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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 4. Die Anfänge Heinrichs IV. und Gregors VII. (1065-1075).

Wichtige Entscheidungen brachte die römische Fastensynode
von 1075. Da die geordneten Gewalten der Kirche bei der Durch-
führung der Reformen versagten, so griff Gregor zu einer Revolu-
tionierung der Laienmassen gegen die simonistischen und verhei-
rateten Priester, indem er den kirchlichen Streik gegen sie allen
Gläubigen zur Pflicht machte: ein verhängnisvoller Schritt, der die
Verhetzung mitten ins Volk warf, der nun auch in Deutschland
ähnliche Szenen der Mißhandlung von Priestern und Verhöhnung
ihrer Sakramente hervorrief, wie man sie schon in dem patare-
nischen Mailand kannte, und der im Grunde doch dem Autoritäts-
prinzip der katholischen Kirche schnurstracks zuwiderlief. Sigebert
von Gembloux hat uns geschildert, wie die erregte Erörterung über
die höchsten Fragen nun selbst bis in die Werkstätten der Hand-
werker und Spinnstuben der Frauen drang. Eben der Angliede-
rung von Laienbrüdern, die für die Wanderpredigt freier beweglich
waren, als Mönche, verdankte etwas später im Schwarzwald und
den angrenzenden südwestdeutschen Landschaften die Hirschauer
Klosterbewegung, welche unter Leitung des Abtes Wilhelm (1069
bis 91) im cluniazensischen Geiste auf Verschärfung der Ordens-
regel und unbedingte Unterordnung unter Rom das Hauptgewicht
legte, den größten Teil ihrer agitatorischen Erfolge.

Der andere noch weit bedeutsamere Beschluß, den die Synode
auf Gregors Antrieb faßte, war das Verbot der Laieninvestitur. Es
sollte nach den damaligen Absichten des Papstes wohl weniger
eine Feindseligkeit gegen die Krone, als vielmehr einen Schlag
gegen die Unabhängigkeit des Episkopates von der Kurie darstellen.
Indem man den päpstlichen Einfluß auf die Besetzung der hohen
Prälaturen an die Stelle des kaiserlichen setzte, sollte sich die Um-
wandlung der Bischöfe zu abhängigen Dienern des Papstes voll-
enden. Aber freilich, die ganze deutsche Geschichte seit den Tagen
Ottos des Großen zeigt, daß ein solcher Eingriff nicht viel weniger
bedeutete, als einen Versuch, die Reichsgewalt an der Wurzel ab-
zusägen. Dem König die Besetzung der Bistümer und Reichsabteien
aus der Hand zu nehmen, hieß ihm jeden Einfluß auf die An-
stellung der wichtigsten Reichsbeamten rauben; die Inanspruch-
nahme des Reichskirchengutes ausschließlich als Eigentum der Kirche
aber stellte geradezu die Unterhaltsmittel der Zentralgewalt in Frage.
Jeder deutsche Herrscher, der noch an die Zukunft seines Reiches
glaubte und sich dafür verantwortlich fühlte, mußte diesen Beschluß
als eine Kriegserklärung auf Leben und Tod betrachten. Gregor
selbst glaubte anfangs noch den offenen Bruch hinausschieben zu
können und zeigte sich in vertraulichen Eröffnungen an Heinrich
zu einem Entgegenkommen in der Form bereit; noch sprach er

§ 4. Die Anfänge Heinrichs IV. und Gregors VII. (1065‒1075).

Wichtige Entscheidungen brachte die römische Fastensynode
von 1075. Da die geordneten Gewalten der Kirche bei der Durch-
führung der Reformen versagten, so griff Gregor zu einer Revolu-
tionierung der Laienmassen gegen die simonistischen und verhei-
rateten Priester, indem er den kirchlichen Streik gegen sie allen
Gläubigen zur Pflicht machte: ein verhängnisvoller Schritt, der die
Verhetzung mitten ins Volk warf, der nun auch in Deutschland
ähnliche Szenen der Mißhandlung von Priestern und Verhöhnung
ihrer Sakramente hervorrief, wie man sie schon in dem patare-
nischen Mailand kannte, und der im Grunde doch dem Autoritäts-
prinzip der katholischen Kirche schnurstracks zuwiderlief. Sigebert
von Gembloux hat uns geschildert, wie die erregte Erörterung über
die höchsten Fragen nun selbst bis in die Werkstätten der Hand-
werker und Spinnstuben der Frauen drang. Eben der Angliede-
rung von Laienbrüdern, die für die Wanderpredigt freier beweglich
waren, als Mönche, verdankte etwas später im Schwarzwald und
den angrenzenden südwestdeutschen Landschaften die Hirschauer
Klosterbewegung, welche unter Leitung des Abtes Wilhelm (1069
bis 91) im cluniazensischen Geiste auf Verschärfung der Ordens-
regel und unbedingte Unterordnung unter Rom das Hauptgewicht
legte, den größten Teil ihrer agitatorischen Erfolge.

Der andere noch weit bedeutsamere Beschluß, den die Synode
auf Gregors Antrieb faßte, war das Verbot der Laieninvestitur. Es
sollte nach den damaligen Absichten des Papstes wohl weniger
eine Feindseligkeit gegen die Krone, als vielmehr einen Schlag
gegen die Unabhängigkeit des Episkopates von der Kurie darstellen.
Indem man den päpstlichen Einfluß auf die Besetzung der hohen
Prälaturen an die Stelle des kaiserlichen setzte, sollte sich die Um-
wandlung der Bischöfe zu abhängigen Dienern des Papstes voll-
enden. Aber freilich, die ganze deutsche Geschichte seit den Tagen
Ottos des Großen zeigt, daß ein solcher Eingriff nicht viel weniger
bedeutete, als einen Versuch, die Reichsgewalt an der Wurzel ab-
zusägen. Dem König die Besetzung der Bistümer und Reichsabteien
aus der Hand zu nehmen, hieß ihm jeden Einfluß auf die An-
stellung der wichtigsten Reichsbeamten rauben; die Inanspruch-
nahme des Reichskirchengutes ausschließlich als Eigentum der Kirche
aber stellte geradezu die Unterhaltsmittel der Zentralgewalt in Frage.
Jeder deutsche Herrscher, der noch an die Zukunft seines Reiches
glaubte und sich dafür verantwortlich fühlte, mußte diesen Beschluß
als eine Kriegserklärung auf Leben und Tod betrachten. Gregor
selbst glaubte anfangs noch den offenen Bruch hinausschieben zu
können und zeigte sich in vertraulichen Eröffnungen an Heinrich
zu einem Entgegenkommen in der Form bereit; noch sprach er

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[47/0055] § 4. Die Anfänge Heinrichs IV. und Gregors VII. (1065‒1075). Wichtige Entscheidungen brachte die römische Fastensynode von 1075. Da die geordneten Gewalten der Kirche bei der Durch- führung der Reformen versagten, so griff Gregor zu einer Revolu- tionierung der Laienmassen gegen die simonistischen und verhei- rateten Priester, indem er den kirchlichen Streik gegen sie allen Gläubigen zur Pflicht machte: ein verhängnisvoller Schritt, der die Verhetzung mitten ins Volk warf, der nun auch in Deutschland ähnliche Szenen der Mißhandlung von Priestern und Verhöhnung ihrer Sakramente hervorrief, wie man sie schon in dem patare- nischen Mailand kannte, und der im Grunde doch dem Autoritäts- prinzip der katholischen Kirche schnurstracks zuwiderlief. Sigebert von Gembloux hat uns geschildert, wie die erregte Erörterung über die höchsten Fragen nun selbst bis in die Werkstätten der Hand- werker und Spinnstuben der Frauen drang. Eben der Angliede- rung von Laienbrüdern, die für die Wanderpredigt freier beweglich waren, als Mönche, verdankte etwas später im Schwarzwald und den angrenzenden südwestdeutschen Landschaften die Hirschauer Klosterbewegung, welche unter Leitung des Abtes Wilhelm (1069 bis 91) im cluniazensischen Geiste auf Verschärfung der Ordens- regel und unbedingte Unterordnung unter Rom das Hauptgewicht legte, den größten Teil ihrer agitatorischen Erfolge. Der andere noch weit bedeutsamere Beschluß, den die Synode auf Gregors Antrieb faßte, war das Verbot der Laieninvestitur. Es sollte nach den damaligen Absichten des Papstes wohl weniger eine Feindseligkeit gegen die Krone, als vielmehr einen Schlag gegen die Unabhängigkeit des Episkopates von der Kurie darstellen. Indem man den päpstlichen Einfluß auf die Besetzung der hohen Prälaturen an die Stelle des kaiserlichen setzte, sollte sich die Um- wandlung der Bischöfe zu abhängigen Dienern des Papstes voll- enden. Aber freilich, die ganze deutsche Geschichte seit den Tagen Ottos des Großen zeigt, daß ein solcher Eingriff nicht viel weniger bedeutete, als einen Versuch, die Reichsgewalt an der Wurzel ab- zusägen. Dem König die Besetzung der Bistümer und Reichsabteien aus der Hand zu nehmen, hieß ihm jeden Einfluß auf die An- stellung der wichtigsten Reichsbeamten rauben; die Inanspruch- nahme des Reichskirchengutes ausschließlich als Eigentum der Kirche aber stellte geradezu die Unterhaltsmittel der Zentralgewalt in Frage. Jeder deutsche Herrscher, der noch an die Zukunft seines Reiches glaubte und sich dafür verantwortlich fühlte, mußte diesen Beschluß als eine Kriegserklärung auf Leben und Tod betrachten. Gregor selbst glaubte anfangs noch den offenen Bruch hinausschieben zu können und zeigte sich in vertraulichen Eröffnungen an Heinrich zu einem Entgegenkommen in der Form bereit; noch sprach er

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/55>, abgerufen am 24.11.2024.