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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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I. Die Zeit der Salier.
das päpstliche Heer vor dem Kampfe auseinanderlief (1052), war
Leo doch gezwungen, sich an den Kaiser nach Deutschland zu
wenden. Das Ergebnis ihrer persönlichen Abmachungen war merk-
würdig genug. Anstatt dem Papste wegen der eigenmächtigen Ver-
letzung von Reichsrechten zu zürnen, zeigte sich Heinrich zur För-
derung seiner Pläne bereit. Gegen deutsch-kirchliche Zugeständnisse,
insbesondere Verzicht auf die direkte päpstliche Hoheit über Bam-
berg und Fulda, trat er ihm Benevent ab und rüstete zu dessen
Sicherung ein Reichsheer. So völlig fern lag ihm der Gedanke,
die Politik der Kurie könne sich auch einmal feindlich gegen das
Kaisertum wenden. Erst die entschiedene Opposition der deutschen
Bischöfe mit Gebhard von Eichstätt an der Spitze, die, an sich
schon mißtrauisch gegen Leos hierarchisches Walten, einer Verwen-
wendung von Reichsmitteln für fremde Zwecke widerstrebten, be-
stimmte den Kaiser, den größten Teil seiner Truppen zurückzurufen.

Aber Leo hielt sich für stark genug, auch mit seinen eignen
Mannschaften zum Angriff zu schreiten. Das Ergebnis war die
völlige Niederlage bei Civitate (1053). Der Papst selbst geriet in
normannische Haft und sah sich gezwungen, seine süditalischen Pläne
fallen zu lassen. Als Schwerkranker in Freiheit gesetzt, starb er
alsbald in Rom (1054). Der erste Versuch zur Aufrichtung einer
päpstlichen Herrschaft über Süditalien war gescheitert, trotzdem
blieb er richtunggebend. Vor der Schlacht hatten die Normannen
dem Papste das Anerbieten gemacht, alle eroberten kirchlichen Be-
sitzungen von ihm gegen Tribut zu Lehen zu nehmen. In allzu-
großem Kraftgefühl hat Leo das damals abgelehnt. Aber diesem
Vorschlage gehörte die Zukunft; so sollte das Papsttum doch, wenn
auch in andrer Form, im Süden eine Stütze für seine Selbständig-
keit gewinnen.

Noch war indes an Unabhängigkeit vom Kaisertum nicht zu
denken. Der Begünstigung Heinrichs hatte Leo IX. doch in erster
Linie seine Erfolge verdankt, und er hatte dafür mit kirchlichen
Mitteln die kaiserliche Politik mannigfach unterstützt. Das vielleicht
allzu rasche Selbständigkeitstreben des Papsttums erfuhr sogar zu-
nächst einen gelinden Rückschlag, denn Heinrich erhob nach längerer
Vakanz gerade den Führer der deutschen Bischofsopposition, Geb-
hard von Eichstätt, als Viktor II. (1055-57) zum Papste, -- nicht
zur Zufriedenheit der Hauptratgeber Leos. Indessen, mochte Geb-
hard glauben, sich nur so eine Stellung in Rom schaffen zu können,
oder hielt er eine Befestigung den Normannen gegenüber für nötig, --
er machte eine umfassende Herstellung aller entfremdeten Besitzungen
des h. Petrus geradezu zur Bedingung der Übernahme des Papst-
tums und hat in den nächsten Jahren eifrig dafür gewirkt. Wenn

I. Die Zeit der Salier.
das päpstliche Heer vor dem Kampfe auseinanderlief (1052), war
Leo doch gezwungen, sich an den Kaiser nach Deutschland zu
wenden. Das Ergebnis ihrer persönlichen Abmachungen war merk-
würdig genug. Anstatt dem Papste wegen der eigenmächtigen Ver-
letzung von Reichsrechten zu zürnen, zeigte sich Heinrich zur För-
derung seiner Pläne bereit. Gegen deutsch-kirchliche Zugeständnisse,
insbesondere Verzicht auf die direkte päpstliche Hoheit über Bam-
berg und Fulda, trat er ihm Benevent ab und rüstete zu dessen
Sicherung ein Reichsheer. So völlig fern lag ihm der Gedanke,
die Politik der Kurie könne sich auch einmal feindlich gegen das
Kaisertum wenden. Erst die entschiedene Opposition der deutschen
Bischöfe mit Gebhard von Eichstätt an der Spitze, die, an sich
schon mißtrauisch gegen Leos hierarchisches Walten, einer Verwen-
wendung von Reichsmitteln für fremde Zwecke widerstrebten, be-
stimmte den Kaiser, den größten Teil seiner Truppen zurückzurufen.

Aber Leo hielt sich für stark genug, auch mit seinen eignen
Mannschaften zum Angriff zu schreiten. Das Ergebnis war die
völlige Niederlage bei Civitate (1053). Der Papst selbst geriet in
normannische Haft und sah sich gezwungen, seine süditalischen Pläne
fallen zu lassen. Als Schwerkranker in Freiheit gesetzt, starb er
alsbald in Rom (1054). Der erste Versuch zur Aufrichtung einer
päpstlichen Herrschaft über Süditalien war gescheitert, trotzdem
blieb er richtunggebend. Vor der Schlacht hatten die Normannen
dem Papste das Anerbieten gemacht, alle eroberten kirchlichen Be-
sitzungen von ihm gegen Tribut zu Lehen zu nehmen. In allzu-
großem Kraftgefühl hat Leo das damals abgelehnt. Aber diesem
Vorschlage gehörte die Zukunft; so sollte das Papsttum doch, wenn
auch in andrer Form, im Süden eine Stütze für seine Selbständig-
keit gewinnen.

Noch war indes an Unabhängigkeit vom Kaisertum nicht zu
denken. Der Begünstigung Heinrichs hatte Leo IX. doch in erster
Linie seine Erfolge verdankt, und er hatte dafür mit kirchlichen
Mitteln die kaiserliche Politik mannigfach unterstützt. Das vielleicht
allzu rasche Selbständigkeitstreben des Papsttums erfuhr sogar zu-
nächst einen gelinden Rückschlag, denn Heinrich erhob nach längerer
Vakanz gerade den Führer der deutschen Bischofsopposition, Geb-
hard von Eichstätt, als Viktor II. (1055‒57) zum Papste, — nicht
zur Zufriedenheit der Hauptratgeber Leos. Indessen, mochte Geb-
hard glauben, sich nur so eine Stellung in Rom schaffen zu können,
oder hielt er eine Befestigung den Normannen gegenüber für nötig, —
er machte eine umfassende Herstellung aller entfremdeten Besitzungen
des h. Petrus geradezu zur Bedingung der Übernahme des Papst-
tums und hat in den nächsten Jahren eifrig dafür gewirkt. Wenn

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[24/0032] I. Die Zeit der Salier. das päpstliche Heer vor dem Kampfe auseinanderlief (1052), war Leo doch gezwungen, sich an den Kaiser nach Deutschland zu wenden. Das Ergebnis ihrer persönlichen Abmachungen war merk- würdig genug. Anstatt dem Papste wegen der eigenmächtigen Ver- letzung von Reichsrechten zu zürnen, zeigte sich Heinrich zur För- derung seiner Pläne bereit. Gegen deutsch-kirchliche Zugeständnisse, insbesondere Verzicht auf die direkte päpstliche Hoheit über Bam- berg und Fulda, trat er ihm Benevent ab und rüstete zu dessen Sicherung ein Reichsheer. So völlig fern lag ihm der Gedanke, die Politik der Kurie könne sich auch einmal feindlich gegen das Kaisertum wenden. Erst die entschiedene Opposition der deutschen Bischöfe mit Gebhard von Eichstätt an der Spitze, die, an sich schon mißtrauisch gegen Leos hierarchisches Walten, einer Verwen- wendung von Reichsmitteln für fremde Zwecke widerstrebten, be- stimmte den Kaiser, den größten Teil seiner Truppen zurückzurufen. Aber Leo hielt sich für stark genug, auch mit seinen eignen Mannschaften zum Angriff zu schreiten. Das Ergebnis war die völlige Niederlage bei Civitate (1053). Der Papst selbst geriet in normannische Haft und sah sich gezwungen, seine süditalischen Pläne fallen zu lassen. Als Schwerkranker in Freiheit gesetzt, starb er alsbald in Rom (1054). Der erste Versuch zur Aufrichtung einer päpstlichen Herrschaft über Süditalien war gescheitert, trotzdem blieb er richtunggebend. Vor der Schlacht hatten die Normannen dem Papste das Anerbieten gemacht, alle eroberten kirchlichen Be- sitzungen von ihm gegen Tribut zu Lehen zu nehmen. In allzu- großem Kraftgefühl hat Leo das damals abgelehnt. Aber diesem Vorschlage gehörte die Zukunft; so sollte das Papsttum doch, wenn auch in andrer Form, im Süden eine Stütze für seine Selbständig- keit gewinnen. Noch war indes an Unabhängigkeit vom Kaisertum nicht zu denken. Der Begünstigung Heinrichs hatte Leo IX. doch in erster Linie seine Erfolge verdankt, und er hatte dafür mit kirchlichen Mitteln die kaiserliche Politik mannigfach unterstützt. Das vielleicht allzu rasche Selbständigkeitstreben des Papsttums erfuhr sogar zu- nächst einen gelinden Rückschlag, denn Heinrich erhob nach längerer Vakanz gerade den Führer der deutschen Bischofsopposition, Geb- hard von Eichstätt, als Viktor II. (1055‒57) zum Papste, — nicht zur Zufriedenheit der Hauptratgeber Leos. Indessen, mochte Geb- hard glauben, sich nur so eine Stellung in Rom schaffen zu können, oder hielt er eine Befestigung den Normannen gegenüber für nötig, — er machte eine umfassende Herstellung aller entfremdeten Besitzungen des h. Petrus geradezu zur Bedingung der Übernahme des Papst- tums und hat in den nächsten Jahren eifrig dafür gewirkt. Wenn

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/32>, abgerufen am 24.11.2024.