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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 5. Der Kampf zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. (1075-1085).
glauben machen will, zu einem Gottesgericht gestaltete. Die Frage
des Investiturverbotes scheint bei dieser ersten Zusammenkunft
nicht erörtert zu sein, doch fand sechs Tage später noch eine
zweite in Bianello statt, bei der man für weitere Verhandlungen
ein Konzil in Mantua in Aussicht nahm. Auf dem Wege dorthin
ward Gregor durch die Feindseligkeiten der lombardischen Bischöfe
zur Umkehr bewogen. Heinrich wandte sich um Ostern nach
Deutschland zurück.

So der äußere Verlauf. Was aber bedeutete Canossa? Nach
der älteren Auffassung einen uneingeschränkten Triumph des Papst-
tums, nach der neueren einen politischen Sieg des Königs. Man hat
sich nach beiden Seiten hin vor Übertreibungen zu hüten1) und
die Dinge nicht nach dem modernen Empfinden zu beurteilen.
Der kirchliche Bußakt hatte für die Zeitgenossen nicht ganz das
Demütigende2), das er für uns hätte, und andererseits wäre es ver-
kehrt, den Vorgang, bei dem starke Gemütserschütterungen hüben
und drüben mitwirkten, ausschließlich als ein politisches Rechen-
kunststück hinzustellen. In Gregor trug nach dreitägigem, schwerem
Kampfe der Priester, der dem bußfertigen Christen die Absolution
nicht verweigern konnte, schließlich den Sieg davon, aber freilich
erst, nachdem der Politiker sich hinreichend gesichert zu haben
glaubte. Er gestand nichts weiter zu, als die Wiederaufnahme in
den Schoß der Kirche, nicht eine volle Wiedereinsetzung in das
Königtum3). Die Sache des Reiches sollte, wie er sofort den
deutschen Fürsten schrieb, durchaus in der Schwebe bleiben, sein
Ziel war nach wie vor das Schiedsgericht über die Parteien in
Deutschland mit der stets offen gehaltenen Möglichkeit, sich je
nach dem Maße der Zugeständnisse auf diese oder jene Seite
zu stellen und die Bedingungen, die er Heinrich auferlegte, sollten
dies Ziel sichern. Aber der Reise nach Deutschland, an der Gregor
noch im Mai festhielt, türmten sich immer neue Hemmnisse ent-
gegen, bis ihn im Sommer die Kunde von Unruhen in Rom einst-
weilen dorthin zurückrief. Die Politik seiner nächsten Jahre blieb
gleichwohl von demselben Ziele beherrscht.

Auf der andern Seite war es Heinrich, der die Absolution
stürmisch begehrte, schwerlich ohne jegliche Einwirkung des religiösen
Momentes, in der Hauptsache aber doch, weil ihm der Bann die

1) Die lächerlichen neueren Versuche, den Vorgang zu einem glänzenden
Triumph Heinrichs aufzubauschen, verdienen keine wissenschaftliche Beachtung.
2) Vgl. immerhin Richter, Ann. III, 2, 613.
3) Der gegenteiligen Meinung der meisten neueren Forscher vermag ich
mich nicht anzuschließen, wenn auch eine gewisse Zweideutigkeit Gregors in
den nächsten Jahren zuzugeben ist.

§ 5. Der Kampf zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. (1075‒1085).
glauben machen will, zu einem Gottesgericht gestaltete. Die Frage
des Investiturverbotes scheint bei dieser ersten Zusammenkunft
nicht erörtert zu sein, doch fand sechs Tage später noch eine
zweite in Bianello statt, bei der man für weitere Verhandlungen
ein Konzil in Mantua in Aussicht nahm. Auf dem Wege dorthin
ward Gregor durch die Feindseligkeiten der lombardischen Bischöfe
zur Umkehr bewogen. Heinrich wandte sich um Ostern nach
Deutschland zurück.

So der äußere Verlauf. Was aber bedeutete Canossa? Nach
der älteren Auffassung einen uneingeschränkten Triumph des Papst-
tums, nach der neueren einen politischen Sieg des Königs. Man hat
sich nach beiden Seiten hin vor Übertreibungen zu hüten1) und
die Dinge nicht nach dem modernen Empfinden zu beurteilen.
Der kirchliche Bußakt hatte für die Zeitgenossen nicht ganz das
Demütigende2), das er für uns hätte, und andererseits wäre es ver-
kehrt, den Vorgang, bei dem starke Gemütserschütterungen hüben
und drüben mitwirkten, ausschließlich als ein politisches Rechen-
kunststück hinzustellen. In Gregor trug nach dreitägigem, schwerem
Kampfe der Priester, der dem bußfertigen Christen die Absolution
nicht verweigern konnte, schließlich den Sieg davon, aber freilich
erst, nachdem der Politiker sich hinreichend gesichert zu haben
glaubte. Er gestand nichts weiter zu, als die Wiederaufnahme in
den Schoß der Kirche, nicht eine volle Wiedereinsetzung in das
Königtum3). Die Sache des Reiches sollte, wie er sofort den
deutschen Fürsten schrieb, durchaus in der Schwebe bleiben, sein
Ziel war nach wie vor das Schiedsgericht über die Parteien in
Deutschland mit der stets offen gehaltenen Möglichkeit, sich je
nach dem Maße der Zugeständnisse auf diese oder jene Seite
zu stellen und die Bedingungen, die er Heinrich auferlegte, sollten
dies Ziel sichern. Aber der Reise nach Deutschland, an der Gregor
noch im Mai festhielt, türmten sich immer neue Hemmnisse ent-
gegen, bis ihn im Sommer die Kunde von Unruhen in Rom einst-
weilen dorthin zurückrief. Die Politik seiner nächsten Jahre blieb
gleichwohl von demselben Ziele beherrscht.

Auf der andern Seite war es Heinrich, der die Absolution
stürmisch begehrte, schwerlich ohne jegliche Einwirkung des religiösen
Momentes, in der Hauptsache aber doch, weil ihm der Bann die

1) Die lächerlichen neueren Versuche, den Vorgang zu einem glänzenden
Triumph Heinrichs aufzubauschen, verdienen keine wissenschaftliche Beachtung.
2) Vgl. immerhin Richter, Ann. III, 2, 613.
3) Der gegenteiligen Meinung der meisten neueren Forscher vermag ich
mich nicht anzuschließen, wenn auch eine gewisse Zweideutigkeit Gregors in
den nächsten Jahren zuzugeben ist.
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[53/0061] § 5. Der Kampf zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. (1075‒1085). glauben machen will, zu einem Gottesgericht gestaltete. Die Frage des Investiturverbotes scheint bei dieser ersten Zusammenkunft nicht erörtert zu sein, doch fand sechs Tage später noch eine zweite in Bianello statt, bei der man für weitere Verhandlungen ein Konzil in Mantua in Aussicht nahm. Auf dem Wege dorthin ward Gregor durch die Feindseligkeiten der lombardischen Bischöfe zur Umkehr bewogen. Heinrich wandte sich um Ostern nach Deutschland zurück. So der äußere Verlauf. Was aber bedeutete Canossa? Nach der älteren Auffassung einen uneingeschränkten Triumph des Papst- tums, nach der neueren einen politischen Sieg des Königs. Man hat sich nach beiden Seiten hin vor Übertreibungen zu hüten 1) und die Dinge nicht nach dem modernen Empfinden zu beurteilen. Der kirchliche Bußakt hatte für die Zeitgenossen nicht ganz das Demütigende 2), das er für uns hätte, und andererseits wäre es ver- kehrt, den Vorgang, bei dem starke Gemütserschütterungen hüben und drüben mitwirkten, ausschließlich als ein politisches Rechen- kunststück hinzustellen. In Gregor trug nach dreitägigem, schwerem Kampfe der Priester, der dem bußfertigen Christen die Absolution nicht verweigern konnte, schließlich den Sieg davon, aber freilich erst, nachdem der Politiker sich hinreichend gesichert zu haben glaubte. Er gestand nichts weiter zu, als die Wiederaufnahme in den Schoß der Kirche, nicht eine volle Wiedereinsetzung in das Königtum 3). Die Sache des Reiches sollte, wie er sofort den deutschen Fürsten schrieb, durchaus in der Schwebe bleiben, sein Ziel war nach wie vor das Schiedsgericht über die Parteien in Deutschland mit der stets offen gehaltenen Möglichkeit, sich je nach dem Maße der Zugeständnisse auf diese oder jene Seite zu stellen und die Bedingungen, die er Heinrich auferlegte, sollten dies Ziel sichern. Aber der Reise nach Deutschland, an der Gregor noch im Mai festhielt, türmten sich immer neue Hemmnisse ent- gegen, bis ihn im Sommer die Kunde von Unruhen in Rom einst- weilen dorthin zurückrief. Die Politik seiner nächsten Jahre blieb gleichwohl von demselben Ziele beherrscht. Auf der andern Seite war es Heinrich, der die Absolution stürmisch begehrte, schwerlich ohne jegliche Einwirkung des religiösen Momentes, in der Hauptsache aber doch, weil ihm der Bann die 1) Die lächerlichen neueren Versuche, den Vorgang zu einem glänzenden Triumph Heinrichs aufzubauschen, verdienen keine wissenschaftliche Beachtung. 2) Vgl. immerhin Richter, Ann. III, 2, 613. 3) Der gegenteiligen Meinung der meisten neueren Forscher vermag ich mich nicht anzuschließen, wenn auch eine gewisse Zweideutigkeit Gregors in den nächsten Jahren zuzugeben ist.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/61>, abgerufen am 24.11.2024.