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Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.

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nicht nur wider alle Erfahrung/ sondern auch an
sich selbst ungereimt. Sich selbst und die Geschöpf-
fe verkehrt lieben/ zeiget einen falschen Wahn im
Verstande/ und eine unreine Empfindung in dem
Willen an/ und ist also ausser Zweiffel eine Kranck-
heit des Geistes: GOtt über alles/ und sich selbst
nebst dem Nechsten in behöriger Ordnung lieben/
ist eine Folge reiner Begriffe und tugendhafter Em-
pfindungen/ folglich eine Stärcke und Vollenkom-
menheit des Geistes. Dafern nun der Mensch
sich selbst von der verkehrten Liebe könte loßreissen/
und GOtt über alles lieben; so müste er in dem
Stande seyn/ daß er sich an dem innerlichen nach
Wolgefallen könte kranck und gesund machen:
welches lauter wüste Gedancken.

Wenn auch vorhero erinnert/ daß GOtt/ um die
Nahrung unsers Geistes zu seyn/ zugleich unser Ge-
setzgeber habe werden/ das ist unsere freye Handlun-
gen unter der Wahl des Besten einschrencken müs-
sen; (quaest. 17) so folget daher/ daß/ wenn der Mensch
gleich den Vorsatz faßt/ die Sünden-Wege zu ver-
lassen/ dennoch die vorher begangene Sünden ih-
re schädliche Wirckungen in dem Geist behalten
müssen/ wie wir solches bereits dargethan. (Erläut.
quaest. 28.) Solchemnach ist es ein offenbarer gro-
ber Jrrthum/ daß GOtt nicht eigentlich Sün-
den vergebe/ und daß keine Sünden/ die vorher
geschehen/ für ihn uns unwürdig machen sein An-
gesicht zu suchen/ (verae demonstr. Evang. p. 105.)
oder wie es eigentlich solte heissen/ daß die Sünde

in



nicht nur wider alle Erfahrung/ ſondern auch an
ſich ſelbſt ungereimt. Sich ſelbſt und die Geſchoͤpf-
fe verkehrt lieben/ zeiget einen falſchen Wahn im
Verſtande/ und eine unreine Empfindung in dem
Willen an/ und iſt alſo auſſer Zweiffel eine Kranck-
heit des Geiſtes: GOtt uͤber alles/ und ſich ſelbſt
nebſt dem Nechſten in behoͤriger Ordnung lieben/
iſt eine Folge reiner Begriffe und tugendhafter Em-
pfindungen/ folglich eine Staͤrcke und Vollenkom-
menheit des Geiſtes. Dafern nun der Menſch
ſich ſelbſt von der verkehrten Liebe koͤnte loßreiſſen/
und GOtt uͤber alles lieben; ſo muͤſte er in dem
Stande ſeyn/ daß er ſich an dem innerlichen nach
Wolgefallen koͤnte kranck und geſund machen:
welches lauter wuͤſte Gedancken.

Wenn auch vorhero erinnert/ daß GOtt/ um die
Nahrung unſers Geiſtes zu ſeyn/ zugleich unſer Ge-
ſetzgeber habe werden/ das iſt unſere freye Handlun-
gen unter der Wahl des Beſten einſchrencken muͤſ-
ſen; (quæſt. 17) ſo folget daher/ daß/ wenn der Menſch
gleich den Vorſatz faßt/ die Suͤnden-Wege zu ver-
laſſen/ dennoch die vorher begangene Suͤnden ih-
re ſchaͤdliche Wirckungen in dem Geiſt behalten
muͤſſen/ wie wir ſolches bereits dargethan. (Erlaͤut.
quæſt. 28.) Solchemnach iſt es ein offenbarer gro-
ber Jrrthum/ daß GOtt nicht eigentlich Suͤn-
den vergebe/ und daß keine Suͤnden/ die vorher
geſchehen/ fuͤr ihn uns unwuͤrdig machen ſein An-
geſicht zu ſuchen/ (veræ demonſtr. Evang. p. 105.)
oder wie es eigentlich ſolte heiſſen/ daß die Suͤnde

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[102/0154] nicht nur wider alle Erfahrung/ ſondern auch an ſich ſelbſt ungereimt. Sich ſelbſt und die Geſchoͤpf- fe verkehrt lieben/ zeiget einen falſchen Wahn im Verſtande/ und eine unreine Empfindung in dem Willen an/ und iſt alſo auſſer Zweiffel eine Kranck- heit des Geiſtes: GOtt uͤber alles/ und ſich ſelbſt nebſt dem Nechſten in behoͤriger Ordnung lieben/ iſt eine Folge reiner Begriffe und tugendhafter Em- pfindungen/ folglich eine Staͤrcke und Vollenkom- menheit des Geiſtes. Dafern nun der Menſch ſich ſelbſt von der verkehrten Liebe koͤnte loßreiſſen/ und GOtt uͤber alles lieben; ſo muͤſte er in dem Stande ſeyn/ daß er ſich an dem innerlichen nach Wolgefallen koͤnte kranck und geſund machen: welches lauter wuͤſte Gedancken. Wenn auch vorhero erinnert/ daß GOtt/ um die Nahrung unſers Geiſtes zu ſeyn/ zugleich unſer Ge- ſetzgeber habe werden/ das iſt unſere freye Handlun- gen unter der Wahl des Beſten einſchrencken muͤſ- ſen; (quæſt. 17) ſo folget daher/ daß/ wenn der Menſch gleich den Vorſatz faßt/ die Suͤnden-Wege zu ver- laſſen/ dennoch die vorher begangene Suͤnden ih- re ſchaͤdliche Wirckungen in dem Geiſt behalten muͤſſen/ wie wir ſolches bereits dargethan. (Erlaͤut. quæſt. 28.) Solchemnach iſt es ein offenbarer gro- ber Jrrthum/ daß GOtt nicht eigentlich Suͤn- den vergebe/ und daß keine Suͤnden/ die vorher geſchehen/ fuͤr ihn uns unwuͤrdig machen ſein An- geſicht zu ſuchen/ (veræ demonſtr. Evang. p. 105.) oder wie es eigentlich ſolte heiſſen/ daß die Suͤnde in

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Zitationshilfe: Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/154>, abgerufen am 21.11.2024.