ihr dem Himmel dancken/ daß er euch nicht die Kehle hat abgeſchnitten. Als der Bauer dieſes hoͤrete/ ſtund er auf/ ſam̃lete die abgeworffene Bart-Haare auf/ und fragete nach einem/ der ihm den Bart abge- kaufft haͤtte. Die Magd lachete ihn auß/ und ſprach: Wer hat ſein Lebtage wol einen Bart verkauffen ſe- hen? Jch ſage euch ja/ daß dieſe Gefangenen mit ein- ander toll ſind/ darum fanget ja bey Leibe mit ihnen nichts an/ ſonſten werdet ihr wahrhafftig uͤbel an- lauffen/ und ich rathe euch/ gehet von hinnen/ ehe der Kerl mit dem Scheer-Meſſer wieder kommt/ ſonſten doͤrffte es doch euch annoch euer Leben koſten/ wie dem einen gefangenen Jungen/ dem er gleichfalls den Halß abgeſchnitten hat/ und liget derſelbe annoch zubegraben droben in einer beſondern Kayn. Hier- uͤber erſchrack der gute Bauer dergeſtalt/ daß er ſeine Haare zu ſich ſteckete/ und damit auß dem Hauſe gieng/ auch dem Himmel danckete/ daß er mit einem halben Thaler noch darvon kommen war. Er gieng aber auf die Straſſe/ und ſuchte ein ander Balbier- Hauß/ da dann die Jungen und allerhand Leute Hauffen-Weiß hinter ihm herkamen/ und ihn vor einen geſchornen Halb-Bart außſchalten; Es hatte alſo U u u 3

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 1045. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/1067>, abgerufen am 15.11.2024.