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Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.

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daher entstandene Stiche des Ge-
wissens mit allen übrigen Straf-
fen gäntzlich hinweg nehmen/ es
dem Menschen an dem köstlich-
sten Begriff und der heilsamsten
Erkänntnüß natürlicher Weise
fehlen müsse?

Erläuterung.

Die Vernunft erkennet/ daß das göttl. Mißge-
fallen an dem moralischen Bösen sich nohtwendig
äusern und offenbaren müsse. (quaest. 21.) Da sie nun
unmöglich sich auf einen andern Fall/ als daß
solches an dem Ubertreter selbst geschehe/ (Er-
läuter. quaest. 21.) besinnen kan; so ist offenbar/
daß sie nicht mit dem geringsten Schein der
Warheit könne muhtmassen/ GOtt werde die
Sünde/ die würcklich geschehen ist/ als nicht ge-
schehen ansehen und die daher erregte Unruhe
im Gewissen mit denen übrigen unseligen Wir-
ckungen hinwegnehmen. Wolte man dagegen ein-
wenden/ daß GOtt auch auf die vollenkommenste
Art liebe und in so fern gar geneigt seyn müsse/
seine vernünftige Geschöpffe von ihrem unseligen
Zustande zu befreyen/ wenn sie es sonst von ihm
begehren und ihn darum demühtig anflehen: so ist
bereits darauf geantwortet. (Erläut. quaest. 30. p.
70.) Uberdem hat man wohl zu überlegen/ ob GOtt

das/


daher entſtandene Stiche des Ge-
wiſſens mit allen uͤbrigen Straf-
fen gaͤntzlich hinweg nehmen/ es
dem Menſchen an dem koͤſtlich-
ſten Begriff und der heilſamſten
Erkaͤnntnuͤß natuͤrlicher Weiſe
fehlen muͤſſe?

Erlaͤuterung.

Die Vernunft erkennet/ daß das goͤttl. Mißge-
fallen an dem moraliſchen Boͤſen ſich nohtwendig
aͤuſern und offenbaren muͤſſe. (quæſt. 21.) Da ſie nun
unmoͤglich ſich auf einen andern Fall/ als daß
ſolches an dem Ubertreter ſelbſt geſchehe/ (Er-
laͤuter. quæſt. 21.) beſinnen kan; ſo iſt offenbar/
daß ſie nicht mit dem geringſten Schein der
Warheit koͤnne muhtmaſſen/ GOtt werde die
Suͤnde/ die wuͤrcklich geſchehen iſt/ als nicht ge-
ſchehen anſehen und die daher erregte Unruhe
im Gewiſſen mit denen uͤbrigen unſeligen Wir-
ckungen hinwegnehmen. Wolte man dagegen ein-
wenden/ daß GOtt auch auf die vollenkommenſte
Art liebe und in ſo fern gar geneigt ſeyn muͤſſe/
ſeine vernuͤnftige Geſchoͤpffe von ihrem unſeligen
Zuſtande zu befreyen/ wenn ſie es ſonſt von ihm
begehren und ihn darum demuͤhtig anflehen: ſo iſt
bereits darauf geantwortet. (Erlaͤut. quæſt. 30. p.
70.) Uberdem hat man wohl zu uͤberlegen/ ob GOtt

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[92/0144] daher entſtandene Stiche des Ge- wiſſens mit allen uͤbrigen Straf- fen gaͤntzlich hinweg nehmen/ es dem Menſchen an dem koͤſtlich- ſten Begriff und der heilſamſten Erkaͤnntnuͤß natuͤrlicher Weiſe fehlen muͤſſe? Erlaͤuterung. Die Vernunft erkennet/ daß das goͤttl. Mißge- fallen an dem moraliſchen Boͤſen ſich nohtwendig aͤuſern und offenbaren muͤſſe. (quæſt. 21.) Da ſie nun unmoͤglich ſich auf einen andern Fall/ als daß ſolches an dem Ubertreter ſelbſt geſchehe/ (Er- laͤuter. quæſt. 21.) beſinnen kan; ſo iſt offenbar/ daß ſie nicht mit dem geringſten Schein der Warheit koͤnne muhtmaſſen/ GOtt werde die Suͤnde/ die wuͤrcklich geſchehen iſt/ als nicht ge- ſchehen anſehen und die daher erregte Unruhe im Gewiſſen mit denen uͤbrigen unſeligen Wir- ckungen hinwegnehmen. Wolte man dagegen ein- wenden/ daß GOtt auch auf die vollenkommenſte Art liebe und in ſo fern gar geneigt ſeyn muͤſſe/ ſeine vernuͤnftige Geſchoͤpffe von ihrem unſeligen Zuſtande zu befreyen/ wenn ſie es ſonſt von ihm begehren und ihn darum demuͤhtig anflehen: ſo iſt bereits darauf geantwortet. (Erlaͤut. quæſt. 30. p. 70.) Uberdem hat man wohl zu uͤberlegen/ ob GOtt das/

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Zitationshilfe: Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/144>, abgerufen am 21.11.2024.