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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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I. Die Zeit der Salier.
Sohnes, der in schwieriger Lage für die Krone rettete, was noch zu
retten war.

Wer weiß, was ihm bei längerem Leben noch gelungen sein
würde; seinen Fähigkeiten nach wäre er wohl der Mann gewesen,
die gebliebenen Kräfte des Königtums zusammenzufassen und zu
mehren, wie er denn etwa die einzige wichtige Zentralbehörde, die
Reichskanzlei, zu einer Einheit für alle drei Teile des Imperiums
umgestaltete. Indes die kurze Spanne Zeit, die ihm noch vergönnt
war, ließ es sonst nur zu bedeutsamen Ansätzen kommen, denen
das Vollbringen versagt blieb. Wir hören von dem Plane einer
Steuerverfassung nach englisch-normannischem Vorbild. Die durch
seine Gemahlin vermittelten englischen Beziehungen wurden auch
für die äußere Politik wichtig und verwickelten Heinrich in west-
liche Kämpfe. Unser Blick darf wohl einen Augenblick bei der
überraschenden Aussicht verweilen, daß Mathilde, wenn sie dem
Kaiser eine Nachkommenschaft geboren hätte, auf diese auch ihr
englisches Erbrecht übertragen und so eine Vereinigung Englands
mit dem Imperium in ähnlicher Weise in den Bereich der Mög-
lichkeit gerückt hätte, wie sie tatsächlich später durch ihre zweite
Ehe mit dem Grafen Gottfried von Anjou als Stammmutter der
Plantagenets den Grund zu der Verbindung von halb Frankreich
mit ihrer Heimatinsel gelegt hat. Eben diese Kinderlosigkeit des
kränklichen Kaisers war für das Reich ein böses Verhängnis, das
den Neid wachruft gegen die kinderreicheren Capetinger. Wenn
irgendwann, so waren jetzt, unmittelbar nach dem Friedenschluß,
ein ruhiges Einleben in die neuen Verhältnisse und ein langsamer
Wiederaufbau der Macht notwendig; nun drohte schon nach
wenigen Jahren ein Dynastiewechsel mit seinen kaum vermeid-
lichen Störungen der Ordnung und Schwankungen der Politik.
Heinrich selbst betrachtete seine Neffen, die staufischen Brüder
Friedrich und Konrad, als die natürlichen Erben seiner Herrschaft,
wie des salischen Besitzes. Aber ob auch die Fürsten ihr neu-
gekräftigtes Wahlrecht in diesem Sinne gebrauchen würden, stand
doch dahin. Als Heinrich 1125 mit 44 Jahren an einem Krebs-
leiden starb, stand er eben vor neuen Kämpfen mit Lothar von
Sachsen, Adalbert von Mainz und anderen alten Gegnern. Man
wird kaum sagen dürfen, daß es ihm bei längerem Leben nicht
hätte gelingen können, diesen Widerstand endgültig niederzu-
werfen, und daß er daher in der innerdeutschen Politik gescheitert
wäre. Aber nun er vor der Zeit von der Bühne abberufen
wurde, ließ er unüberbrückbare Gegensätze hinter sich zurück,
die durch die wiederauflebenden kirchlichen Streitfragen noch ver-
schärft wurden. --

I. Die Zeit der Salier.
Sohnes, der in schwieriger Lage für die Krone rettete, was noch zu
retten war.

Wer weiß, was ihm bei längerem Leben noch gelungen sein
würde; seinen Fähigkeiten nach wäre er wohl der Mann gewesen,
die gebliebenen Kräfte des Königtums zusammenzufassen und zu
mehren, wie er denn etwa die einzige wichtige Zentralbehörde, die
Reichskanzlei, zu einer Einheit für alle drei Teile des Imperiums
umgestaltete. Indes die kurze Spanne Zeit, die ihm noch vergönnt
war, ließ es sonst nur zu bedeutsamen Ansätzen kommen, denen
das Vollbringen versagt blieb. Wir hören von dem Plane einer
Steuerverfassung nach englisch-normannischem Vorbild. Die durch
seine Gemahlin vermittelten englischen Beziehungen wurden auch
für die äußere Politik wichtig und verwickelten Heinrich in west-
liche Kämpfe. Unser Blick darf wohl einen Augenblick bei der
überraschenden Aussicht verweilen, daß Mathilde, wenn sie dem
Kaiser eine Nachkommenschaft geboren hätte, auf diese auch ihr
englisches Erbrecht übertragen und so eine Vereinigung Englands
mit dem Imperium in ähnlicher Weise in den Bereich der Mög-
lichkeit gerückt hätte, wie sie tatsächlich später durch ihre zweite
Ehe mit dem Grafen Gottfried von Anjou als Stammmutter der
Plantagenets den Grund zu der Verbindung von halb Frankreich
mit ihrer Heimatinsel gelegt hat. Eben diese Kinderlosigkeit des
kränklichen Kaisers war für das Reich ein böses Verhängnis, das
den Neid wachruft gegen die kinderreicheren Capetinger. Wenn
irgendwann, so waren jetzt, unmittelbar nach dem Friedenschluß,
ein ruhiges Einleben in die neuen Verhältnisse und ein langsamer
Wiederaufbau der Macht notwendig; nun drohte schon nach
wenigen Jahren ein Dynastiewechsel mit seinen kaum vermeid-
lichen Störungen der Ordnung und Schwankungen der Politik.
Heinrich selbst betrachtete seine Neffen, die staufischen Brüder
Friedrich und Konrad, als die natürlichen Erben seiner Herrschaft,
wie des salischen Besitzes. Aber ob auch die Fürsten ihr neu-
gekräftigtes Wahlrecht in diesem Sinne gebrauchen würden, stand
doch dahin. Als Heinrich 1125 mit 44 Jahren an einem Krebs-
leiden starb, stand er eben vor neuen Kämpfen mit Lothar von
Sachsen, Adalbert von Mainz und anderen alten Gegnern. Man
wird kaum sagen dürfen, daß es ihm bei längerem Leben nicht
hätte gelingen können, diesen Widerstand endgültig niederzu-
werfen, und daß er daher in der innerdeutschen Politik gescheitert
wäre. Aber nun er vor der Zeit von der Bühne abberufen
wurde, ließ er unüberbrückbare Gegensätze hinter sich zurück,
die durch die wiederauflebenden kirchlichen Streitfragen noch ver-
schärft wurden. —

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[82/0090] I. Die Zeit der Salier. Sohnes, der in schwieriger Lage für die Krone rettete, was noch zu retten war. Wer weiß, was ihm bei längerem Leben noch gelungen sein würde; seinen Fähigkeiten nach wäre er wohl der Mann gewesen, die gebliebenen Kräfte des Königtums zusammenzufassen und zu mehren, wie er denn etwa die einzige wichtige Zentralbehörde, die Reichskanzlei, zu einer Einheit für alle drei Teile des Imperiums umgestaltete. Indes die kurze Spanne Zeit, die ihm noch vergönnt war, ließ es sonst nur zu bedeutsamen Ansätzen kommen, denen das Vollbringen versagt blieb. Wir hören von dem Plane einer Steuerverfassung nach englisch-normannischem Vorbild. Die durch seine Gemahlin vermittelten englischen Beziehungen wurden auch für die äußere Politik wichtig und verwickelten Heinrich in west- liche Kämpfe. Unser Blick darf wohl einen Augenblick bei der überraschenden Aussicht verweilen, daß Mathilde, wenn sie dem Kaiser eine Nachkommenschaft geboren hätte, auf diese auch ihr englisches Erbrecht übertragen und so eine Vereinigung Englands mit dem Imperium in ähnlicher Weise in den Bereich der Mög- lichkeit gerückt hätte, wie sie tatsächlich später durch ihre zweite Ehe mit dem Grafen Gottfried von Anjou als Stammmutter der Plantagenets den Grund zu der Verbindung von halb Frankreich mit ihrer Heimatinsel gelegt hat. Eben diese Kinderlosigkeit des kränklichen Kaisers war für das Reich ein böses Verhängnis, das den Neid wachruft gegen die kinderreicheren Capetinger. Wenn irgendwann, so waren jetzt, unmittelbar nach dem Friedenschluß, ein ruhiges Einleben in die neuen Verhältnisse und ein langsamer Wiederaufbau der Macht notwendig; nun drohte schon nach wenigen Jahren ein Dynastiewechsel mit seinen kaum vermeid- lichen Störungen der Ordnung und Schwankungen der Politik. Heinrich selbst betrachtete seine Neffen, die staufischen Brüder Friedrich und Konrad, als die natürlichen Erben seiner Herrschaft, wie des salischen Besitzes. Aber ob auch die Fürsten ihr neu- gekräftigtes Wahlrecht in diesem Sinne gebrauchen würden, stand doch dahin. Als Heinrich 1125 mit 44 Jahren an einem Krebs- leiden starb, stand er eben vor neuen Kämpfen mit Lothar von Sachsen, Adalbert von Mainz und anderen alten Gegnern. Man wird kaum sagen dürfen, daß es ihm bei längerem Leben nicht hätte gelingen können, diesen Widerstand endgültig niederzu- werfen, und daß er daher in der innerdeutschen Politik gescheitert wäre. Aber nun er vor der Zeit von der Bühne abberufen wurde, ließ er unüberbrückbare Gegensätze hinter sich zurück, die durch die wiederauflebenden kirchlichen Streitfragen noch ver- schärft wurden. —

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/90>, abgerufen am 24.11.2024.