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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 18. Entscheidungskampf zwischen Kaisertum u. Papsttum (1239-1250).
Wenn trotz dieser unsäglich ungünstigen Verhältnisse der Kampf
noch achtzehn Jahre fortgesetzt werden konnte, und die Entschei-
dung, die noch mehrmals auf des Messers Schneide stand, von der
Kurie schließlich doch nur durch Hereinziehen der französischen
Macht herbeigeführt wurde, jenes "Rohrstabes, der als Stütze ihr
bald genug selbst die Hand durchbohren" sollte, -- so spricht das
besser als alles andre für die Stärke, in der Friedrich bei seinem
Tode trotz allem sein Werk noch immer zurückließ.

Deutschland hat vom nationalen Standpunkt aus schwerlich
Grund, zu wünschen, daß es gesiegt hätte; denn da es für die
Aufrichtung eines zentralistischen Beamtenregiments viel weniger
Spielraum bot als Italien, so wäre es wohl sicher zum Nebenland
des Imperiums herabgesunken. Aber eine tiefe Sehnsucht nach der
entschwundenen Kaiserherrlichkeit blieb doch in den Gemütern von
Tausenden zurück und wuchs in der Not der folgenden Zeiten.
Sie fand ihren Niederschlag in der deutschen Kaisersage1), in der
die Person Friedrichs II. zum Mittelpunkt ward von Weltunter-
gangsvorstellungen, mythologischen Beimischungen und nationalen
Hoffnungen, und die sich nicht zum wenigsten deswegen in
dem thüringischen Berge Kyffhäuser lokalisierte, weil sich auf den
Sohn der Kaisertochter Margarathe, den Wettiner Friedrich den
Freidigen später die letzten Hoffnungen der Ghibellinen richteten.

Aber auch die Erinnerung an die kirchlichen Kämpfe hat in
Deutschland lange nachgewirkt, und es ist kein geringerer als Ranke,
der in seiner Weltgeschichte die Behauptung wagt, "daß die Un-
gerechtigkeit, welche in dem Verhalten des siegreichen Papsttums
lag, der erste Grund zu dem späteren Abfall von der Kirche wurde,
insofern diese nicht allein in der Theologie, sondern auch in den
populären Gefühlen wurzelte". "Was Luther", so fährt er fort, "im
Eingang seiner Schrift an den christlichen Adel deutscher Nation
beklagt, daß die teuren Fürsten Friedrich der Erste und der Andere
und viel mehr deutscher Kaiser so jämmerlich von den Päpsten
mit Füßen getreten und verdrückt seien, davon hat sich eine
Empfindung, zumal in den deutschen Städten, welche sich zuletzt
eben deswegen für die untergehende staufische Sache schlugen,
durch die Jahrhunderte des sinkenden Mittelalters erhalten".



aus dem Zusammenhang der Geschichte des deutschen Interregnums heraus-
zureißen, die einem späteren Bändchen vorbehalten bleibt.
1) Vgl. oben S. 172.
Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 17

§ 18. Entscheidungskampf zwischen Kaisertum u. Papsttum (1239‒1250).
Wenn trotz dieser unsäglich ungünstigen Verhältnisse der Kampf
noch achtzehn Jahre fortgesetzt werden konnte, und die Entschei-
dung, die noch mehrmals auf des Messers Schneide stand, von der
Kurie schließlich doch nur durch Hereinziehen der französischen
Macht herbeigeführt wurde, jenes „Rohrstabes, der als Stütze ihr
bald genug selbst die Hand durchbohren“ sollte, — so spricht das
besser als alles andre für die Stärke, in der Friedrich bei seinem
Tode trotz allem sein Werk noch immer zurückließ.

Deutschland hat vom nationalen Standpunkt aus schwerlich
Grund, zu wünschen, daß es gesiegt hätte; denn da es für die
Aufrichtung eines zentralistischen Beamtenregiments viel weniger
Spielraum bot als Italien, so wäre es wohl sicher zum Nebenland
des Imperiums herabgesunken. Aber eine tiefe Sehnsucht nach der
entschwundenen Kaiserherrlichkeit blieb doch in den Gemütern von
Tausenden zurück und wuchs in der Not der folgenden Zeiten.
Sie fand ihren Niederschlag in der deutschen Kaisersage1), in der
die Person Friedrichs II. zum Mittelpunkt ward von Weltunter-
gangsvorstellungen, mythologischen Beimischungen und nationalen
Hoffnungen, und die sich nicht zum wenigsten deswegen in
dem thüringischen Berge Kyffhäuser lokalisierte, weil sich auf den
Sohn der Kaisertochter Margarathe, den Wettiner Friedrich den
Freidigen später die letzten Hoffnungen der Ghibellinen richteten.

Aber auch die Erinnerung an die kirchlichen Kämpfe hat in
Deutschland lange nachgewirkt, und es ist kein geringerer als Ranke,
der in seiner Weltgeschichte die Behauptung wagt, „daß die Un-
gerechtigkeit, welche in dem Verhalten des siegreichen Papsttums
lag, der erste Grund zu dem späteren Abfall von der Kirche wurde,
insofern diese nicht allein in der Theologie, sondern auch in den
populären Gefühlen wurzelte“. „Was Luther“, so fährt er fort, „im
Eingang seiner Schrift an den christlichen Adel deutscher Nation
beklagt, daß die teuren Fürsten Friedrich der Erste und der Andere
und viel mehr deutscher Kaiser so jämmerlich von den Päpsten
mit Füßen getreten und verdrückt seien, davon hat sich eine
Empfindung, zumal in den deutschen Städten, welche sich zuletzt
eben deswegen für die untergehende staufische Sache schlugen,
durch die Jahrhunderte des sinkenden Mittelalters erhalten“.



aus dem Zusammenhang der Geschichte des deutschen Interregnums heraus-
zureißen, die einem späteren Bändchen vorbehalten bleibt.
1) Vgl. oben S. 172.
Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 17
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[257/0265] § 18. Entscheidungskampf zwischen Kaisertum u. Papsttum (1239‒1250). Wenn trotz dieser unsäglich ungünstigen Verhältnisse der Kampf noch achtzehn Jahre fortgesetzt werden konnte, und die Entschei- dung, die noch mehrmals auf des Messers Schneide stand, von der Kurie schließlich doch nur durch Hereinziehen der französischen Macht herbeigeführt wurde, jenes „Rohrstabes, der als Stütze ihr bald genug selbst die Hand durchbohren“ sollte, — so spricht das besser als alles andre für die Stärke, in der Friedrich bei seinem Tode trotz allem sein Werk noch immer zurückließ. Deutschland hat vom nationalen Standpunkt aus schwerlich Grund, zu wünschen, daß es gesiegt hätte; denn da es für die Aufrichtung eines zentralistischen Beamtenregiments viel weniger Spielraum bot als Italien, so wäre es wohl sicher zum Nebenland des Imperiums herabgesunken. Aber eine tiefe Sehnsucht nach der entschwundenen Kaiserherrlichkeit blieb doch in den Gemütern von Tausenden zurück und wuchs in der Not der folgenden Zeiten. Sie fand ihren Niederschlag in der deutschen Kaisersage 1), in der die Person Friedrichs II. zum Mittelpunkt ward von Weltunter- gangsvorstellungen, mythologischen Beimischungen und nationalen Hoffnungen, und die sich nicht zum wenigsten deswegen in dem thüringischen Berge Kyffhäuser lokalisierte, weil sich auf den Sohn der Kaisertochter Margarathe, den Wettiner Friedrich den Freidigen später die letzten Hoffnungen der Ghibellinen richteten. Aber auch die Erinnerung an die kirchlichen Kämpfe hat in Deutschland lange nachgewirkt, und es ist kein geringerer als Ranke, der in seiner Weltgeschichte die Behauptung wagt, „daß die Un- gerechtigkeit, welche in dem Verhalten des siegreichen Papsttums lag, der erste Grund zu dem späteren Abfall von der Kirche wurde, insofern diese nicht allein in der Theologie, sondern auch in den populären Gefühlen wurzelte“. „Was Luther“, so fährt er fort, „im Eingang seiner Schrift an den christlichen Adel deutscher Nation beklagt, daß die teuren Fürsten Friedrich der Erste und der Andere und viel mehr deutscher Kaiser so jämmerlich von den Päpsten mit Füßen getreten und verdrückt seien, davon hat sich eine Empfindung, zumal in den deutschen Städten, welche sich zuletzt eben deswegen für die untergehende staufische Sache schlugen, durch die Jahrhunderte des sinkenden Mittelalters erhalten“. 5) 1) Vgl. oben S. 172. 5) aus dem Zusammenhang der Geschichte des deutschen Interregnums heraus- zureißen, die einem späteren Bändchen vorbehalten bleibt. Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 17

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/265>, abgerufen am 26.11.2024.