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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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I. Die Zeit der Salier.
wußten das Gebiet der bremischen Kirche auf kaum ein Drittel
seines Umfangs zu beschränken. Der heidnisch-slawische Rückschlag
aber, der nun bei den Abotriten und andern rechtselbischen Slawen-
stämmen erfolgte, brachte dem Reiche wie dem Christentum die
schwersten Schädigungen.

Nach innen und außen erinnerten so die Zustände an die
Zeiten der Kindheit Ottos III. Was aber den Vergleich sehr zu
Ungunsten des jungen Heinrich IV. entschied, war die inzwischen
vollzogene Machtbefreiung des Papsttums, die in dem Jahrzehnt seit
dem Tode Heinrichs III. reißende Fortschritte gemacht hatte.

Nach dem Tode Viktors II. hatte sich die Reformpartei mit
dem Lothringer Stefan IX. (1057-58) zuerst in den Sattel gesetzt;
sein Bruder Herzog Gottfried von Lothringen sollte durch seine
mittelitalische Machtstellung dem Papsttum die Selbständigkeit
gewährleisten. Indes bei seiner kurzen Dauer kam diesem Pontifikat
nur programmatische Bedeutung zu. Dann vermochten die Reformer
gegen einen Vorstoß des römischen Adels ihre Herrschaft nur durch
erneute Anlehnung an die Reichsregierung zu sichern, indem sie
die Zustimmung der Kaiserin für ihren Kandidaten einholten. Der
Name Nikolaus II., den er sich gab, war mit seiner Erinnerung
an den großen Papst des neunten Jahrhunderts ein Programm, und
die kurzen drei Jahre dieses Pontifikats sind nun allerdings durch
Zielsetzung, Festigung und Rüstung für die Geschichte des Papst-
tums hochbedeutsam geworden.

In seine Anfänge fällt die Schrift des Kardinals Humbert
"Gegen die Simonisten", in der die letzten Ziele der kirchlichen
Reformpartei zuerst unverhüllt ausgesprochen wurden, wohl die
hervorragendste publizistische Leistung der ganzen Zeit.1)

Da ward nicht nur die Simonie als Ketzerei und jede Weihenspende
durch Simonisten als ungültig erklärt, sondern vor allem der Begriff der
Simonie ausgedehnt auf die Erteilung eines kirchlichen Amtes durch Laien
oder an Laien. So sollte das gesamte Kirchengut herausgehoben werden
aus der Verfügungsgewalt der weltlichen Grundherren, eine völlige Umkehrung
des bisherigen Rechtszustandes, die am empfindlichsten die deutsche Reichs-
gewalt treffen mußte. Offen wurde ausgesprochen, die Schändung der jung-
fräulichen Reinheit der Kirche durch die Einmischung der Laien habe mit
den Ottonen begonnen, die Investitur von Geistlichen durch Laienhand mit
den kirchlichen Symbolen Ring und Stab sei verwerflich und nichtig, wie
viel mehr jetzt gar durch die Hand einer Frau! Nur ein Konsensrecht bei
den Bischofswahlen wurde der weltlichen Gewalt zugestanden, jeder weitere
Anspruch zurückgewiesen; nicht mehr Reform, sondern Befreiung der Kirche
ward die Losung, und zu ihrer Durchführung wurde bereits die Revolutio-
nierung der Volksmassen gegen die Fürsten ins Auge gefaßt. Da aber eine
völlige Trennung von Geistlichem und Weltlichem bei dem Ineinandergreifen

1) Vgl. M. G. Libelli de lite I, 15 ff.

I. Die Zeit der Salier.
wußten das Gebiet der bremischen Kirche auf kaum ein Drittel
seines Umfangs zu beschränken. Der heidnisch-slawische Rückschlag
aber, der nun bei den Abotriten und andern rechtselbischen Slawen-
stämmen erfolgte, brachte dem Reiche wie dem Christentum die
schwersten Schädigungen.

Nach innen und außen erinnerten so die Zustände an die
Zeiten der Kindheit Ottos III. Was aber den Vergleich sehr zu
Ungunsten des jungen Heinrich IV. entschied, war die inzwischen
vollzogene Machtbefreiung des Papsttums, die in dem Jahrzehnt seit
dem Tode Heinrichs III. reißende Fortschritte gemacht hatte.

Nach dem Tode Viktors II. hatte sich die Reformpartei mit
dem Lothringer Stefan IX. (1057‒58) zuerst in den Sattel gesetzt;
sein Bruder Herzog Gottfried von Lothringen sollte durch seine
mittelitalische Machtstellung dem Papsttum die Selbständigkeit
gewährleisten. Indes bei seiner kurzen Dauer kam diesem Pontifikat
nur programmatische Bedeutung zu. Dann vermochten die Reformer
gegen einen Vorstoß des römischen Adels ihre Herrschaft nur durch
erneute Anlehnung an die Reichsregierung zu sichern, indem sie
die Zustimmung der Kaiserin für ihren Kandidaten einholten. Der
Name Nikolaus II., den er sich gab, war mit seiner Erinnerung
an den großen Papst des neunten Jahrhunderts ein Programm, und
die kurzen drei Jahre dieses Pontifikats sind nun allerdings durch
Zielsetzung, Festigung und Rüstung für die Geschichte des Papst-
tums hochbedeutsam geworden.

In seine Anfänge fällt die Schrift des Kardinals Humbert
„Gegen die Simonisten“, in der die letzten Ziele der kirchlichen
Reformpartei zuerst unverhüllt ausgesprochen wurden, wohl die
hervorragendste publizistische Leistung der ganzen Zeit.1)

Da ward nicht nur die Simonie als Ketzerei und jede Weihenspende
durch Simonisten als ungültig erklärt, sondern vor allem der Begriff der
Simonie ausgedehnt auf die Erteilung eines kirchlichen Amtes durch Laien
oder an Laien. So sollte das gesamte Kirchengut herausgehoben werden
aus der Verfügungsgewalt der weltlichen Grundherren, eine völlige Umkehrung
des bisherigen Rechtszustandes, die am empfindlichsten die deutsche Reichs-
gewalt treffen mußte. Offen wurde ausgesprochen, die Schändung der jung-
fräulichen Reinheit der Kirche durch die Einmischung der Laien habe mit
den Ottonen begonnen, die Investitur von Geistlichen durch Laienhand mit
den kirchlichen Symbolen Ring und Stab sei verwerflich und nichtig, wie
viel mehr jetzt gar durch die Hand einer Frau! Nur ein Konsensrecht bei
den Bischofswahlen wurde der weltlichen Gewalt zugestanden, jeder weitere
Anspruch zurückgewiesen; nicht mehr Reform, sondern Befreiung der Kirche
ward die Losung, und zu ihrer Durchführung wurde bereits die Revolutio-
nierung der Volksmassen gegen die Fürsten ins Auge gefaßt. Da aber eine
völlige Trennung von Geistlichem und Weltlichem bei dem Ineinandergreifen

1) Vgl. M. G. Libelli de lite I, 15 ff.
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[32/0040] I. Die Zeit der Salier. wußten das Gebiet der bremischen Kirche auf kaum ein Drittel seines Umfangs zu beschränken. Der heidnisch-slawische Rückschlag aber, der nun bei den Abotriten und andern rechtselbischen Slawen- stämmen erfolgte, brachte dem Reiche wie dem Christentum die schwersten Schädigungen. Nach innen und außen erinnerten so die Zustände an die Zeiten der Kindheit Ottos III. Was aber den Vergleich sehr zu Ungunsten des jungen Heinrich IV. entschied, war die inzwischen vollzogene Machtbefreiung des Papsttums, die in dem Jahrzehnt seit dem Tode Heinrichs III. reißende Fortschritte gemacht hatte. Nach dem Tode Viktors II. hatte sich die Reformpartei mit dem Lothringer Stefan IX. (1057‒58) zuerst in den Sattel gesetzt; sein Bruder Herzog Gottfried von Lothringen sollte durch seine mittelitalische Machtstellung dem Papsttum die Selbständigkeit gewährleisten. Indes bei seiner kurzen Dauer kam diesem Pontifikat nur programmatische Bedeutung zu. Dann vermochten die Reformer gegen einen Vorstoß des römischen Adels ihre Herrschaft nur durch erneute Anlehnung an die Reichsregierung zu sichern, indem sie die Zustimmung der Kaiserin für ihren Kandidaten einholten. Der Name Nikolaus II., den er sich gab, war mit seiner Erinnerung an den großen Papst des neunten Jahrhunderts ein Programm, und die kurzen drei Jahre dieses Pontifikats sind nun allerdings durch Zielsetzung, Festigung und Rüstung für die Geschichte des Papst- tums hochbedeutsam geworden. In seine Anfänge fällt die Schrift des Kardinals Humbert „Gegen die Simonisten“, in der die letzten Ziele der kirchlichen Reformpartei zuerst unverhüllt ausgesprochen wurden, wohl die hervorragendste publizistische Leistung der ganzen Zeit. 1) Da ward nicht nur die Simonie als Ketzerei und jede Weihenspende durch Simonisten als ungültig erklärt, sondern vor allem der Begriff der Simonie ausgedehnt auf die Erteilung eines kirchlichen Amtes durch Laien oder an Laien. So sollte das gesamte Kirchengut herausgehoben werden aus der Verfügungsgewalt der weltlichen Grundherren, eine völlige Umkehrung des bisherigen Rechtszustandes, die am empfindlichsten die deutsche Reichs- gewalt treffen mußte. Offen wurde ausgesprochen, die Schändung der jung- fräulichen Reinheit der Kirche durch die Einmischung der Laien habe mit den Ottonen begonnen, die Investitur von Geistlichen durch Laienhand mit den kirchlichen Symbolen Ring und Stab sei verwerflich und nichtig, wie viel mehr jetzt gar durch die Hand einer Frau! Nur ein Konsensrecht bei den Bischofswahlen wurde der weltlichen Gewalt zugestanden, jeder weitere Anspruch zurückgewiesen; nicht mehr Reform, sondern Befreiung der Kirche ward die Losung, und zu ihrer Durchführung wurde bereits die Revolutio- nierung der Volksmassen gegen die Fürsten ins Auge gefaßt. Da aber eine völlige Trennung von Geistlichem und Weltlichem bei dem Ineinandergreifen 1) Vgl. M. G. Libelli de lite I, 15 ff.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/40>, abgerufen am 24.11.2024.