Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.II. Die Zeit der Staufer. den Päpstlichen gefangen und bestochen, dann durch Auswechselungan den Hof zurückgekehrt war, hatte seinem Herrn einen Gifttrank gereicht. Der Kelch war an dem rechtzeitig gewarnten Herrscher noch eben vorübergegangen, der nun befahl, den geständigen Hoch- verräter unter entsetzlichen, fortwährenden Martern durch das sizilische Reich zu führen und schließlich hinzurichten. Auch gegen Peter von Vinea ließ er unnachsichtige Strenge walten. Er ward gefangen und vor der Wut des Volkes, das ihn lynchen wollte, durch nächt- liche Fortführung geschützt. Als dann der Kaiser sich zur Her- stellung seiner zerrütteten Finanzen, zur erneuten Reinigung des Beamtenkörpers und Bekämpfung der päpstlichen Agitationen nach seinem sizilischen Erbreiche zurückwandte, ward jener gefesselt mit- geführt, und als sich Friedrichs Aufenthalt in Tuszien in die Länge zog, in S. Miniato eingekerkert und nach erfolgter Verurteilung ge- blendet. Dort im Gefängnis hat er sich, wie es scheint, selbst den Tod gegeben. Sein Sturz erregte ungeheures Aufsehen in der ganzen Welt und gab, da die Gründe zurückgehalten wurden, Anlaß zu abenteuerlichem Gerede. Die Verquickung mit jenem Giftmord- versuch und die Annahme verräterischer Beziehungen zum Papst- tum lagen nur allzu nahe. Von diesem Verdacht ist Peter mit Sicherheit freizusprechen. Aber bei allem Anteil, den der Unter- gang des hochverdienten Mannes auslöst, wird der Historiker sich Dantes warmherzigem Eintreten für seine volle Unschuld nicht an- schließen dürfen. Es liegt auch nicht der mindeste Grund vor, an der Gerechtigkeit des kaiserlichen Urteils zu zweifeln, und schon diese Untreue gegen die Majestät des Herrschers galt der Zeit als schwerer Verrat.1) 1) Indem ich mir ausführlichere Darlegungen über die durch Dürftigkeit
und Unsicherheit der unmittelbaren Quellen, legendarische Entstellungen und kritiklose Forschung arg verwickelte Schuldfrage vorbehalte, bemerke ich hier das Folgende. Schlechthin entscheidend für die Auffassung ist Reg. Imp. V, 3764, wo Peter vom Kaiser selbst nur der unerlaubten, allerdings in gerade- zu staatsgefährlichem Maße ausgeführten Bereicherung durch sein Amt be- zichtigt wird. Solche Vergehen, ausgeführt in längerer Amtswaltung, lassen sich denn doch wahrlich beweisen oder widerlegen! Wie sollte sich Friedrich seines fähigsten Helfers beraubt und dies furchtbare Odium auf seine Regierung gewälzt haben, wenn er nicht durch zweifellose Beweise zum Einschreiten ge- zwungen war? Daß uns heute die Akten der Amtsführung nicht soweit er- halten sind, um die Schuldfrage nachprüfen zu können, ist selbstverständlich. Eine erstaunlich reiche Hinterlassenschaft Peters steht übrigens fest, und unter den Belegen der folgenden Jahre spricht keiner auch nur entfernt dafür, daß man etwa nachträglich zu der Erkenntnis gekommen wäre, man habe ihm doch zu viel getan. Im Grunde ist es ja auch nur Dantes ehrwürdiges Urteil (Inferno 13), das hier, wie in so manchem andern Punkte, der Erkenntnis der historischen Wahrheit hemmend im Wege gestanden hat. -- Eine Verquickung mit dem Mordversuche des Arztes ist aber wohl sicher abzuweisen, wenn II. Die Zeit der Staufer. den Päpstlichen gefangen und bestochen, dann durch Auswechselungan den Hof zurückgekehrt war, hatte seinem Herrn einen Gifttrank gereicht. Der Kelch war an dem rechtzeitig gewarnten Herrscher noch eben vorübergegangen, der nun befahl, den geständigen Hoch- verräter unter entsetzlichen, fortwährenden Martern durch das sizilische Reich zu führen und schließlich hinzurichten. Auch gegen Peter von Vinea ließ er unnachsichtige Strenge walten. Er ward gefangen und vor der Wut des Volkes, das ihn lynchen wollte, durch nächt- liche Fortführung geschützt. Als dann der Kaiser sich zur Her- stellung seiner zerrütteten Finanzen, zur erneuten Reinigung des Beamtenkörpers und Bekämpfung der päpstlichen Agitationen nach seinem sizilischen Erbreiche zurückwandte, ward jener gefesselt mit- geführt, und als sich Friedrichs Aufenthalt in Tuszien in die Länge zog, in S. Miniato eingekerkert und nach erfolgter Verurteilung ge- blendet. Dort im Gefängnis hat er sich, wie es scheint, selbst den Tod gegeben. Sein Sturz erregte ungeheures Aufsehen in der ganzen Welt und gab, da die Gründe zurückgehalten wurden, Anlaß zu abenteuerlichem Gerede. Die Verquickung mit jenem Giftmord- versuch und die Annahme verräterischer Beziehungen zum Papst- tum lagen nur allzu nahe. Von diesem Verdacht ist Peter mit Sicherheit freizusprechen. Aber bei allem Anteil, den der Unter- gang des hochverdienten Mannes auslöst, wird der Historiker sich Dantes warmherzigem Eintreten für seine volle Unschuld nicht an- schließen dürfen. Es liegt auch nicht der mindeste Grund vor, an der Gerechtigkeit des kaiserlichen Urteils zu zweifeln, und schon diese Untreue gegen die Majestät des Herrschers galt der Zeit als schwerer Verrat.1) 1) Indem ich mir ausführlichere Darlegungen über die durch Dürftigkeit
und Unsicherheit der unmittelbaren Quellen, legendarische Entstellungen und kritiklose Forschung arg verwickelte Schuldfrage vorbehalte, bemerke ich hier das Folgende. Schlechthin entscheidend für die Auffassung ist Reg. Imp. V, 3764, wo Peter vom Kaiser selbst nur der unerlaubten, allerdings in gerade- zu staatsgefährlichem Maße ausgeführten Bereicherung durch sein Amt be- zichtigt wird. Solche Vergehen, ausgeführt in längerer Amtswaltung, lassen sich denn doch wahrlich beweisen oder widerlegen! Wie sollte sich Friedrich seines fähigsten Helfers beraubt und dies furchtbare Odium auf seine Regierung gewälzt haben, wenn er nicht durch zweifellose Beweise zum Einschreiten ge- zwungen war? Daß uns heute die Akten der Amtsführung nicht soweit er- halten sind, um die Schuldfrage nachprüfen zu können, ist selbstverständlich. Eine erstaunlich reiche Hinterlassenschaft Peters steht übrigens fest, und unter den Belegen der folgenden Jahre spricht keiner auch nur entfernt dafür, daß man etwa nachträglich zu der Erkenntnis gekommen wäre, man habe ihm doch zu viel getan. Im Grunde ist es ja auch nur Dantes ehrwürdiges Urteil (Inferno 13), das hier, wie in so manchem andern Punkte, der Erkenntnis der historischen Wahrheit hemmend im Wege gestanden hat. — Eine Verquickung mit dem Mordversuche des Arztes ist aber wohl sicher abzuweisen, wenn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0262" n="254"/><fw place="top" type="header">II. Die Zeit der Staufer.</fw><lb/> den Päpstlichen gefangen und bestochen, dann durch Auswechselung<lb/> an den Hof zurückgekehrt war, hatte seinem Herrn einen Gifttrank<lb/> gereicht. Der Kelch war an dem rechtzeitig gewarnten Herrscher<lb/> noch eben vorübergegangen, der nun befahl, den geständigen Hoch-<lb/> verräter unter entsetzlichen, fortwährenden Martern durch das sizilische<lb/> Reich zu führen und schließlich hinzurichten. Auch gegen Peter<lb/> von Vinea ließ er unnachsichtige Strenge walten. Er ward gefangen<lb/> und vor der Wut des Volkes, das ihn lynchen wollte, durch nächt-<lb/> liche Fortführung geschützt. Als dann der Kaiser sich zur Her-<lb/> stellung seiner zerrütteten Finanzen, zur erneuten Reinigung des<lb/> Beamtenkörpers und Bekämpfung der päpstlichen Agitationen nach<lb/> seinem sizilischen Erbreiche zurückwandte, ward jener gefesselt mit-<lb/> geführt, und als sich Friedrichs Aufenthalt in Tuszien in die Länge<lb/> zog, in S. Miniato eingekerkert und nach erfolgter Verurteilung ge-<lb/> blendet. Dort im Gefängnis hat er sich, wie es scheint, selbst den<lb/> Tod gegeben. Sein Sturz erregte ungeheures Aufsehen in der ganzen<lb/> Welt und gab, da die Gründe zurückgehalten wurden, Anlaß zu<lb/> abenteuerlichem Gerede. Die Verquickung mit jenem Giftmord-<lb/> versuch und die Annahme verräterischer Beziehungen zum Papst-<lb/> tum lagen nur allzu nahe. Von diesem Verdacht ist Peter mit<lb/> Sicherheit freizusprechen. Aber bei allem Anteil, den der Unter-<lb/> gang des hochverdienten Mannes auslöst, wird der Historiker sich<lb/> Dantes warmherzigem Eintreten für seine volle Unschuld nicht an-<lb/> schließen dürfen. Es liegt auch nicht der mindeste Grund vor, an<lb/> der Gerechtigkeit des kaiserlichen Urteils zu zweifeln, und schon<lb/> diese Untreue gegen die Majestät des Herrschers galt der Zeit als<lb/> schwerer Verrat.<note xml:id="a254" next="#b254" place="foot" n="1)">Indem ich mir ausführlichere Darlegungen über die durch Dürftigkeit<lb/> und Unsicherheit der unmittelbaren Quellen, legendarische Entstellungen und<lb/> kritiklose Forschung arg verwickelte Schuldfrage vorbehalte, bemerke ich hier<lb/> das Folgende. Schlechthin entscheidend für die Auffassung ist Reg. Imp.<lb/> V, 3764, wo Peter vom Kaiser selbst nur der unerlaubten, allerdings in gerade-<lb/> zu staatsgefährlichem Maße ausgeführten Bereicherung durch sein Amt be-<lb/> zichtigt wird. Solche Vergehen, ausgeführt in längerer Amtswaltung, lassen<lb/> sich denn doch wahrlich beweisen oder widerlegen! Wie sollte sich Friedrich<lb/> seines fähigsten Helfers beraubt und dies furchtbare Odium auf seine Regierung<lb/> gewälzt haben, wenn er nicht durch zweifellose Beweise zum Einschreiten ge-<lb/> zwungen war? Daß uns heute die Akten der Amtsführung nicht soweit er-<lb/> halten sind, um die Schuldfrage nachprüfen zu können, ist selbstverständlich.<lb/> Eine erstaunlich reiche Hinterlassenschaft Peters steht übrigens fest, und unter<lb/> den Belegen der folgenden Jahre spricht keiner auch nur entfernt dafür, daß<lb/> man etwa nachträglich zu der Erkenntnis gekommen wäre, man habe ihm doch<lb/> zu viel getan. Im Grunde ist es ja auch nur Dantes ehrwürdiges Urteil<lb/> (Inferno 13), das hier, wie in so manchem andern Punkte, der Erkenntnis der<lb/> historischen Wahrheit hemmend im Wege gestanden hat. — Eine Verquickung<lb/> mit dem Mordversuche des Arztes ist aber wohl sicher abzuweisen, wenn</note></p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [254/0262]
II. Die Zeit der Staufer.
den Päpstlichen gefangen und bestochen, dann durch Auswechselung
an den Hof zurückgekehrt war, hatte seinem Herrn einen Gifttrank
gereicht. Der Kelch war an dem rechtzeitig gewarnten Herrscher
noch eben vorübergegangen, der nun befahl, den geständigen Hoch-
verräter unter entsetzlichen, fortwährenden Martern durch das sizilische
Reich zu führen und schließlich hinzurichten. Auch gegen Peter
von Vinea ließ er unnachsichtige Strenge walten. Er ward gefangen
und vor der Wut des Volkes, das ihn lynchen wollte, durch nächt-
liche Fortführung geschützt. Als dann der Kaiser sich zur Her-
stellung seiner zerrütteten Finanzen, zur erneuten Reinigung des
Beamtenkörpers und Bekämpfung der päpstlichen Agitationen nach
seinem sizilischen Erbreiche zurückwandte, ward jener gefesselt mit-
geführt, und als sich Friedrichs Aufenthalt in Tuszien in die Länge
zog, in S. Miniato eingekerkert und nach erfolgter Verurteilung ge-
blendet. Dort im Gefängnis hat er sich, wie es scheint, selbst den
Tod gegeben. Sein Sturz erregte ungeheures Aufsehen in der ganzen
Welt und gab, da die Gründe zurückgehalten wurden, Anlaß zu
abenteuerlichem Gerede. Die Verquickung mit jenem Giftmord-
versuch und die Annahme verräterischer Beziehungen zum Papst-
tum lagen nur allzu nahe. Von diesem Verdacht ist Peter mit
Sicherheit freizusprechen. Aber bei allem Anteil, den der Unter-
gang des hochverdienten Mannes auslöst, wird der Historiker sich
Dantes warmherzigem Eintreten für seine volle Unschuld nicht an-
schließen dürfen. Es liegt auch nicht der mindeste Grund vor, an
der Gerechtigkeit des kaiserlichen Urteils zu zweifeln, und schon
diese Untreue gegen die Majestät des Herrschers galt der Zeit als
schwerer Verrat. 1)
1) Indem ich mir ausführlichere Darlegungen über die durch Dürftigkeit
und Unsicherheit der unmittelbaren Quellen, legendarische Entstellungen und
kritiklose Forschung arg verwickelte Schuldfrage vorbehalte, bemerke ich hier
das Folgende. Schlechthin entscheidend für die Auffassung ist Reg. Imp.
V, 3764, wo Peter vom Kaiser selbst nur der unerlaubten, allerdings in gerade-
zu staatsgefährlichem Maße ausgeführten Bereicherung durch sein Amt be-
zichtigt wird. Solche Vergehen, ausgeführt in längerer Amtswaltung, lassen
sich denn doch wahrlich beweisen oder widerlegen! Wie sollte sich Friedrich
seines fähigsten Helfers beraubt und dies furchtbare Odium auf seine Regierung
gewälzt haben, wenn er nicht durch zweifellose Beweise zum Einschreiten ge-
zwungen war? Daß uns heute die Akten der Amtsführung nicht soweit er-
halten sind, um die Schuldfrage nachprüfen zu können, ist selbstverständlich.
Eine erstaunlich reiche Hinterlassenschaft Peters steht übrigens fest, und unter
den Belegen der folgenden Jahre spricht keiner auch nur entfernt dafür, daß
man etwa nachträglich zu der Erkenntnis gekommen wäre, man habe ihm doch
zu viel getan. Im Grunde ist es ja auch nur Dantes ehrwürdiges Urteil
(Inferno 13), das hier, wie in so manchem andern Punkte, der Erkenntnis der
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