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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 18. Entscheidungskampf zwischen Kaisertum u. Papsttum (1239-1250).
blicke an auf das klarste und sicherste entschlossen, den gesamten
Umfang der Herrschaftsansprüche seiner großen Vorgänger mit dem
Einsatz aller Kraft zu behaupten. Von der schrankenlosen Leiden-
schaft und stürmischen Wucht Gregors IX. zeigte er freilich nichts,
aber wie einst Urban II. gegenüber Gregor VII., war er eben
deswegen nur ein um so gefährlicherer politischer Gegner. In
seinen verbindlichen, weltmännischen Formen, in seiner verschlagenen,
völlig skrupellosen Diplomatie, in der Vereinigung von kluger Vor-
sicht und zugreifendem Wagemut, in der jedem Wechsel sich an-
passenden Kombinationsgabe, in der raschen Erkenntnis und rück-
sichtslosen Ausbeutung jeglichen Vorteils, in der ganzen realistischen
Lebensauffassung und Menschenbehandlung verriet er deutlich genug
den Genuesen. Jede innerliche Religiosität, alle Tiefen der Mystik,
jeglicher Aufschwung des ethischen Gefühls waren ihm fremd; seine
kühl-ironische Natur arbeitete nur mit den greifbaren Werten dieser
Welt, aber innerhalb dieses Kreises, dessen Umgrenzung freilich
jeden Anspruch auf echthistorische Größe ausschließt, bewegte er
sich mit vollendeter Meisterschaft; hier war er seinem kaiserlichen
Gegner, den er an Reichtum und Tiefe der Veranlagung nicht ent-
fernt erreichte, unbedingt überlegen. Und dieser klare und nüchterne
Staatsmann setzte sich nun zum einzigen Lebensziel die Vernichtung
des staufischen Kaisertums! Unter bewußter Vernachlässigung aller
andern kirchlichen Aufgaben, unter Aufhebung aller hinderlichen
kanonischen Satzungen, unter Preisgabe von Rechtsgefühl und feinerem
sittlichen Empfinden wurden alle Werte, über die die Papstkirche
nur irgend verfügte: Besitztümer und Rechte, Steuern und Zehnten,
geistliche Ämter und Anwartschaften, Disziplinarmittel und Indul-
genzen, Kreuzzugsgelübde und Schlüsselgewalt, irdische und himm-
lische Verheißungen umgemünzt in politische, militärische, finanzielle
Kampfmittel! Der Erfolg dieser beispiellosen Konzentration war in
der Tat die Behauptung, solange Friedrich lebte, der Sieg nach
seinem Tode. Aber die Kehrseite war, daß der kirchliche Organis-
mus sich seinen eigentlichen Daseinszwecken völlig entfremdete,
religiös und sittlich verödete und auf der Gipfelhöhe weltlicher
Macht doch schon die Keime inneren Verfalls in sich aufnahm.

Die Rücksicht auf das allgemeine Friedensbedürfnis der Christen-
heit zwang Innozenz IV., der nicht von vornherein unversöhnlich
erscheinen durfte, zunächst auf die vom Kaiser angebotenen Unter-
handlungen einzugehen.1) Friedrich setzte sie fort, obwohl er sich

1) Die Arbeiten von Tammen (Leipz. Diss. 1886) und H. Weber (1900)
über diese Dinge dringen nicht tief. Besser die zeitlich daran anschließende
Schrift von A. Folz, Kaiser F. II. u. P. Inn. IV. Ihr Kampf i. d. J. 1244 u.
1245 (1905); dazu vgl. Hist. Ztschr. 101, 371 ff.

§ 18. Entscheidungskampf zwischen Kaisertum u. Papsttum (1239‒1250).
blicke an auf das klarste und sicherste entschlossen, den gesamten
Umfang der Herrschaftsansprüche seiner großen Vorgänger mit dem
Einsatz aller Kraft zu behaupten. Von der schrankenlosen Leiden-
schaft und stürmischen Wucht Gregors IX. zeigte er freilich nichts,
aber wie einst Urban II. gegenüber Gregor VII., war er eben
deswegen nur ein um so gefährlicherer politischer Gegner. In
seinen verbindlichen, weltmännischen Formen, in seiner verschlagenen,
völlig skrupellosen Diplomatie, in der Vereinigung von kluger Vor-
sicht und zugreifendem Wagemut, in der jedem Wechsel sich an-
passenden Kombinationsgabe, in der raschen Erkenntnis und rück-
sichtslosen Ausbeutung jeglichen Vorteils, in der ganzen realistischen
Lebensauffassung und Menschenbehandlung verriet er deutlich genug
den Genuesen. Jede innerliche Religiosität, alle Tiefen der Mystik,
jeglicher Aufschwung des ethischen Gefühls waren ihm fremd; seine
kühl-ironische Natur arbeitete nur mit den greifbaren Werten dieser
Welt, aber innerhalb dieses Kreises, dessen Umgrenzung freilich
jeden Anspruch auf echthistorische Größe ausschließt, bewegte er
sich mit vollendeter Meisterschaft; hier war er seinem kaiserlichen
Gegner, den er an Reichtum und Tiefe der Veranlagung nicht ent-
fernt erreichte, unbedingt überlegen. Und dieser klare und nüchterne
Staatsmann setzte sich nun zum einzigen Lebensziel die Vernichtung
des staufischen Kaisertums! Unter bewußter Vernachlässigung aller
andern kirchlichen Aufgaben, unter Aufhebung aller hinderlichen
kanonischen Satzungen, unter Preisgabe von Rechtsgefühl und feinerem
sittlichen Empfinden wurden alle Werte, über die die Papstkirche
nur irgend verfügte: Besitztümer und Rechte, Steuern und Zehnten,
geistliche Ämter und Anwartschaften, Disziplinarmittel und Indul-
genzen, Kreuzzugsgelübde und Schlüsselgewalt, irdische und himm-
lische Verheißungen umgemünzt in politische, militärische, finanzielle
Kampfmittel! Der Erfolg dieser beispiellosen Konzentration war in
der Tat die Behauptung, solange Friedrich lebte, der Sieg nach
seinem Tode. Aber die Kehrseite war, daß der kirchliche Organis-
mus sich seinen eigentlichen Daseinszwecken völlig entfremdete,
religiös und sittlich verödete und auf der Gipfelhöhe weltlicher
Macht doch schon die Keime inneren Verfalls in sich aufnahm.

Die Rücksicht auf das allgemeine Friedensbedürfnis der Christen-
heit zwang Innozenz IV., der nicht von vornherein unversöhnlich
erscheinen durfte, zunächst auf die vom Kaiser angebotenen Unter-
handlungen einzugehen.1) Friedrich setzte sie fort, obwohl er sich

1) Die Arbeiten von Tammen (Leipz. Diss. 1886) und H. Weber (1900)
über diese Dinge dringen nicht tief. Besser die zeitlich daran anschließende
Schrift von A. Folz, Kaiser F. II. u. P. Inn. IV. Ihr Kampf i. d. J. 1244 u.
1245 (1905); dazu vgl. Hist. Ztschr. 101, 371 ff.
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[245/0253] § 18. Entscheidungskampf zwischen Kaisertum u. Papsttum (1239‒1250). blicke an auf das klarste und sicherste entschlossen, den gesamten Umfang der Herrschaftsansprüche seiner großen Vorgänger mit dem Einsatz aller Kraft zu behaupten. Von der schrankenlosen Leiden- schaft und stürmischen Wucht Gregors IX. zeigte er freilich nichts, aber wie einst Urban II. gegenüber Gregor VII., war er eben deswegen nur ein um so gefährlicherer politischer Gegner. In seinen verbindlichen, weltmännischen Formen, in seiner verschlagenen, völlig skrupellosen Diplomatie, in der Vereinigung von kluger Vor- sicht und zugreifendem Wagemut, in der jedem Wechsel sich an- passenden Kombinationsgabe, in der raschen Erkenntnis und rück- sichtslosen Ausbeutung jeglichen Vorteils, in der ganzen realistischen Lebensauffassung und Menschenbehandlung verriet er deutlich genug den Genuesen. Jede innerliche Religiosität, alle Tiefen der Mystik, jeglicher Aufschwung des ethischen Gefühls waren ihm fremd; seine kühl-ironische Natur arbeitete nur mit den greifbaren Werten dieser Welt, aber innerhalb dieses Kreises, dessen Umgrenzung freilich jeden Anspruch auf echthistorische Größe ausschließt, bewegte er sich mit vollendeter Meisterschaft; hier war er seinem kaiserlichen Gegner, den er an Reichtum und Tiefe der Veranlagung nicht ent- fernt erreichte, unbedingt überlegen. Und dieser klare und nüchterne Staatsmann setzte sich nun zum einzigen Lebensziel die Vernichtung des staufischen Kaisertums! Unter bewußter Vernachlässigung aller andern kirchlichen Aufgaben, unter Aufhebung aller hinderlichen kanonischen Satzungen, unter Preisgabe von Rechtsgefühl und feinerem sittlichen Empfinden wurden alle Werte, über die die Papstkirche nur irgend verfügte: Besitztümer und Rechte, Steuern und Zehnten, geistliche Ämter und Anwartschaften, Disziplinarmittel und Indul- genzen, Kreuzzugsgelübde und Schlüsselgewalt, irdische und himm- lische Verheißungen umgemünzt in politische, militärische, finanzielle Kampfmittel! Der Erfolg dieser beispiellosen Konzentration war in der Tat die Behauptung, solange Friedrich lebte, der Sieg nach seinem Tode. Aber die Kehrseite war, daß der kirchliche Organis- mus sich seinen eigentlichen Daseinszwecken völlig entfremdete, religiös und sittlich verödete und auf der Gipfelhöhe weltlicher Macht doch schon die Keime inneren Verfalls in sich aufnahm. Die Rücksicht auf das allgemeine Friedensbedürfnis der Christen- heit zwang Innozenz IV., der nicht von vornherein unversöhnlich erscheinen durfte, zunächst auf die vom Kaiser angebotenen Unter- handlungen einzugehen. 1) Friedrich setzte sie fort, obwohl er sich 1) Die Arbeiten von Tammen (Leipz. Diss. 1886) und H. Weber (1900) über diese Dinge dringen nicht tief. Besser die zeitlich daran anschließende Schrift von A. Folz, Kaiser F. II. u. P. Inn. IV. Ihr Kampf i. d. J. 1244 u. 1245 (1905); dazu vgl. Hist. Ztschr. 101, 371 ff.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/253>, abgerufen am 25.11.2024.