Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.Vorrede. Begriffe verwandeln. Die wenigsten Wör-ter aber sind in ihren Bedeutungen beschrän- cket und abgemessen. Jhre Bedeutungen sind auch, wie nach vielen andern Umstän- den, also auch nach dem Ablauf der Zeiten, vielfältig verändert. Daher kommen die man- nigfaltige und sich offt untereinander wider- sprechende Erklärungen der Schrift. Daher kommen die viele Secten der Christenheit, da eine jede vermeynet ihre angegebene Grund- sätze aus der Schrift beweisen zu können. Daher kommen die unzehlbare besondere Re- ligions-Meynungen, die viele critische und phi- lologische Anmerckungen und Streitigkeiten, welche so viel hundert Jahr gedauret haben, und auch, so lang Gelehrten auf Erden sind, dauren werden. Diß solte zwar denjenigen, der mit reiner Liebe zur Warheit nach dem Wege des Heyls forscht, beynahe zaghaft machen, ob es auch überall möglich, eine völli- ge Uberzeugung von dem, was Gottes Geist zu unserer Seligkeit darinn lehren wollen, aus selbiger zu erlangen. Es ist bekannt, daß die Lehrer der Römischen Kirche uns dessen gerne bereden wollen, wie es auch die Grundsätze ihrer Religion erfordern. Al- lein auch dieser Meynung kan man ohne Nachtheil der Warheit nicht beypflichten. GOtt kan unmöglich wollen, daß so viel an Vorrede. Begriffe verwandeln. Die wenigſten Woͤr-ter aber ſind in ihren Bedeutungen beſchraͤn- cket und abgemeſſen. Jhre Bedeutungen ſind auch, wie nach vielen andern Umſtaͤn- den, alſo auch nach dem Ablauf der Zeiten, vielfaͤltig veraͤndert. Daher kommen die man- nigfaltige und ſich offt untereinander wider- ſprechende Erklaͤrungen der Schrift. Daher kommen die viele Secten der Chriſtenheit, da eine jede vermeynet ihre angegebene Grund- ſaͤtze aus der Schrift beweiſen zu koͤnnen. Daher kommen die unzehlbare beſondere Re- ligions-Meynungen, die viele critiſche und phi- lologiſche Anmerckungen und Streitigkeiten, welche ſo viel hundert Jahr gedauret haben, und auch, ſo lang Gelehrten auf Erden ſind, dauren werden. Diß ſolte zwar denjenigen, der mit reiner Liebe zur Warheit nach dem Wege des Heyls forſcht, beynahe zaghaft machen, ob es auch uͤberall moͤglich, eine voͤlli- ge Uberzeugung von dem, was Gottes Geiſt zu unſerer Seligkeit darinn lehren wollen, aus ſelbiger zu erlangen. Es iſt bekannt, daß die Lehrer der Roͤmiſchen Kirche uns deſſen gerne bereden wollen, wie es auch die Grundſaͤtze ihrer Religion erfordern. Al- lein auch dieſer Meynung kan man ohne Nachtheil der Warheit nicht beypflichten. GOtt kan unmoͤglich wollen, daß ſo viel an <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0020" n="8"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/> Begriffe verwandeln. Die wenigſten Woͤr-<lb/> ter aber ſind in ihren Bedeutungen beſchraͤn-<lb/> cket und abgemeſſen. Jhre Bedeutungen<lb/> ſind auch, wie nach vielen andern Umſtaͤn-<lb/> den, alſo auch nach dem Ablauf der Zeiten,<lb/> vielfaͤltig veraͤndert. Daher kommen die man-<lb/> nigfaltige und ſich offt untereinander wider-<lb/> ſprechende Erklaͤrungen der Schrift. Daher<lb/> kommen die viele Secten der Chriſtenheit, da<lb/> eine jede vermeynet ihre angegebene Grund-<lb/> ſaͤtze aus der Schrift beweiſen zu koͤnnen.<lb/> Daher kommen die unzehlbare beſondere Re-<lb/> ligions-Meynungen, die viele <hi rendition="#aq">criti</hi>ſche und <hi rendition="#aq">phi-<lb/> lologi</hi>ſche Anmerckungen und Streitigkeiten,<lb/> welche ſo viel hundert Jahr gedauret haben,<lb/> und auch, ſo lang Gelehrten auf Erden ſind,<lb/> dauren werden. Diß ſolte zwar denjenigen,<lb/> der mit reiner Liebe zur Warheit nach dem<lb/> Wege des Heyls forſcht, beynahe zaghaft<lb/> machen, ob es auch uͤberall moͤglich, eine voͤlli-<lb/> ge Uberzeugung von dem, was Gottes Geiſt<lb/> zu unſerer Seligkeit darinn lehren wollen,<lb/> aus ſelbiger zu erlangen. Es iſt bekannt, daß<lb/> die Lehrer der Roͤmiſchen Kirche uns deſſen<lb/> gerne bereden wollen, wie es auch die<lb/> Grundſaͤtze ihrer Religion erfordern. Al-<lb/> lein auch dieſer Meynung kan man ohne<lb/> Nachtheil der Warheit nicht beypflichten.<lb/> GOtt kan unmoͤglich wollen, daß ſo viel an<lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [8/0020]
Vorrede.
Begriffe verwandeln. Die wenigſten Woͤr-
ter aber ſind in ihren Bedeutungen beſchraͤn-
cket und abgemeſſen. Jhre Bedeutungen
ſind auch, wie nach vielen andern Umſtaͤn-
den, alſo auch nach dem Ablauf der Zeiten,
vielfaͤltig veraͤndert. Daher kommen die man-
nigfaltige und ſich offt untereinander wider-
ſprechende Erklaͤrungen der Schrift. Daher
kommen die viele Secten der Chriſtenheit, da
eine jede vermeynet ihre angegebene Grund-
ſaͤtze aus der Schrift beweiſen zu koͤnnen.
Daher kommen die unzehlbare beſondere Re-
ligions-Meynungen, die viele critiſche und phi-
lologiſche Anmerckungen und Streitigkeiten,
welche ſo viel hundert Jahr gedauret haben,
und auch, ſo lang Gelehrten auf Erden ſind,
dauren werden. Diß ſolte zwar denjenigen,
der mit reiner Liebe zur Warheit nach dem
Wege des Heyls forſcht, beynahe zaghaft
machen, ob es auch uͤberall moͤglich, eine voͤlli-
ge Uberzeugung von dem, was Gottes Geiſt
zu unſerer Seligkeit darinn lehren wollen,
aus ſelbiger zu erlangen. Es iſt bekannt, daß
die Lehrer der Roͤmiſchen Kirche uns deſſen
gerne bereden wollen, wie es auch die
Grundſaͤtze ihrer Religion erfordern. Al-
lein auch dieſer Meynung kan man ohne
Nachtheil der Warheit nicht beypflichten.
GOtt kan unmoͤglich wollen, daß ſo viel an
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