Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Geschichtschreibung.
kaiserliche Pfalzrichter Otto und sein Sohn Acerbus Morena für die
Jahre 1153-67 mit bemerkenswerter Gabe der Persönlichkeitschilderung
verfaßten (Forts. bis 1168) und die in Mailand von einem unbekannten, nach
gerechtem Urteil strebenden Laien geschriebenen Taten Kaiser Friedrichs
in der Lombardei
1154-77 (SS. r. G.), die später (um 1230) der Placentiner
Notar Johannes Codagnellus mit leidenschaftlicher guelfischer Parteinahme
umarbeitete. Derselbe verfaßte auch kaiserfeindliche, inhaltreiche Annalen
von Piacenza
bis 1235 (SS. r. G.), und von diesem Grunde vor allem aus-
gehend, hat ein andrer Placentiner Bürger die Annalen mit ausgesprochen
ghibellinischer Färbung fortgeführt bis 1284, für den Ausgang der Staufer
eine Quelle ersten Ranges (weder die Ausg. M. G. SS. XVIII, noch die von
Huillard-Breholles 1856 ist ganz genügend). Eine noch großartigere offiziell
städtische Annalistik hat Genua erzeugt, wo zuerst Cafaro die Jahre
1099-1163 beschrieb, dann wechselnde, von der Stadt beauftragte Verfasser
das Werk bis 1294 fortführten (Ausg. v. Belgrano in Fonti p. la storia d'Italia XI).
Damit kann sich die Geschichtschreibung der Konkurrentin Pisa nicht messen,
höchstens für die ältere Zeit bis 1175, bis wohin die Annalen des Bernardo
Marangone
reichen. Es ist indes nicht möglich, hier die sich immer reicher
entwickelnden Annalen der italienischen Städte, die fast alle für die Geschichte
der späteren Staufer mehr oder weniger Stoff bieten, durch das 13. Jahrh.
auch nur in ihren wichtigeren Erzeugnissen zu verfolgen. Verbindet auch die
Persönlichkeit Friedrichs II. noch die Reiche, so löst sich die Entwicklung
Italiens doch mehr und mehr von der deutschen. Besonders inhaltreich ist
die Chronistik von Parma (namentlich die größeren Annalen v. 1165-1335)
und die von Padua (Chronik des Rolandin 1200-1260 und Annalen v.
S. Giustina
1207-1270). Aber auch aus fast jeder anderen bedeutenderen
Stadt sind zum mindesten kurze Annalen überliefert. Umfassendere Welt-
chroniken
schrieben Bischof Sicard v. Cremona bis 1212 (fortges. bis
1218) und Albert Milioli, Notar v. Reggio, in seinem Zeitbuche bis
1286 (fortges. bis 1290), auf dem sich die hier nur noch zum Teil in Betracht
kommende Chronik des Minoriten Salimbene v. Adam aus Parma bis 1287 auf-
baut, vielleicht das farbenreichste und lebensprühendste Geschichtswerk des ge-
samten Mittelalters (diese drei Chroniken jetzt ausschließlich in den neuen Ausgaben
Holder-Eggers M. G. SS. XXXI, XXXII zu benutzen). -- Von den historischen
Quellen des Königreichs Sizilien sei hier wegen ihrer nahen Beziehung zur
Reichsgeschichte nur die Chronik des Notars Richard v. S. Germano
hervorgehoben, zu deren in den M. G. allein gedruckter, umfassenderer und
jüngerer Redaktion von 1189-1243 durch den Fund Gaudenzi's eine ältere
ausführlichere Redaktion für die Jahre 1208-26 hinzugetreten ist (Societa
Napoletana di storia patria, Monum. storici, ser. I. Cronache 1888).

Mit dieser reichen historiographischen Entwicklung Italiens vermag die
deutsche im 13. Jahrh. nicht mehr Schritt zu halten. Die auf scholastische
Philosophie und Jurisprudenz gerichteten Neigungen der Zeit, die Unruhe
der Geister, die wachsende Anteilnahme der Laien, die in Deutschland an
Bildung derjenigen der Romanen nicht gewachsen sind, damit zusammen-
hängend die Popularisierung des historischen Stoffes und seine vor allem
durch die Bettelmönche alsbald vollzogene Zurichtung für die Zwecke der
Predigt und Diskussion, alles das ist einer nach der Wahrheit der Dinge
strebenden Geschichtschreibung wenig förderlich. Unterhaltungsbücher, wie
die Otto IV. nach 1214 überreichten "kaiserlichen Mußestunden" des Ger-
vasius v. Tilbury
(Leibniz, SS. rer. Brunsvic. I. II) und die novellistischen
Wundererzählungen des Caesarius v. Heisterbach (Dialogus Miraculorum
hrsg. v. Strange 1851; Miraculorum libri VIII hrsg. v. Meister 1901) sind jetzt
mehr nach dem Geschmacke der Zeit. Auch umfassende, aber ganz unkritische

II. Geschichtschreibung.
kaiserliche Pfalzrichter Otto und sein Sohn Acerbus Morena für die
Jahre 1153‒67 mit bemerkenswerter Gabe der Persönlichkeitschilderung
verfaßten (Forts. bis 1168) und die in Mailand von einem unbekannten, nach
gerechtem Urteil strebenden Laien geschriebenen Taten Kaiser Friedrichs
in der Lombardei
1154‒77 (SS. r. G.), die später (um 1230) der Placentiner
Notar Johannes Codagnellus mit leidenschaftlicher guelfischer Parteinahme
umarbeitete. Derselbe verfaßte auch kaiserfeindliche, inhaltreiche Annalen
von Piacenza
bis 1235 (SS. r. G.), und von diesem Grunde vor allem aus-
gehend, hat ein andrer Placentiner Bürger die Annalen mit ausgesprochen
ghibellinischer Färbung fortgeführt bis 1284, für den Ausgang der Staufer
eine Quelle ersten Ranges (weder die Ausg. M. G. SS. XVIII, noch die von
Huillard-Bréholles 1856 ist ganz genügend). Eine noch großartigere offiziell
städtische Annalistik hat Genua erzeugt, wo zuerst Cafaro die Jahre
1099‒1163 beschrieb, dann wechselnde, von der Stadt beauftragte Verfasser
das Werk bis 1294 fortführten (Ausg. v. Belgrano in Fonti p. la storia d'Italia XI).
Damit kann sich die Geschichtschreibung der Konkurrentin Pisa nicht messen,
höchstens für die ältere Zeit bis 1175, bis wohin die Annalen des Bernardo
Marangone
reichen. Es ist indes nicht möglich, hier die sich immer reicher
entwickelnden Annalen der italienischen Städte, die fast alle für die Geschichte
der späteren Staufer mehr oder weniger Stoff bieten, durch das 13. Jahrh.
auch nur in ihren wichtigeren Erzeugnissen zu verfolgen. Verbindet auch die
Persönlichkeit Friedrichs II. noch die Reiche, so löst sich die Entwicklung
Italiens doch mehr und mehr von der deutschen. Besonders inhaltreich ist
die Chronistik von Parma (namentlich die größeren Annalen v. 1165‒1335)
und die von Padua (Chronik des Rolandin 1200‒1260 und Annalen v.
S. Giustina
1207‒1270). Aber auch aus fast jeder anderen bedeutenderen
Stadt sind zum mindesten kurze Annalen überliefert. Umfassendere Welt-
chroniken
schrieben Bischof Sicard v. Cremona bis 1212 (fortges. bis
1218) und Albert Milioli, Notar v. Reggio, in seinem Zeitbuche bis
1286 (fortges. bis 1290), auf dem sich die hier nur noch zum Teil in Betracht
kommende Chronik des Minoriten Salimbene v. Adam aus Parma bis 1287 auf-
baut, vielleicht das farbenreichste und lebensprühendste Geschichtswerk des ge-
samten Mittelalters (diese drei Chroniken jetzt ausschließlich in den neuen Ausgaben
Holder-Eggers M. G. SS. XXXI, XXXII zu benutzen). — Von den historischen
Quellen des Königreichs Sizilien sei hier wegen ihrer nahen Beziehung zur
Reichsgeschichte nur die Chronik des Notars Richard v. S. Germano
hervorgehoben, zu deren in den M. G. allein gedruckter, umfassenderer und
jüngerer Redaktion von 1189‒1243 durch den Fund Gaudenzi's eine ältere
ausführlichere Redaktion für die Jahre 1208‒26 hinzugetreten ist (Società
Napoletana di storia patria, Monum. storici, ser. I. Cronache 1888).

Mit dieser reichen historiographischen Entwicklung Italiens vermag die
deutsche im 13. Jahrh. nicht mehr Schritt zu halten. Die auf scholastische
Philosophie und Jurisprudenz gerichteten Neigungen der Zeit, die Unruhe
der Geister, die wachsende Anteilnahme der Laien, die in Deutschland an
Bildung derjenigen der Romanen nicht gewachsen sind, damit zusammen-
hängend die Popularisierung des historischen Stoffes und seine vor allem
durch die Bettelmönche alsbald vollzogene Zurichtung für die Zwecke der
Predigt und Diskussion, alles das ist einer nach der Wahrheit der Dinge
strebenden Geschichtschreibung wenig förderlich. Unterhaltungsbücher, wie
die Otto IV. nach 1214 überreichten „kaiserlichen Mußestunden“ des Ger-
vasius v. Tilbury
(Leibniz, SS. rer. Brunsvic. I. II) und die novellistischen
Wundererzählungen des Caesarius v. Heisterbach (Dialogus Miraculorum
hrsg. v. Strange 1851; Miraculorum libri VIII hrsg. v. Meister 1901) sind jetzt
mehr nach dem Geschmacke der Zeit. Auch umfassende, aber ganz unkritische

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0095" n="87"/><fw place="top" type="header">II. Geschichtschreibung.</fw><lb/>
kaiserliche Pfalzrichter <hi rendition="#g">Otto</hi> und sein Sohn <hi rendition="#g">Acerbus Morena</hi> für die<lb/>
Jahre 1153&#x2012;67 mit bemerkenswerter Gabe der Persönlichkeitschilderung<lb/>
verfaßten (Forts. bis 1168) und die in <hi rendition="#g">Mailand</hi> von einem unbekannten, nach<lb/>
gerechtem Urteil strebenden Laien geschriebenen <hi rendition="#g">Taten Kaiser Friedrichs<lb/>
in der Lombardei</hi> 1154&#x2012;77 (SS. r. G.), die später (um 1230) der Placentiner<lb/>
Notar <hi rendition="#g">Johannes Codagnellus</hi> mit leidenschaftlicher guelfischer Parteinahme<lb/>
umarbeitete. Derselbe verfaßte auch kaiserfeindliche, inhaltreiche <hi rendition="#g">Annalen<lb/>
von Piacenza</hi> bis 1235 (SS. r. G.), und von diesem Grunde vor allem aus-<lb/>
gehend, hat ein andrer <hi rendition="#g">Placentiner</hi> Bürger die <hi rendition="#g">Annalen</hi> mit ausgesprochen<lb/><hi rendition="#g">ghibellinischer Färbung</hi> fortgeführt bis 1284, für den Ausgang der Staufer<lb/>
eine Quelle ersten Ranges (weder die Ausg. M. G. SS. XVIII, noch die von<lb/>
Huillard-Bréholles 1856 ist ganz genügend). Eine noch großartigere offiziell<lb/>
städtische <hi rendition="#g">Annalistik</hi> hat <hi rendition="#g">Genua</hi> erzeugt, wo zuerst <hi rendition="#g">Cafaro</hi> die Jahre<lb/>
1099&#x2012;1163 beschrieb, dann wechselnde, von der Stadt beauftragte Verfasser<lb/>
das Werk bis 1294 fortführten (Ausg. v. Belgrano in Fonti p. la storia d'Italia XI).<lb/>
Damit kann sich die Geschichtschreibung der Konkurrentin <hi rendition="#g">Pisa</hi> nicht messen,<lb/>
höchstens für die ältere Zeit bis 1175, bis wohin die <hi rendition="#g">Annalen</hi> des <hi rendition="#g">Bernardo<lb/>
Marangone</hi> reichen. Es ist indes nicht möglich, hier die sich immer reicher<lb/>
entwickelnden Annalen der italienischen Städte, die fast alle für die Geschichte<lb/>
der späteren Staufer mehr oder weniger Stoff bieten, durch das 13. Jahrh.<lb/>
auch nur in ihren wichtigeren Erzeugnissen zu verfolgen. Verbindet auch die<lb/>
Persönlichkeit Friedrichs II. noch die Reiche, so löst sich die Entwicklung<lb/>
Italiens doch mehr und mehr von der deutschen. Besonders inhaltreich ist<lb/>
die Chronistik von <hi rendition="#g">Parma</hi> (namentlich die größeren Annalen v. 1165&#x2012;1335)<lb/>
und die von <hi rendition="#g">Padua</hi> (Chronik des <hi rendition="#g">Rolandin</hi> 1200&#x2012;1260 und <hi rendition="#g">Annalen v.<lb/>
S. Giustina</hi> 1207&#x2012;1270). Aber auch aus fast jeder anderen bedeutenderen<lb/>
Stadt sind zum mindesten kurze Annalen überliefert. Umfassendere <hi rendition="#g">Welt-<lb/>
chroniken</hi> schrieben Bischof <hi rendition="#g">Sicard v. Cremona</hi> bis 1212 (fortges. bis<lb/>
1218) und <hi rendition="#g">Albert Milioli</hi>, Notar v. <hi rendition="#g">Reggio</hi>, in seinem <hi rendition="#g">Zeitbuche</hi> bis<lb/>
1286 (fortges. bis 1290), auf dem sich die hier nur noch zum Teil in Betracht<lb/>
kommende Chronik des Minoriten <hi rendition="#g">Salimbene v. Adam</hi> aus <hi rendition="#g">Parma</hi> bis 1287 auf-<lb/>
baut, vielleicht das farbenreichste und lebensprühendste Geschichtswerk des ge-<lb/>
samten Mittelalters (diese drei Chroniken jetzt ausschließlich in den neuen Ausgaben<lb/>
Holder-Eggers M. G. SS. XXXI, XXXII zu benutzen). &#x2014; Von den historischen<lb/>
Quellen des Königreichs <hi rendition="#g">Sizilien</hi> sei hier wegen ihrer nahen Beziehung zur<lb/>
Reichsgeschichte nur die Chronik des Notars <hi rendition="#g">Richard</hi> v. S. <hi rendition="#g">Germano</hi><lb/>
hervorgehoben, zu deren in den M. G. allein gedruckter, umfassenderer und<lb/>
jüngerer Redaktion von 1189&#x2012;1243 durch den Fund Gaudenzi's eine ältere<lb/>
ausführlichere Redaktion für die Jahre 1208&#x2012;26 hinzugetreten ist (Società<lb/>
Napoletana di storia patria, Monum. storici, ser. I. Cronache 1888).</p><lb/>
        <p>Mit dieser reichen historiographischen Entwicklung Italiens vermag die<lb/><hi rendition="#g">deutsche</hi> im 13. Jahrh. nicht mehr Schritt zu halten. Die auf scholastische<lb/>
Philosophie und Jurisprudenz gerichteten Neigungen der Zeit, die Unruhe<lb/>
der Geister, die wachsende Anteilnahme der Laien, die in Deutschland an<lb/>
Bildung derjenigen der Romanen nicht gewachsen sind, damit zusammen-<lb/>
hängend die Popularisierung des historischen Stoffes und seine vor allem<lb/>
durch die Bettelmönche alsbald vollzogene Zurichtung für die Zwecke der<lb/>
Predigt und Diskussion, alles das ist einer nach der Wahrheit der Dinge<lb/>
strebenden Geschichtschreibung wenig förderlich. Unterhaltungsbücher, wie<lb/>
die Otto IV. nach 1214 überreichten &#x201E;kaiserlichen Mußestunden&#x201C; des <hi rendition="#g">Ger-<lb/>
vasius v. Tilbury</hi> (Leibniz, SS. rer. Brunsvic. I. II) und die novellistischen<lb/>
Wundererzählungen des <hi rendition="#g">Caesarius v. Heisterbach</hi> (Dialogus Miraculorum<lb/>
hrsg. v. Strange 1851; Miraculorum libri VIII hrsg. v. Meister 1901) sind jetzt<lb/>
mehr nach dem Geschmacke der Zeit. Auch umfassende, aber ganz unkritische<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0095] II. Geschichtschreibung. kaiserliche Pfalzrichter Otto und sein Sohn Acerbus Morena für die Jahre 1153‒67 mit bemerkenswerter Gabe der Persönlichkeitschilderung verfaßten (Forts. bis 1168) und die in Mailand von einem unbekannten, nach gerechtem Urteil strebenden Laien geschriebenen Taten Kaiser Friedrichs in der Lombardei 1154‒77 (SS. r. G.), die später (um 1230) der Placentiner Notar Johannes Codagnellus mit leidenschaftlicher guelfischer Parteinahme umarbeitete. Derselbe verfaßte auch kaiserfeindliche, inhaltreiche Annalen von Piacenza bis 1235 (SS. r. G.), und von diesem Grunde vor allem aus- gehend, hat ein andrer Placentiner Bürger die Annalen mit ausgesprochen ghibellinischer Färbung fortgeführt bis 1284, für den Ausgang der Staufer eine Quelle ersten Ranges (weder die Ausg. M. G. SS. XVIII, noch die von Huillard-Bréholles 1856 ist ganz genügend). Eine noch großartigere offiziell städtische Annalistik hat Genua erzeugt, wo zuerst Cafaro die Jahre 1099‒1163 beschrieb, dann wechselnde, von der Stadt beauftragte Verfasser das Werk bis 1294 fortführten (Ausg. v. Belgrano in Fonti p. la storia d'Italia XI). Damit kann sich die Geschichtschreibung der Konkurrentin Pisa nicht messen, höchstens für die ältere Zeit bis 1175, bis wohin die Annalen des Bernardo Marangone reichen. Es ist indes nicht möglich, hier die sich immer reicher entwickelnden Annalen der italienischen Städte, die fast alle für die Geschichte der späteren Staufer mehr oder weniger Stoff bieten, durch das 13. Jahrh. auch nur in ihren wichtigeren Erzeugnissen zu verfolgen. Verbindet auch die Persönlichkeit Friedrichs II. noch die Reiche, so löst sich die Entwicklung Italiens doch mehr und mehr von der deutschen. Besonders inhaltreich ist die Chronistik von Parma (namentlich die größeren Annalen v. 1165‒1335) und die von Padua (Chronik des Rolandin 1200‒1260 und Annalen v. S. Giustina 1207‒1270). Aber auch aus fast jeder anderen bedeutenderen Stadt sind zum mindesten kurze Annalen überliefert. Umfassendere Welt- chroniken schrieben Bischof Sicard v. Cremona bis 1212 (fortges. bis 1218) und Albert Milioli, Notar v. Reggio, in seinem Zeitbuche bis 1286 (fortges. bis 1290), auf dem sich die hier nur noch zum Teil in Betracht kommende Chronik des Minoriten Salimbene v. Adam aus Parma bis 1287 auf- baut, vielleicht das farbenreichste und lebensprühendste Geschichtswerk des ge- samten Mittelalters (diese drei Chroniken jetzt ausschließlich in den neuen Ausgaben Holder-Eggers M. G. SS. XXXI, XXXII zu benutzen). — Von den historischen Quellen des Königreichs Sizilien sei hier wegen ihrer nahen Beziehung zur Reichsgeschichte nur die Chronik des Notars Richard v. S. Germano hervorgehoben, zu deren in den M. G. allein gedruckter, umfassenderer und jüngerer Redaktion von 1189‒1243 durch den Fund Gaudenzi's eine ältere ausführlichere Redaktion für die Jahre 1208‒26 hinzugetreten ist (Società Napoletana di storia patria, Monum. storici, ser. I. Cronache 1888). Mit dieser reichen historiographischen Entwicklung Italiens vermag die deutsche im 13. Jahrh. nicht mehr Schritt zu halten. Die auf scholastische Philosophie und Jurisprudenz gerichteten Neigungen der Zeit, die Unruhe der Geister, die wachsende Anteilnahme der Laien, die in Deutschland an Bildung derjenigen der Romanen nicht gewachsen sind, damit zusammen- hängend die Popularisierung des historischen Stoffes und seine vor allem durch die Bettelmönche alsbald vollzogene Zurichtung für die Zwecke der Predigt und Diskussion, alles das ist einer nach der Wahrheit der Dinge strebenden Geschichtschreibung wenig förderlich. Unterhaltungsbücher, wie die Otto IV. nach 1214 überreichten „kaiserlichen Mußestunden“ des Ger- vasius v. Tilbury (Leibniz, SS. rer. Brunsvic. I. II) und die novellistischen Wundererzählungen des Caesarius v. Heisterbach (Dialogus Miraculorum hrsg. v. Strange 1851; Miraculorum libri VIII hrsg. v. Meister 1901) sind jetzt mehr nach dem Geschmacke der Zeit. Auch umfassende, aber ganz unkritische

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/95
Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/95>, abgerufen am 22.11.2024.