Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.denen Geschöpffen loßzureissen/ und das höchste Gut über alles zu lieben/ heist/ wenn man nach der Sachen eigentlichen Beschaffenheit reden will/ nichts anders; als ein völliges Vermögen besi- tzen/ das Gute eben so vollenkommen und leicht zu thun/ als das Böse. Pelagius hat niemals grö- ber von der menschlichen Freyheit nach dem Fall geredt. Wie aber Pelagius eben deswegen keine Gnade der Erneurung vor nöhtig hielte; so muß sie auch in dem Dippelschen Systemate unnütz und vergeblich seyn. Es kan also/ was J. C. Dippel von der Erlösung JEsu Christi schreibt/ daß sol- che lediglich auf eine Befreyung von der Neigung zu sündigen gerichtet seyn soll/ nicht anders als ein fruchtloser Discurs angesehen werden. Wie ist ein Fall möglich/ in welchem derjenige/ so in völli- ger Freyheit steht/ eines Erlösers gebraucht? Die hieher gehörige Lehren und selbst die Beschreibung vom Glauben sind nach der Verwirrung/ so in J. C. Dippels Geist wohnet/ also abgefaßt/ daß man dar- aus nicht anders begreiffen kan/ als daß man Chri- sto soll alles bringen/ was man von ihm begehrt; man soll sich selbst erlösen/ um von ihm erlöset zu werden; man soll sich verleugnen und die Sünde verlassen/ damit er die Sünde mit der Wurtzel hinwegnehme. Es ist aber auch die Sache selbst falsch und irrig. Die Schrift redet von dem menschlichen Unvermö- gen in dem Geistlichen gar zu deutlich. Gen. VI. 5. Rom. VII. 14, 19, 23. 2 Cor. III. 5. 1 Cor. II. 14. Gal. V. 17. &c. Uberdem ist eine solche Freyheit nicht G 3
denen Geſchoͤpffen loßzureiſſen/ und das hoͤchſte Gut uͤber alles zu lieben/ heiſt/ wenn man nach der Sachen eigentlichen Beſchaffenheit reden will/ nichts anders; als ein voͤlliges Vermoͤgen beſi- tzen/ das Gute eben ſo vollenkommen und leicht zu thun/ als das Boͤſe. Pelagius hat niemals groͤ- ber von der menſchlichen Freyheit nach dem Fall geredt. Wie aber Pelagius eben deswegen keine Gnade der Erneurung vor noͤhtig hielte; ſo muß ſie auch in dem Dippelſchen Syſtemate unnuͤtz und vergeblich ſeyn. Es kan alſo/ was J. C. Dippel von der Erloͤſung JEſu Chriſti ſchreibt/ daß ſol- che lediglich auf eine Befreyung von der Neigung zu ſuͤndigen gerichtet ſeyn ſoll/ nicht anders als ein fruchtloſer Diſcurs angeſehen werden. Wie iſt ein Fall moͤglich/ in welchem derjenige/ ſo in voͤlli- ger Freyheit ſteht/ eines Erloͤſers gebraucht? Die hieher gehoͤrige Lehren und ſelbſt die Beſchreibung vom Glauben ſind nach der Verwirrung/ ſo in J. C. Dippels Geiſt wohnet/ alſo abgefaßt/ daß man dar- aus nicht anders begreiffen kan/ als daß man Chri- ſto ſoll alles bringẽ/ was man von ihm begehrt; man ſoll ſich ſelbſt erloͤſen/ um von ihm erloͤſet zu werden; man ſoll ſich verleugnen und die Suͤnde verlaſſen/ damit er die Suͤnde mit der Wurtzel hinwegnehme. Es iſt aber auch die Sache ſelbſt falſch und irrig. Die Schrift redet von dem menſchlichen Unvermoͤ- gen in dem Geiſtlichen gar zu deutlich. Gen. VI. 5. Rom. VII. 14, 19, 23. 2 Cor. III. 5. 1 Cor. II. 14. Gal. V. 17. &c. Uberdem iſt eine ſolche Freyheit nicht G 3
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tzen/ das Gute eben ſo vollenkommen und leicht zu
thun/ als das Boͤſe. Pelagius hat niemals groͤ-
ber von der menſchlichen Freyheit nach dem Fall
geredt. Wie aber Pelagius eben deswegen keine
Gnade der Erneurung vor noͤhtig hielte; ſo muß
ſie auch in dem Dippelſchen Syſtemate unnuͤtz und
vergeblich ſeyn. Es kan alſo/ was J. C. Dippel
von der Erloͤſung JEſu Chriſti ſchreibt/ daß ſol-
che lediglich auf eine Befreyung von der Neigung
zu ſuͤndigen gerichtet ſeyn ſoll/ nicht anders als ein
fruchtloſer Diſcurs angeſehen werden. Wie iſt
ein Fall moͤglich/ in welchem derjenige/ ſo in voͤlli-
ger Freyheit ſteht/ eines Erloͤſers gebraucht? Die
hieher gehoͤrige Lehren und ſelbſt die Beſchreibung
vom Glauben ſind nach der Verwirrung/ ſo in J. C.
Dippels Geiſt wohnet/ alſo abgefaßt/ daß man dar-
aus nicht anders begreiffen kan/ als daß man Chri-
ſto ſoll alles bringẽ/ was man von ihm begehrt; man
ſoll ſich ſelbſt erloͤſen/ um von ihm erloͤſet zu werden;
man ſoll ſich verleugnen und die Suͤnde verlaſſen/
damit er die Suͤnde mit der Wurtzel hinwegnehme.
Es iſt aber auch die Sache ſelbſt falſch und irrig.
Die Schrift redet von dem menſchlichen Unvermoͤ-
gen in dem Geiſtlichen gar zu deutlich. Gen. VI. 5.
Rom. VII. 14, 19, 23. 2 Cor. III. 5. 1 Cor. II. 14.
Gal. V. 17. &c. Uberdem iſt eine ſolche Freyheit
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