Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.

Bild:
<< vorherige Seite



schen Verstande; so gehöret gewiß J. C. Dippel
selbst nicht zu der Zahl der Erlöseten. Es finden sich
nicht die geringsten Spuren/ daß von denen Ge-
setzen des Paradieses etwas in seine Seele einge-
schrieben sey. Vielmehr ist sie in dem Stande/
da sie der Erlösung/ die wir Christo als Mittlern
beylegen/ höchst bedürstig. Wiewohl thäte er/
wenn er sich von der Warheit überwinden ließ/
dem Heyland die Ehre gebe/ die ihm gehöret; sich
mit Thränen für dessen Füssen niederlegte/ ihm sein
mit vielen Sünden besudeltes Gewissen/ da er
manchem ohne Ursache Wehe gethan/ und viele
einfältige Seelen ins Verderben gestürtzt/ darstel-
te und dabey in wahrem Glauben anflehte/ solches
mit dessen allerheiligstem Blut zu waschen und zu
reinigen/ mithin seine Seele die eigentliche Kraft
seines Mittler-Amts empfinden zu lassen. Biß
hieher hat er gewißlich dieselbe nicht geschmeckt/
und ist auch/ dafern er derselbe bleibt/ nicht geschickt/
solche zu schmecken. GOtt zerknirsche sein Hertz/
laß ihn sein Elend und Verderben recht einsehen/
und gebe ihm die Demuht und den Gehorsam
des Geistes/ welcher ihn dazu geschickt kan machen.
So lange solches nicht geschiehet/ ist er auch nicht
geschickt/ GOtt wolgefällig zu wandeln/ indem
dieß eine Folge der Liebe/ die Liebe aber eine Frucht
des seligmachenden Glaubens. (quaest. 61. & 63.)

LXXVI.
Ob nicht bey so bewandten Um-
stän-



ſchen Verſtande; ſo gehoͤret gewiß J. C. Dippel
ſelbſt nicht zu der Zahl der Erloͤſeten. Es finden ſich
nicht die geringſten Spuren/ daß von denen Ge-
ſetzen des Paradieſes etwas in ſeine Seele einge-
ſchrieben ſey. Vielmehr iſt ſie in dem Stande/
da ſie der Erloͤſung/ die wir Chriſto als Mittlern
beylegen/ hoͤchſt beduͤrſtig. Wiewohl thaͤte er/
wenn er ſich von der Warheit uͤberwinden ließ/
dem Heyland die Ehre gebe/ die ihm gehoͤret; ſich
mit Thraͤnen fuͤr deſſen Fuͤſſen niederlegte/ ihm ſein
mit vielen Suͤnden beſudeltes Gewiſſen/ da er
manchem ohne Urſache Wehe gethan/ und viele
einfaͤltige Seelen ins Verderben geſtuͤrtzt/ darſtel-
te und dabey in wahrem Glauben anflehte/ ſolches
mit deſſen allerheiligſtem Blut zu waſchen und zu
reinigen/ mithin ſeine Seele die eigentliche Kraft
ſeines Mittler-Amts empfinden zu laſſen. Biß
hieher hat er gewißlich dieſelbe nicht geſchmeckt/
und iſt auch/ dafern er derſelbe bleibt/ nicht geſchickt/
ſolche zu ſchmecken. GOtt zerknirſche ſein Hertz/
laß ihn ſein Elend und Verderben recht einſehen/
und gebe ihm die Demuht und den Gehorſam
des Geiſtes/ welcher ihn dazu geſchickt kan machen.
So lange ſolches nicht geſchiehet/ iſt er auch nicht
geſchickt/ GOtt wolgefaͤllig zu wandeln/ indem
dieß eine Folge der Liebe/ die Liebe aber eine Frucht
des ſeligmachenden Glaubens. (quæſt. 61. & 63.)

LXXVI.
Ob nicht bey ſo bewandten Um-
ſtaͤn-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0241" n="189"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;chen Ver&#x017F;tande; &#x017F;o geho&#x0364;ret gewiß <hi rendition="#aq">J. C. Dippel</hi><lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t nicht zu der Zahl der Erlo&#x0364;&#x017F;eten. Es finden &#x017F;ich<lb/>
nicht die gering&#x017F;ten Spuren/ daß von denen Ge-<lb/>
&#x017F;etzen des Paradie&#x017F;es etwas in &#x017F;eine Seele einge-<lb/>
&#x017F;chrieben &#x017F;ey. Vielmehr i&#x017F;t &#x017F;ie in dem Stande/<lb/>
da &#x017F;ie der Erlo&#x0364;&#x017F;ung/ die wir Chri&#x017F;to als Mittlern<lb/>
beylegen/ ho&#x0364;ch&#x017F;t bedu&#x0364;r&#x017F;tig. Wiewohl tha&#x0364;te er/<lb/>
wenn er &#x017F;ich von der Warheit u&#x0364;berwinden ließ/<lb/>
dem Heyland die Ehre gebe/ die ihm geho&#x0364;ret; &#x017F;ich<lb/>
mit Thra&#x0364;nen fu&#x0364;r de&#x017F;&#x017F;en Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en niederlegte/ ihm &#x017F;ein<lb/>
mit vielen Su&#x0364;nden be&#x017F;udeltes Gewi&#x017F;&#x017F;en/ da er<lb/>
manchem ohne Ur&#x017F;ache Wehe gethan/ und viele<lb/>
einfa&#x0364;ltige Seelen ins Verderben ge&#x017F;tu&#x0364;rtzt/ dar&#x017F;tel-<lb/>
te und dabey in wahrem Glauben anflehte/ &#x017F;olches<lb/>
mit de&#x017F;&#x017F;en allerheilig&#x017F;tem Blut zu wa&#x017F;chen und zu<lb/>
reinigen/ mithin &#x017F;eine Seele die eigentliche Kraft<lb/>
&#x017F;eines Mittler-Amts empfinden zu la&#x017F;&#x017F;en. Biß<lb/>
hieher hat er gewißlich die&#x017F;elbe nicht ge&#x017F;chmeckt/<lb/>
und i&#x017F;t auch/ dafern er der&#x017F;elbe bleibt/ nicht ge&#x017F;chickt/<lb/>
&#x017F;olche zu &#x017F;chmecken. GOtt zerknir&#x017F;che &#x017F;ein Hertz/<lb/>
laß ihn &#x017F;ein Elend und Verderben recht ein&#x017F;ehen/<lb/>
und gebe ihm die Demuht und den Gehor&#x017F;am<lb/>
des Gei&#x017F;tes/ welcher ihn dazu ge&#x017F;chickt kan machen.<lb/>
So lange &#x017F;olches nicht ge&#x017F;chiehet/ i&#x017F;t er auch nicht<lb/>
ge&#x017F;chickt/ GOtt wolgefa&#x0364;llig zu wandeln/ indem<lb/>
dieß eine Folge der Liebe/ die Liebe aber eine Frucht<lb/>
des &#x017F;eligmachenden Glaubens. (<hi rendition="#aq">quæ&#x017F;t. 61. &amp;</hi> 63.)</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">LXXVI.</hi><lb/> <hi rendition="#b">Ob nicht bey &#x017F;o bewandten Um-</hi><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">&#x017F;ta&#x0364;n-</hi> </fw><lb/>
          </head>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0241] ſchen Verſtande; ſo gehoͤret gewiß J. C. Dippel ſelbſt nicht zu der Zahl der Erloͤſeten. Es finden ſich nicht die geringſten Spuren/ daß von denen Ge- ſetzen des Paradieſes etwas in ſeine Seele einge- ſchrieben ſey. Vielmehr iſt ſie in dem Stande/ da ſie der Erloͤſung/ die wir Chriſto als Mittlern beylegen/ hoͤchſt beduͤrſtig. Wiewohl thaͤte er/ wenn er ſich von der Warheit uͤberwinden ließ/ dem Heyland die Ehre gebe/ die ihm gehoͤret; ſich mit Thraͤnen fuͤr deſſen Fuͤſſen niederlegte/ ihm ſein mit vielen Suͤnden beſudeltes Gewiſſen/ da er manchem ohne Urſache Wehe gethan/ und viele einfaͤltige Seelen ins Verderben geſtuͤrtzt/ darſtel- te und dabey in wahrem Glauben anflehte/ ſolches mit deſſen allerheiligſtem Blut zu waſchen und zu reinigen/ mithin ſeine Seele die eigentliche Kraft ſeines Mittler-Amts empfinden zu laſſen. Biß hieher hat er gewißlich dieſelbe nicht geſchmeckt/ und iſt auch/ dafern er derſelbe bleibt/ nicht geſchickt/ ſolche zu ſchmecken. GOtt zerknirſche ſein Hertz/ laß ihn ſein Elend und Verderben recht einſehen/ und gebe ihm die Demuht und den Gehorſam des Geiſtes/ welcher ihn dazu geſchickt kan machen. So lange ſolches nicht geſchiehet/ iſt er auch nicht geſchickt/ GOtt wolgefaͤllig zu wandeln/ indem dieß eine Folge der Liebe/ die Liebe aber eine Frucht des ſeligmachenden Glaubens. (quæſt. 61. & 63.) LXXVI. Ob nicht bey ſo bewandten Um- ſtaͤn-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/241
Zitationshilfe: Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/241>, abgerufen am 21.11.2024.