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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.

Wann hatte sich ein deutscher Herrscher selbständig wissen-
schaftlich betätigt? Man müßte etwa zurückgehen auf die kümmer-
lichen Versuche des Merowingers Chilperich oder die Ansätze Karls
d. Gr. Friedrich ward durch seine Liebhaberei für die Falkenjagd
zu ernsten zoologischen Studien geführt, die in seinem durch jahr-
zehntelangen, echt wissenschaftlichen Sammelfleiß, durchdringende
Beobachtung und kritischen Scharfsinn ausgezeichneten Buche "über
die Kunst der Jagd mit Vögeln" einen höchstbedeutenden Nieder-
schlag fanden. Er eröffnete so die kurze Reihe der großen Empi-
riker des dreizehnten Jahrhunderts, eines Albertus Magnus und
Roger Bacon. Für andre Wissensgebiete, für Heilkunde und Mathe-
matik, Philosophie und Astrologie zeigte er angeregtes und anre-
gendes Interesse und Verständnis, disputierte und korrespondierte
mit den bedeutendsten christlichen, mohammedanischen und jüdi-
schen Gelehrten seiner Zeit, sammelte sie nach Möglichkeit an
seinem Hofe zu einer Art von Akademie und suchte die Kenntnis
wichtiger griechischer, arabischer und hebräischer Werke, die er
selbst bei dem Reichtum seiner durch die sizilische Völkermischung
erklärten Sprachkenntnisse im Urtext las, durch Übersetzungen dem
Abendlande zugänglich zu machen. Die von ihm gegründete Uni-
versität Neapel, nächst kleineren spanischen Schöpfungen die erste
nach arabischem Muster errichtete Staatsuniversität in Europa, hatte
zwar in erster Linie die Aufgabe, dem Kaiser juristisch geschulte,
vor dem freiheitlichen Geiste Bolognas behütete Beamte großzuziehen,
diente aber doch auch den allgemeinen Bildungsinteressen.

Die Ausgestaltung einer in sich geschlossenen, den christlichen
Vorstellungen abgewandten philosophischen Weltanschauung wäre
seiner ganzen skeptischen Geistesrichtung ebensosehr, wie seinem
historischen Berufe als christlicher Kaiser entgegen gewesen. Seine
Haltung wird da etwa der doppelten Buchführung des Averroismus
und der Stellung der modernen aufgeklärten Romanen zur Kirche
entsprochen haben: autoritätsfeindlicher Zweifel, pietätloser Spott
und ein aus dem täglichen Umgang mit Andersgläubigen erwach-
sener toleranter Indifferentismus bei voller Bewahrung und Betonung
der kirchlichen Zugehörigkeit, so daß trotz eigner häretischer Nei-
gungen sich seine Behandlung der Ketzer immerhin auch aus andern
als rein politischen Gründen begreift.

nicht annähernd eine ähnliche Wirkung auf die europäische Kultur geübt;
das große geographische Werk des Edrisi etwa blieb nahezu ganz unbekannt.
Neueren Versuchen, wie etwa dem von Hauck, bei F. die moderneren Züge
stark zurücktreten zu lassen, kann ich mich nicht anschließen, vergl. Hist.
Ztschr. 93, 422 ff. Von Hauck stark beeinflußt ist auch Seeliger in dem
Prachtwerk "Deutsche Gedenkhalle" (o. J., c. 1907), dem ich auch in seiner
sonstigen Beurteilung F.s nicht durchgehends zustimme.
II. Die Zeit der Staufer.

Wann hatte sich ein deutscher Herrscher selbständig wissen-
schaftlich betätigt? Man müßte etwa zurückgehen auf die kümmer-
lichen Versuche des Merowingers Chilperich oder die Ansätze Karls
d. Gr. Friedrich ward durch seine Liebhaberei für die Falkenjagd
zu ernsten zoologischen Studien geführt, die in seinem durch jahr-
zehntelangen, echt wissenschaftlichen Sammelfleiß, durchdringende
Beobachtung und kritischen Scharfsinn ausgezeichneten Buche „über
die Kunst der Jagd mit Vögeln“ einen höchstbedeutenden Nieder-
schlag fanden. Er eröffnete so die kurze Reihe der großen Empi-
riker des dreizehnten Jahrhunderts, eines Albertus Magnus und
Roger Bacon. Für andre Wissensgebiete, für Heilkunde und Mathe-
matik, Philosophie und Astrologie zeigte er angeregtes und anre-
gendes Interesse und Verständnis, disputierte und korrespondierte
mit den bedeutendsten christlichen, mohammedanischen und jüdi-
schen Gelehrten seiner Zeit, sammelte sie nach Möglichkeit an
seinem Hofe zu einer Art von Akademie und suchte die Kenntnis
wichtiger griechischer, arabischer und hebräischer Werke, die er
selbst bei dem Reichtum seiner durch die sizilische Völkermischung
erklärten Sprachkenntnisse im Urtext las, durch Übersetzungen dem
Abendlande zugänglich zu machen. Die von ihm gegründete Uni-
versität Neapel, nächst kleineren spanischen Schöpfungen die erste
nach arabischem Muster errichtete Staatsuniversität in Europa, hatte
zwar in erster Linie die Aufgabe, dem Kaiser juristisch geschulte,
vor dem freiheitlichen Geiste Bolognas behütete Beamte großzuziehen,
diente aber doch auch den allgemeinen Bildungsinteressen.

Die Ausgestaltung einer in sich geschlossenen, den christlichen
Vorstellungen abgewandten philosophischen Weltanschauung wäre
seiner ganzen skeptischen Geistesrichtung ebensosehr, wie seinem
historischen Berufe als christlicher Kaiser entgegen gewesen. Seine
Haltung wird da etwa der doppelten Buchführung des Averroismus
und der Stellung der modernen aufgeklärten Romanen zur Kirche
entsprochen haben: autoritätsfeindlicher Zweifel, pietätloser Spott
und ein aus dem täglichen Umgang mit Andersgläubigen erwach-
sener toleranter Indifferentismus bei voller Bewahrung und Betonung
der kirchlichen Zugehörigkeit, so daß trotz eigner häretischer Nei-
gungen sich seine Behandlung der Ketzer immerhin auch aus andern
als rein politischen Gründen begreift.

nicht annähernd eine ähnliche Wirkung auf die europäische Kultur geübt;
das große geographische Werk des Edrisi etwa blieb nahezu ganz unbekannt.
Neueren Versuchen, wie etwa dem von Hauck, bei F. die moderneren Züge
stark zurücktreten zu lassen, kann ich mich nicht anschließen, vergl. Hist.
Ztschr. 93, 422 ff. Von Hauck stark beeinflußt ist auch Seeliger in dem
Prachtwerk „Deutsche Gedenkhalle“ (o. J., c. 1907), dem ich auch in seiner
sonstigen Beurteilung F.s nicht durchgehends zustimme.
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[222/0230] II. Die Zeit der Staufer. Wann hatte sich ein deutscher Herrscher selbständig wissen- schaftlich betätigt? Man müßte etwa zurückgehen auf die kümmer- lichen Versuche des Merowingers Chilperich oder die Ansätze Karls d. Gr. Friedrich ward durch seine Liebhaberei für die Falkenjagd zu ernsten zoologischen Studien geführt, die in seinem durch jahr- zehntelangen, echt wissenschaftlichen Sammelfleiß, durchdringende Beobachtung und kritischen Scharfsinn ausgezeichneten Buche „über die Kunst der Jagd mit Vögeln“ einen höchstbedeutenden Nieder- schlag fanden. Er eröffnete so die kurze Reihe der großen Empi- riker des dreizehnten Jahrhunderts, eines Albertus Magnus und Roger Bacon. Für andre Wissensgebiete, für Heilkunde und Mathe- matik, Philosophie und Astrologie zeigte er angeregtes und anre- gendes Interesse und Verständnis, disputierte und korrespondierte mit den bedeutendsten christlichen, mohammedanischen und jüdi- schen Gelehrten seiner Zeit, sammelte sie nach Möglichkeit an seinem Hofe zu einer Art von Akademie und suchte die Kenntnis wichtiger griechischer, arabischer und hebräischer Werke, die er selbst bei dem Reichtum seiner durch die sizilische Völkermischung erklärten Sprachkenntnisse im Urtext las, durch Übersetzungen dem Abendlande zugänglich zu machen. Die von ihm gegründete Uni- versität Neapel, nächst kleineren spanischen Schöpfungen die erste nach arabischem Muster errichtete Staatsuniversität in Europa, hatte zwar in erster Linie die Aufgabe, dem Kaiser juristisch geschulte, vor dem freiheitlichen Geiste Bolognas behütete Beamte großzuziehen, diente aber doch auch den allgemeinen Bildungsinteressen. Die Ausgestaltung einer in sich geschlossenen, den christlichen Vorstellungen abgewandten philosophischen Weltanschauung wäre seiner ganzen skeptischen Geistesrichtung ebensosehr, wie seinem historischen Berufe als christlicher Kaiser entgegen gewesen. Seine Haltung wird da etwa der doppelten Buchführung des Averroismus und der Stellung der modernen aufgeklärten Romanen zur Kirche entsprochen haben: autoritätsfeindlicher Zweifel, pietätloser Spott und ein aus dem täglichen Umgang mit Andersgläubigen erwach- sener toleranter Indifferentismus bei voller Bewahrung und Betonung der kirchlichen Zugehörigkeit, so daß trotz eigner häretischer Nei- gungen sich seine Behandlung der Ketzer immerhin auch aus andern als rein politischen Gründen begreift. 1) 1) nicht annähernd eine ähnliche Wirkung auf die europäische Kultur geübt; das große geographische Werk des Edrisi etwa blieb nahezu ganz unbekannt. Neueren Versuchen, wie etwa dem von Hauck, bei F. die moderneren Züge stark zurücktreten zu lassen, kann ich mich nicht anschließen, vergl. Hist. Ztschr. 93, 422 ff. Von Hauck stark beeinflußt ist auch Seeliger in dem Prachtwerk „Deutsche Gedenkhalle“ (o. J., c. 1907), dem ich auch in seiner sonstigen Beurteilung F.s nicht durchgehends zustimme.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/230>, abgerufen am 24.11.2024.