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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 8. Lothar von Supplinburg (1125-1137).
Sachsen rühmte man seine Gerechtigkeit und Tapferkeit, seinen
geraden, soldatischen Sinn. Noch erinnerten wohl gelegentliche
Jähzornausbrüche an die rauheren Stürme der Jugend, um alsbald
wieder der milderen Ausgeglichenheit und Konfliktscheu des bedäch-
tigen und umsichtigen Alters Platz zu machen. Lothar erhob
sich vielleicht als der tüchtigste und kräftigste aus der Mittelmäßig-
keit der damaligen deutschen Laienfürsten, aber an Größe gebrach
es auch ihm, und es ist nicht nur ein Mangel unserer Quellen,
wenn sie uns Züge persönlicher Eigenart kaum von ihm zu berichten
wissen.

Nicht nur die sächsisch-partikularistischen Chroniken seiner
Zeit haben seiner Herrschertätigkeit hohes Lob gespendet, auch
ein Otto von Freising rühmt von ihm: wäre er nicht durch den
Tod abberufen, so würde er durch seine Kraft und sein Mühen
die Krone wieder zu ihrem ehemaligen Ansehen erhoben haben.
In scharfem Gegensatze dazu überwiegt in den neueren Darstellungen
eine sehr ungünstige Beurteilung, die hinsichtlich der unleugbaren
Schwächen seiner Kirchenpolitik nicht ganz unbegründet, im übrigen
aber durchaus einseitig und ungerecht ist.1) Man wird stets im
Auge zu behalten haben, daß Lothar seinen Ursprung weder ver-
leugnen konnte, noch wollte. Partikularismus und Kirche hatten
ihm zum Königtum verholfen. Auf sein sächsisches Herzogtum
gestützt und im Kampfe gegen die Zentralgewalt emporgestiegen,
dachte er nicht an die Bestrebungen eines selbstherrlichen König-
tums, wie sie noch Heinrich V. versucht hatte. Persönlich ganz
erfüllt von kirchlicher Ergebenheit und von seiner einflußreichen
Gemahlin Richenza, die oft fast als Mitregentin erschien, in dieser
Richtung nur bestärkt, durch sein eignes Interesse nicht nur in
seinen Anfängen, sondern auch weiterhin, namentlich im Kampf mit
dem staufischen Gegenkönigtum, auf das engste mit der Kirche ver-
knüpft, wollte er nicht neuen Streit mit ihr, sondern gegenseitige fried-
liche Förderung. Trotz aller Zugeständnisse, die schwächlich erschienen
und zum guten Teil auch waren, war seine Politik offenbar doch
nicht ziellos. Er machte den bemerkenswerten Versuch, ob sich
nicht bei voller Anerkennung der bisherigen partikularistischen und
kirchlichen Entwicklung etwa in ähnlicher Weise, wie er selbst zu

1) Bernhardi, Jahrb. d. d. Gesch.: Lothar v. Supplinburg 1879, das im
allgemeinen tüchtige Hauptwerk über den Kaiser, hält sich im Urteil noch
auf einer gewissen Mittellinie; ungerecht behandeln ihn dagegen Jastrow-Winter
und Hauck, dessen hier völlig verfehlte Darstellung ich Hist. Zeitschr. 93,
393 ff. eingehend geprüft habe. Giesebrecht schließt sich der zeitgenössischen
Auffassung enger an; günstiger lautet auch mit andrer Begründung das Urteil
in Richters Ann. III. Ähnlich D. Schäfer, Worms. Konk. S. 37.

§ 8. Lothar von Supplinburg (1125‒1137).
Sachsen rühmte man seine Gerechtigkeit und Tapferkeit, seinen
geraden, soldatischen Sinn. Noch erinnerten wohl gelegentliche
Jähzornausbrüche an die rauheren Stürme der Jugend, um alsbald
wieder der milderen Ausgeglichenheit und Konfliktscheu des bedäch-
tigen und umsichtigen Alters Platz zu machen. Lothar erhob
sich vielleicht als der tüchtigste und kräftigste aus der Mittelmäßig-
keit der damaligen deutschen Laienfürsten, aber an Größe gebrach
es auch ihm, und es ist nicht nur ein Mangel unserer Quellen,
wenn sie uns Züge persönlicher Eigenart kaum von ihm zu berichten
wissen.

Nicht nur die sächsisch-partikularistischen Chroniken seiner
Zeit haben seiner Herrschertätigkeit hohes Lob gespendet, auch
ein Otto von Freising rühmt von ihm: wäre er nicht durch den
Tod abberufen, so würde er durch seine Kraft und sein Mühen
die Krone wieder zu ihrem ehemaligen Ansehen erhoben haben.
In scharfem Gegensatze dazu überwiegt in den neueren Darstellungen
eine sehr ungünstige Beurteilung, die hinsichtlich der unleugbaren
Schwächen seiner Kirchenpolitik nicht ganz unbegründet, im übrigen
aber durchaus einseitig und ungerecht ist.1) Man wird stets im
Auge zu behalten haben, daß Lothar seinen Ursprung weder ver-
leugnen konnte, noch wollte. Partikularismus und Kirche hatten
ihm zum Königtum verholfen. Auf sein sächsisches Herzogtum
gestützt und im Kampfe gegen die Zentralgewalt emporgestiegen,
dachte er nicht an die Bestrebungen eines selbstherrlichen König-
tums, wie sie noch Heinrich V. versucht hatte. Persönlich ganz
erfüllt von kirchlicher Ergebenheit und von seiner einflußreichen
Gemahlin Richenza, die oft fast als Mitregentin erschien, in dieser
Richtung nur bestärkt, durch sein eignes Interesse nicht nur in
seinen Anfängen, sondern auch weiterhin, namentlich im Kampf mit
dem staufischen Gegenkönigtum, auf das engste mit der Kirche ver-
knüpft, wollte er nicht neuen Streit mit ihr, sondern gegenseitige fried-
liche Förderung. Trotz aller Zugeständnisse, die schwächlich erschienen
und zum guten Teil auch waren, war seine Politik offenbar doch
nicht ziellos. Er machte den bemerkenswerten Versuch, ob sich
nicht bei voller Anerkennung der bisherigen partikularistischen und
kirchlichen Entwicklung etwa in ähnlicher Weise, wie er selbst zu

1) Bernhardi, Jahrb. d. d. Gesch.: Lothar v. Supplinburg 1879, das im
allgemeinen tüchtige Hauptwerk über den Kaiser, hält sich im Urteil noch
auf einer gewissen Mittellinie; ungerecht behandeln ihn dagegen Jastrow-Winter
und Hauck, dessen hier völlig verfehlte Darstellung ich Hist. Zeitschr. 93,
393 ff. eingehend geprüft habe. Giesebrecht schließt sich der zeitgenössischen
Auffassung enger an; günstiger lautet auch mit andrer Begründung das Urteil
in Richters Ann. III. Ähnlich D. Schäfer, Worms. Konk. S. 37.
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[91/0099] § 8. Lothar von Supplinburg (1125‒1137). Sachsen rühmte man seine Gerechtigkeit und Tapferkeit, seinen geraden, soldatischen Sinn. Noch erinnerten wohl gelegentliche Jähzornausbrüche an die rauheren Stürme der Jugend, um alsbald wieder der milderen Ausgeglichenheit und Konfliktscheu des bedäch- tigen und umsichtigen Alters Platz zu machen. Lothar erhob sich vielleicht als der tüchtigste und kräftigste aus der Mittelmäßig- keit der damaligen deutschen Laienfürsten, aber an Größe gebrach es auch ihm, und es ist nicht nur ein Mangel unserer Quellen, wenn sie uns Züge persönlicher Eigenart kaum von ihm zu berichten wissen. Nicht nur die sächsisch-partikularistischen Chroniken seiner Zeit haben seiner Herrschertätigkeit hohes Lob gespendet, auch ein Otto von Freising rühmt von ihm: wäre er nicht durch den Tod abberufen, so würde er durch seine Kraft und sein Mühen die Krone wieder zu ihrem ehemaligen Ansehen erhoben haben. In scharfem Gegensatze dazu überwiegt in den neueren Darstellungen eine sehr ungünstige Beurteilung, die hinsichtlich der unleugbaren Schwächen seiner Kirchenpolitik nicht ganz unbegründet, im übrigen aber durchaus einseitig und ungerecht ist. 1) Man wird stets im Auge zu behalten haben, daß Lothar seinen Ursprung weder ver- leugnen konnte, noch wollte. Partikularismus und Kirche hatten ihm zum Königtum verholfen. Auf sein sächsisches Herzogtum gestützt und im Kampfe gegen die Zentralgewalt emporgestiegen, dachte er nicht an die Bestrebungen eines selbstherrlichen König- tums, wie sie noch Heinrich V. versucht hatte. Persönlich ganz erfüllt von kirchlicher Ergebenheit und von seiner einflußreichen Gemahlin Richenza, die oft fast als Mitregentin erschien, in dieser Richtung nur bestärkt, durch sein eignes Interesse nicht nur in seinen Anfängen, sondern auch weiterhin, namentlich im Kampf mit dem staufischen Gegenkönigtum, auf das engste mit der Kirche ver- knüpft, wollte er nicht neuen Streit mit ihr, sondern gegenseitige fried- liche Förderung. Trotz aller Zugeständnisse, die schwächlich erschienen und zum guten Teil auch waren, war seine Politik offenbar doch nicht ziellos. Er machte den bemerkenswerten Versuch, ob sich nicht bei voller Anerkennung der bisherigen partikularistischen und kirchlichen Entwicklung etwa in ähnlicher Weise, wie er selbst zu 1) Bernhardi, Jahrb. d. d. Gesch.: Lothar v. Supplinburg 1879, das im allgemeinen tüchtige Hauptwerk über den Kaiser, hält sich im Urteil noch auf einer gewissen Mittellinie; ungerecht behandeln ihn dagegen Jastrow-Winter und Hauck, dessen hier völlig verfehlte Darstellung ich Hist. Zeitschr. 93, 393 ff. eingehend geprüft habe. Giesebrecht schließt sich der zeitgenössischen Auffassung enger an; günstiger lautet auch mit andrer Begründung das Urteil in Richters Ann. III. Ähnlich D. Schäfer, Worms. Konk. S. 37.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/99>, abgerufen am 22.11.2024.