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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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I. Die Zeit der Salier.
niedergelegt wurden.1) Nach Verlesung dieser Aktenstücke in der
Peterskirche sollte die Kaiserkrönung vollzogen werden.

Dieser Vertrag hat von jeher das allgemeinste Staunen her-
vorgerufen. Glaubte man wirklich an seine Durchführbarkeit oder
walteten andere Absichten vor? Bei dem Papste wird man trotz
des mißtrauischen Urteils Heinrichs V. unbedingt Gutgläubigkeit
voraussetzen müssen. Er übersah nicht etwa völlig die Schwierig-
keiten, denn er verpflichtete sich, die widerstrebenden Bischöfe nötigen-
falls durch Bann zum Gehorsam zu zwingen, aber von der elemen-
taren Wucht des Widerstandes der gesamten gregorianischen Partei
machte er sich auch nicht entfernt richtige Vorstellungen. Der
nüchterne Realpolitiker Heinrich V. dagegen war schwerlich in
solcher Täuschung befangen. Abgesehen von den kirchlich Ex-
tremen mußte er die schärfste Opposition von Seiten der deutschen
Fürsten erwarten, von den geistlichen, denn ihnen drohte Verlust
der Regalien, die bisher als Zubehör ihres Amtes galten und ihre
reichsfürstliche Stellung begründeten; aber auch von einem Teile
der weltlichen Fürsten, denen die wirtschaftliche und politische
Stärkung der Krone und die Unsicherheit über die Zukunft ihrer
eigenen Lehen aus dem Reichskirchengut Besorgnis einflößte. In
richtiger Einschätzung dieser Schwierigkeiten machte Heinrich die
Zustimmung nicht nur der Gesamtkirche, sondern auch der Reichs-
fürsten zur Bedingung des Vertrages. Es wäre aber verkehrt, aus
dieser Erkenntnis folgern zu wollen, er habe im sicheren Bewußt-
sein der Unausführbarkeit von vornherein ein unehrliches Spiel mit
dem Papste getrieben, um ihn "mit dem deutschen Episkopat un-
heilbar zu verfeinden",2) oder wie die Motivierungen neuerer Dar-
steller sonst lauten. Das Anerbieten war für den deutschen König
so überaus vorteilhaft, daß eine Ablehnung ihn in den Ruf ge-
bracht hätte, den Frieden schlechterdings nicht zu wollen. Wenn
er aber zu Beginn der Krönungsfeier die öffentliche Erklärung ab-
gab, daß er den Kirchen den Genuß der Regalien nicht zu entziehen
gedenke, so wollte er damit nicht das Odium des Vertrags auf den
Papst wälzen, wie man wohl gemeint hat, sondern seiner Durch-
führung den Weg ebnen, indem er zu verstehen gab, die augen-
blicklichen Besitzer sollten, wenn auch nicht mehr kraft eines Rechts-
titels, so doch durch königliche Gunst ruhig im Genusse der Re-
galien bleiben. Damit wurde in der Tat dem ganzen Plan ein
gut Teil des Abenteuerlichen und Revolutionären abgestreift; nicht
mehr eine Umwälzung der Besitzverhältnisse hatten die deutschen

1) Die entscheidenden Aktenstücke M. G. Const. I, 137 ff. Die sonstigen
Berichte über den Vorgang zusammengestellt von Meyer von Knonau VI, 369 ff.
2) W. Schultze in Gebhardts Handbuch.

I. Die Zeit der Salier.
niedergelegt wurden.1) Nach Verlesung dieser Aktenstücke in der
Peterskirche sollte die Kaiserkrönung vollzogen werden.

Dieser Vertrag hat von jeher das allgemeinste Staunen her-
vorgerufen. Glaubte man wirklich an seine Durchführbarkeit oder
walteten andere Absichten vor? Bei dem Papste wird man trotz
des mißtrauischen Urteils Heinrichs V. unbedingt Gutgläubigkeit
voraussetzen müssen. Er übersah nicht etwa völlig die Schwierig-
keiten, denn er verpflichtete sich, die widerstrebenden Bischöfe nötigen-
falls durch Bann zum Gehorsam zu zwingen, aber von der elemen-
taren Wucht des Widerstandes der gesamten gregorianischen Partei
machte er sich auch nicht entfernt richtige Vorstellungen. Der
nüchterne Realpolitiker Heinrich V. dagegen war schwerlich in
solcher Täuschung befangen. Abgesehen von den kirchlich Ex-
tremen mußte er die schärfste Opposition von Seiten der deutschen
Fürsten erwarten, von den geistlichen, denn ihnen drohte Verlust
der Regalien, die bisher als Zubehör ihres Amtes galten und ihre
reichsfürstliche Stellung begründeten; aber auch von einem Teile
der weltlichen Fürsten, denen die wirtschaftliche und politische
Stärkung der Krone und die Unsicherheit über die Zukunft ihrer
eigenen Lehen aus dem Reichskirchengut Besorgnis einflößte. In
richtiger Einschätzung dieser Schwierigkeiten machte Heinrich die
Zustimmung nicht nur der Gesamtkirche, sondern auch der Reichs-
fürsten zur Bedingung des Vertrages. Es wäre aber verkehrt, aus
dieser Erkenntnis folgern zu wollen, er habe im sicheren Bewußt-
sein der Unausführbarkeit von vornherein ein unehrliches Spiel mit
dem Papste getrieben, um ihn „mit dem deutschen Episkopat un-
heilbar zu verfeinden“,2) oder wie die Motivierungen neuerer Dar-
steller sonst lauten. Das Anerbieten war für den deutschen König
so überaus vorteilhaft, daß eine Ablehnung ihn in den Ruf ge-
bracht hätte, den Frieden schlechterdings nicht zu wollen. Wenn
er aber zu Beginn der Krönungsfeier die öffentliche Erklärung ab-
gab, daß er den Kirchen den Genuß der Regalien nicht zu entziehen
gedenke, so wollte er damit nicht das Odium des Vertrags auf den
Papst wälzen, wie man wohl gemeint hat, sondern seiner Durch-
führung den Weg ebnen, indem er zu verstehen gab, die augen-
blicklichen Besitzer sollten, wenn auch nicht mehr kraft eines Rechts-
titels, so doch durch königliche Gunst ruhig im Genusse der Re-
galien bleiben. Damit wurde in der Tat dem ganzen Plan ein
gut Teil des Abenteuerlichen und Revolutionären abgestreift; nicht
mehr eine Umwälzung der Besitzverhältnisse hatten die deutschen

1) Die entscheidenden Aktenstücke M. G. Const. I, 137 ff. Die sonstigen
Berichte über den Vorgang zusammengestellt von Meyer von Knonau VI, 369 ff.
2) W. Schultze in Gebhardts Handbuch.
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[74/0082] I. Die Zeit der Salier. niedergelegt wurden. 1) Nach Verlesung dieser Aktenstücke in der Peterskirche sollte die Kaiserkrönung vollzogen werden. Dieser Vertrag hat von jeher das allgemeinste Staunen her- vorgerufen. Glaubte man wirklich an seine Durchführbarkeit oder walteten andere Absichten vor? Bei dem Papste wird man trotz des mißtrauischen Urteils Heinrichs V. unbedingt Gutgläubigkeit voraussetzen müssen. Er übersah nicht etwa völlig die Schwierig- keiten, denn er verpflichtete sich, die widerstrebenden Bischöfe nötigen- falls durch Bann zum Gehorsam zu zwingen, aber von der elemen- taren Wucht des Widerstandes der gesamten gregorianischen Partei machte er sich auch nicht entfernt richtige Vorstellungen. Der nüchterne Realpolitiker Heinrich V. dagegen war schwerlich in solcher Täuschung befangen. Abgesehen von den kirchlich Ex- tremen mußte er die schärfste Opposition von Seiten der deutschen Fürsten erwarten, von den geistlichen, denn ihnen drohte Verlust der Regalien, die bisher als Zubehör ihres Amtes galten und ihre reichsfürstliche Stellung begründeten; aber auch von einem Teile der weltlichen Fürsten, denen die wirtschaftliche und politische Stärkung der Krone und die Unsicherheit über die Zukunft ihrer eigenen Lehen aus dem Reichskirchengut Besorgnis einflößte. In richtiger Einschätzung dieser Schwierigkeiten machte Heinrich die Zustimmung nicht nur der Gesamtkirche, sondern auch der Reichs- fürsten zur Bedingung des Vertrages. Es wäre aber verkehrt, aus dieser Erkenntnis folgern zu wollen, er habe im sicheren Bewußt- sein der Unausführbarkeit von vornherein ein unehrliches Spiel mit dem Papste getrieben, um ihn „mit dem deutschen Episkopat un- heilbar zu verfeinden“, 2) oder wie die Motivierungen neuerer Dar- steller sonst lauten. Das Anerbieten war für den deutschen König so überaus vorteilhaft, daß eine Ablehnung ihn in den Ruf ge- bracht hätte, den Frieden schlechterdings nicht zu wollen. Wenn er aber zu Beginn der Krönungsfeier die öffentliche Erklärung ab- gab, daß er den Kirchen den Genuß der Regalien nicht zu entziehen gedenke, so wollte er damit nicht das Odium des Vertrags auf den Papst wälzen, wie man wohl gemeint hat, sondern seiner Durch- führung den Weg ebnen, indem er zu verstehen gab, die augen- blicklichen Besitzer sollten, wenn auch nicht mehr kraft eines Rechts- titels, so doch durch königliche Gunst ruhig im Genusse der Re- galien bleiben. Damit wurde in der Tat dem ganzen Plan ein gut Teil des Abenteuerlichen und Revolutionären abgestreift; nicht mehr eine Umwälzung der Besitzverhältnisse hatten die deutschen 1) Die entscheidenden Aktenstücke M. G. Const. I, 137 ff. Die sonstigen Berichte über den Vorgang zusammengestellt von Meyer von Knonau VI, 369 ff. 2) W. Schultze in Gebhardts Handbuch.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/82>, abgerufen am 22.11.2024.