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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Deß Academischen

Solte man nun nicht fürchten/ der züchtige
Jüngling hätte an besagtem Felsen seine Marter-
Stelle/ und den gewissen Tod angetroffen? Nichts
desto weniger hat GOtt/ als ein Liebhaber der reinen
Keuschheit/ wunderbarlich denselben erhalten/ also/
daß ihm eine so tödtliche Verschleuderung nichts ge-
schadet. Aber diß war eben so wol ein Wunder/ daß
der grausame König hingegen ein Felsen-hartes Ge-
müth spühren ließ/ ja/ sich gegen dem jungen Men-
schen grausamer und unbarmhertziger erwiese/ dann
die wilden Felsen und rauhe Hügel selbsten/ ließ ihm
mit Zangen ein Glied nach dem andern herab zwi-
cken/ und den also zergliederten Leichnam in den
Strohm werffen. Worauß hernach die Christen den-
selben wiederum herfür gezogen/ und für ein Heilig-
thum gehalten/ auch den Namen dieses keuschen
Jünglings in die Zahl der Heiligen gesetzet.

Jn diesem Fall hat der König von Franckreich/
Carl der Achte/ seine außgerissene Liebes-Begierden
gleichwol besser an den Zaum gebracht/ als sie einer
schönen Jungfrauen Keuschheit bestreiten wollen.
Auf seiner Widerkehr von dem Königreich Neapo-
lis,
welches er/ nach Frantzösischer gewöhnlicher Ma-
nier,
muthiger bekriegete/ weder behauptete/ ward ei-
ne Jtaliänische Stadt von ihm erobert/ welche seine
Soldaten plünderten/ und darinn hauseten/ wie diese
Nation unlängst in den Niederlanden/ und auch erst-
gedachter Massen in Francken gethan. Sie raube-
ten nicht nur Geld und Guth/ sondern auch Ehre;
Frauen und Jungfrauen litten schändliche Gewalt.
Unter solchem Wüten der Schand-Buben suchte ei-
ne außbündig-schöne Jungfrau ihre Zucht-Blume
zu fristen/ eylete derohalben zu dem König hin/ und
flehete mit einem demüthigen Fußfall um Schutz und

Erhal-
Deß Academiſchen

Solte man nun nicht fuͤrchten/ der zuͤchtige
Juͤngling haͤtte an beſagtem Felſen ſeine Marter-
Stelle/ und den gewiſſen Tod angetroffen? Nichts
deſto weniger hat GOtt/ als ein Liebhaber der reinen
Keuſchheit/ wunderbarlich denſelben erhalten/ alſo/
daß ihm eine ſo toͤdtliche Verſchleuderung nichts ge-
ſchadet. Aber diß war eben ſo wol ein Wunder/ daß
der grauſame Koͤnig hingegen ein Felſen-hartes Ge-
muͤth ſpuͤhren ließ/ ja/ ſich gegen dem jungen Men-
ſchen grauſamer und unbarmhertziger erwieſe/ dann
die wilden Felſen und rauhe Huͤgel ſelbſten/ ließ ihm
mit Zangen ein Glied nach dem andern herab zwi-
cken/ und den alſo zergliederten Leichnam in den
Strohm werffen. Worauß hernach die Chriſten den-
ſelben wiederum herfuͤr gezogen/ und fuͤr ein Heilig-
thum gehalten/ auch den Namen dieſes keuſchen
Juͤnglings in die Zahl der Heiligen geſetzet.

Jn dieſem Fall hat der Koͤnig von Franckreich/
Carl der Achte/ ſeine außgeriſſene Liebes-Begierden
gleichwol beſſer an den Zaum gebracht/ als ſie einer
ſchoͤnen Jungfrauen Keuſchheit beſtreiten wollen.
Auf ſeiner Widerkehr von dem Koͤnigreich Neapo-
lis,
welches er/ nach Frantzoͤſiſcher gewoͤhnlicher Ma-
nier,
muthiger bekriegete/ weder behauptete/ ward ei-
ne Jtaliaͤniſche Stadt von ihm erobert/ welche ſeine
Soldaten pluͤnderten/ und darinn hauſeten/ wie dieſe
Nation unlaͤngſt in den Niederlanden/ und auch erſt-
gedachter Maſſen in Francken gethan. Sie raube-
ten nicht nur Geld und Guth/ ſondern auch Ehre;
Frauen und Jungfrauen litten ſchaͤndliche Gewalt.
Unter ſolchem Wuͤten der Schand-Buben ſuchte ei-
ne außbuͤndig-ſchoͤne Jungfrau ihre Zucht-Blume
zu friſten/ eylete derohalben zu dem Koͤnig hin/ und
flehete mit einem demuͤthigen Fußfall um Schutz und

Erhal-
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[1010/1032] Deß Academiſchen Solte man nun nicht fuͤrchten/ der zuͤchtige Juͤngling haͤtte an beſagtem Felſen ſeine Marter- Stelle/ und den gewiſſen Tod angetroffen? Nichts deſto weniger hat GOtt/ als ein Liebhaber der reinen Keuſchheit/ wunderbarlich denſelben erhalten/ alſo/ daß ihm eine ſo toͤdtliche Verſchleuderung nichts ge- ſchadet. Aber diß war eben ſo wol ein Wunder/ daß der grauſame Koͤnig hingegen ein Felſen-hartes Ge- muͤth ſpuͤhren ließ/ ja/ ſich gegen dem jungen Men- ſchen grauſamer und unbarmhertziger erwieſe/ dann die wilden Felſen und rauhe Huͤgel ſelbſten/ ließ ihm mit Zangen ein Glied nach dem andern herab zwi- cken/ und den alſo zergliederten Leichnam in den Strohm werffen. Worauß hernach die Chriſten den- ſelben wiederum herfuͤr gezogen/ und fuͤr ein Heilig- thum gehalten/ auch den Namen dieſes keuſchen Juͤnglings in die Zahl der Heiligen geſetzet. Jn dieſem Fall hat der Koͤnig von Franckreich/ Carl der Achte/ ſeine außgeriſſene Liebes-Begierden gleichwol beſſer an den Zaum gebracht/ als ſie einer ſchoͤnen Jungfrauen Keuſchheit beſtreiten wollen. Auf ſeiner Widerkehr von dem Koͤnigreich Neapo- lis, welches er/ nach Frantzoͤſiſcher gewoͤhnlicher Ma- nier, muthiger bekriegete/ weder behauptete/ ward ei- ne Jtaliaͤniſche Stadt von ihm erobert/ welche ſeine Soldaten pluͤnderten/ und darinn hauſeten/ wie dieſe Nation unlaͤngſt in den Niederlanden/ und auch erſt- gedachter Maſſen in Francken gethan. Sie raube- ten nicht nur Geld und Guth/ ſondern auch Ehre; Frauen und Jungfrauen litten ſchaͤndliche Gewalt. Unter ſolchem Wuͤten der Schand-Buben ſuchte ei- ne außbuͤndig-ſchoͤne Jungfrau ihre Zucht-Blume zu friſten/ eylete derohalben zu dem Koͤnig hin/ und flehete mit einem demuͤthigen Fußfall um Schutz und Erhal-

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 1010. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/1032>, abgerufen am 23.11.2024.