Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.

Bild:
<< vorherige Seite



daß er in Betracht seiner Fehler und Unvollen-
kommenheiten an das Zukünftige nicht ohne
Furcht und Grauen gedencken könne.

XXIX.
Ob nicht also offenbar/ daß das
Gesetz der Natur den Menschen
schon verdamme/ wenigstens ihn
wegen seines zukünftigen Zustan-
des in Furcht und Zweiffel lasse?

Erläuterung.

Die hierin begriffene Warheit ist aus dem
vorhergehenden klar genug. Das Eintzige/ was et-
wa dagegen möchte eingewandt werden/ wäre die-
ses/ daß/ wenn ja Gott sein Mißgefallen an dem mo-
rali
schen Bösen vermöge seiner Vollenkommenheit
müste offenbaren/ so würde es doch nur an denen
geschehen können/ die sich seinen Willen frevent-
lich widersetzt/ und seine Gebot aus der Acht ge-
lassen: Mit denen aber/ welche dasjenige gethan/
was ihnen zu thun möglich gewesen/ werde Gott/
weil er auch auf die vollenkommenste Art gütig
ist/ zufrieden seyn. Die Sache wäre aus der Ver-
nunft richtig. Da muß freylich der Satz gelten:
ultra posse nemo obligatur. Jch befürchte aber/
daß man denjenigen/ der auch nur denen Forde-
rungen des natürlichen Gesetzes ein Genüge
gethan/ nicht werde auf Erden finden. Es wird
nur eine kleine Prüfung nöhtig seyn/ um uns zu
überzeugen/ daß wir hätten mehr thun sollen und

kön-
E 2



daß er in Betracht ſeiner Fehler und Unvollen-
kommenheiten an das Zukuͤnftige nicht ohne
Furcht und Grauen gedencken koͤnne.

XXIX.
Ob nicht alſo offenbar/ daß das
Geſetz der Natur den Menſchen
ſchon verdamme/ wenigſtens ihn
wegen ſeines zukuͤnftigen Zuſtan-
des in Furcht und Zweiffel laſſe?

Erlaͤuterung.

Die hierin begriffene Warheit iſt aus dem
vorhergehenden klar genug. Das Eintzige/ was et-
wa dagegen moͤchte eingewandt werden/ waͤre die-
ſes/ daß/ wenn ja Gott ſein Mißgefallen an dem mo-
rali
ſchen Boͤſen vermoͤge ſeiner Vollenkommenheit
muͤſte offenbaren/ ſo wuͤrde es doch nur an denen
geſchehen koͤnnen/ die ſich ſeinen Willen frevent-
lich widerſetzt/ und ſeine Gebot aus der Acht ge-
laſſen: Mit denen aber/ welche dasjenige gethan/
was ihnen zu thun moͤglich geweſen/ werde Gott/
weil er auch auf die vollenkommenſte Art guͤtig
iſt/ zufrieden ſeyn. Die Sache waͤre aus der Ver-
nunft richtig. Da muß freylich der Satz gelten:
ultra poſſe nemo obligatur. Jch befuͤrchte aber/
daß man denjenigen/ der auch nur denen Forde-
rungen des natuͤrlichen Geſetzes ein Genuͤge
gethan/ nicht werde auf Erden finden. Es wird
nur eine kleine Pruͤfung noͤhtig ſeyn/ um uns zu
uͤberzeugen/ daß wir haͤtten mehr thun ſollen und

koͤn-
E 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0119" n="67"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
daß er in Betracht &#x017F;einer Fehler und Unvollen-<lb/>
kommenheiten an das Zuku&#x0364;nftige nicht ohne<lb/>
Furcht und Grauen gedencken ko&#x0364;nne.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">XXIX.</hi><lb/> <hi rendition="#b">Ob nicht al&#x017F;o offenbar/ daß das<lb/>
Ge&#x017F;etz der Natur den Men&#x017F;chen<lb/>
&#x017F;chon verdamme/ wenig&#x017F;tens ihn<lb/>
wegen &#x017F;eines zuku&#x0364;nftigen Zu&#x017F;tan-<lb/>
des in Furcht und Zweiffel la&#x017F;&#x017F;e?</hi> </head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Erla&#x0364;uterung.</hi> </hi> </p><lb/>
          <p>Die hierin begriffene Warheit i&#x017F;t aus dem<lb/>
vorhergehenden klar genug. Das Eintzige/ was et-<lb/>
wa dagegen mo&#x0364;chte eingewandt werden/ wa&#x0364;re die-<lb/>
&#x017F;es/ daß/ wenn ja Gott &#x017F;ein Mißgefallen an dem <hi rendition="#aq">mo-<lb/>
rali</hi>&#x017F;chen Bo&#x0364;&#x017F;en vermo&#x0364;ge &#x017F;einer Vollenkommenheit<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;te offenbaren/ &#x017F;o wu&#x0364;rde es doch nur an denen<lb/>
ge&#x017F;chehen ko&#x0364;nnen/ die &#x017F;ich &#x017F;einen Willen frevent-<lb/>
lich wider&#x017F;etzt/ und &#x017F;eine Gebot aus der Acht ge-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en: Mit denen aber/ welche dasjenige gethan/<lb/>
was ihnen zu thun mo&#x0364;glich gewe&#x017F;en/ werde Gott/<lb/>
weil er auch auf die vollenkommen&#x017F;te Art gu&#x0364;tig<lb/>
i&#x017F;t/ zufrieden &#x017F;eyn. Die Sache wa&#x0364;re aus der Ver-<lb/>
nunft richtig. Da muß freylich der Satz gelten:<lb/><hi rendition="#aq">ultra po&#x017F;&#x017F;e nemo obligatur.</hi> Jch befu&#x0364;rchte aber/<lb/>
daß man denjenigen/ der auch nur denen Forde-<lb/>
rungen des natu&#x0364;rlichen Ge&#x017F;etzes ein Genu&#x0364;ge<lb/>
gethan/ nicht werde auf Erden finden. Es wird<lb/>
nur eine kleine Pru&#x0364;fung no&#x0364;htig &#x017F;eyn/ um uns zu<lb/>
u&#x0364;berzeugen/ daß wir ha&#x0364;tten mehr thun &#x017F;ollen und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 2</fw><fw place="bottom" type="catch">ko&#x0364;n-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0119] daß er in Betracht ſeiner Fehler und Unvollen- kommenheiten an das Zukuͤnftige nicht ohne Furcht und Grauen gedencken koͤnne. XXIX. Ob nicht alſo offenbar/ daß das Geſetz der Natur den Menſchen ſchon verdamme/ wenigſtens ihn wegen ſeines zukuͤnftigen Zuſtan- des in Furcht und Zweiffel laſſe? Erlaͤuterung. Die hierin begriffene Warheit iſt aus dem vorhergehenden klar genug. Das Eintzige/ was et- wa dagegen moͤchte eingewandt werden/ waͤre die- ſes/ daß/ wenn ja Gott ſein Mißgefallen an dem mo- raliſchen Boͤſen vermoͤge ſeiner Vollenkommenheit muͤſte offenbaren/ ſo wuͤrde es doch nur an denen geſchehen koͤnnen/ die ſich ſeinen Willen frevent- lich widerſetzt/ und ſeine Gebot aus der Acht ge- laſſen: Mit denen aber/ welche dasjenige gethan/ was ihnen zu thun moͤglich geweſen/ werde Gott/ weil er auch auf die vollenkommenſte Art guͤtig iſt/ zufrieden ſeyn. Die Sache waͤre aus der Ver- nunft richtig. Da muß freylich der Satz gelten: ultra poſſe nemo obligatur. Jch befuͤrchte aber/ daß man denjenigen/ der auch nur denen Forde- rungen des natuͤrlichen Geſetzes ein Genuͤge gethan/ nicht werde auf Erden finden. Es wird nur eine kleine Pruͤfung noͤhtig ſeyn/ um uns zu uͤberzeugen/ daß wir haͤtten mehr thun ſollen und koͤn- E 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/119
Zitationshilfe: Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/119>, abgerufen am 22.12.2024.