Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.§ 15. Innozenz III. und die deutschen Thronwirren. (1198-1216). Heinrichs des Löwen zu beobachten war, zusammen, und allefürstlichen Elemente, die ein staufisches Erbkaisertum fürchteten, gliederten sich an. So kam es vor allem auf Betreiben des Erz- bischofs Adolf von Köln, der durch die Abwesenheit des Mainzers im heiligen Lande an Einfluß gewann, zu der Gegenwahl Ottos IV., des dritten Sohnes Heinrichs des Löwen. Zu einem Zeitpunkte, in dem es mehr denn je der Zusammenfassung aller Volkskräfte gegen einen gewaltigen Papst und das ringsum drohende Ausland bedurft hätte, brach die alte Wunde Deutschlands, der staufisch- welfische Gegensatz, wieder auf. Ein verheerender Bürgerkrieg begann, ohne rasche Entscheidungen im offnen Felde, umso lang- wieriger und entsittlichender. Deutschlands größter politischer Dichter, Walter von der Vogelweide, der damals mit der ganzen Wucht seiner leidenschaftlichen Überzeugung für die Sache des Staufers eintrat, glaubte die Vorzeichen des jüngsten Gerichts zu erkennen. Die Thronbewerber, beide Jünglinge von wenig mehr als Philipp war als der jüngste von Barbarossas Söhnen ursprüng- 1) Über die Streitfrage betr. der Bannung u. Lösung Philipps vgl. Hauck,
Berichte der Sächs. Ges. d. Wiss., ph.-hist. Kl. 1904 S. 137 ff. § 15. Innozenz III. und die deutschen Thronwirren. (1198‒1216). Heinrichs des Löwen zu beobachten war, zusammen, und allefürstlichen Elemente, die ein staufisches Erbkaisertum fürchteten, gliederten sich an. So kam es vor allem auf Betreiben des Erz- bischofs Adolf von Köln, der durch die Abwesenheit des Mainzers im heiligen Lande an Einfluß gewann, zu der Gegenwahl Ottos IV., des dritten Sohnes Heinrichs des Löwen. Zu einem Zeitpunkte, in dem es mehr denn je der Zusammenfassung aller Volkskräfte gegen einen gewaltigen Papst und das ringsum drohende Ausland bedurft hätte, brach die alte Wunde Deutschlands, der staufisch- welfische Gegensatz, wieder auf. Ein verheerender Bürgerkrieg begann, ohne rasche Entscheidungen im offnen Felde, umso lang- wieriger und entsittlichender. Deutschlands größter politischer Dichter, Walter von der Vogelweide, der damals mit der ganzen Wucht seiner leidenschaftlichen Überzeugung für die Sache des Staufers eintrat, glaubte die Vorzeichen des jüngsten Gerichts zu erkennen. Die Thronbewerber, beide Jünglinge von wenig mehr als Philipp war als der jüngste von Barbarossas Söhnen ursprüng- 1) Über die Streitfrage betr. der Bannung u. Lösung Philipps vgl. Hauck,
Berichte der Sächs. Ges. d. Wiss., ph.-hist. Kl. 1904 S. 137 ff. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0197" n="189"/><fw place="top" type="header">§ 15. Innozenz III. und die deutschen Thronwirren. (1198‒1216).</fw><lb/> Heinrichs des Löwen zu beobachten war, zusammen, und alle<lb/> fürstlichen Elemente, die ein staufisches Erbkaisertum fürchteten,<lb/> gliederten sich an. So kam es vor allem auf Betreiben des Erz-<lb/> bischofs Adolf von Köln, der durch die Abwesenheit des Mainzers im<lb/> heiligen Lande an Einfluß gewann, zu der Gegenwahl Ottos IV.,<lb/> des dritten Sohnes Heinrichs des Löwen. Zu einem Zeitpunkte,<lb/> in dem es mehr denn je der Zusammenfassung aller Volkskräfte<lb/> gegen einen gewaltigen Papst und das ringsum drohende Ausland<lb/> bedurft hätte, brach die alte Wunde Deutschlands, der staufisch-<lb/> welfische Gegensatz, wieder auf. Ein verheerender Bürgerkrieg<lb/> begann, ohne rasche Entscheidungen im offnen Felde, umso lang-<lb/> wieriger und entsittlichender. Deutschlands größter politischer<lb/> Dichter, Walter von der Vogelweide, der damals mit der ganzen<lb/> Wucht seiner leidenschaftlichen Überzeugung für die Sache des<lb/> Staufers eintrat, glaubte die Vorzeichen des jüngsten Gerichts zu<lb/> erkennen.</p><lb/> <p>Die Thronbewerber, beide Jünglinge von wenig mehr als<lb/> zwanzig Jahren, waren in ihrem Wesen sehr verschieden.</p><lb/> <p>Philipp war als der jüngste von Barbarossas Söhnen ursprüng-<lb/> lich zum Geistlichen bestimmt und entsprechend herangebildet,<lb/> dann aber, als der Tod die Reihen der Staufer lichtete, hatte ihn<lb/> Heinrich VI. dem geistlichen Stande entzogen (1193) und mit<lb/> Tuszien und dem mathildischen Gute (1195), bald darauf mit dem<lb/> Herzogtum Schwaben (1196) belehnt. Während der schwierigen<lb/> Amtswaltung in Mittelitalien hatte er durch Eingriffe in päpstliches<lb/> Gebiet die Anwendung einer allgemeiner gehaltenen Banndrohung<lb/> auf sich gezogen.<note place="foot" n="1)">Über die Streitfrage betr. der Bannung u. Lösung Philipps vgl. Hauck,<lb/> Berichte der Sächs. Ges. d. Wiss., ph.-hist. Kl. 1904 S. 137 ff.</note> Wenn er aber mit der politischen Richtung<lb/> Heinrichs VI. durchaus übereinstimmte, so reichte er doch nicht ent-<lb/> fernt an die staatsmännische Größe und durchgreifende Energie des<lb/> Bruders heran. Was der Vater in seinem Wesen vereinigt hatte,<lb/> schien getrennt und gesteigert auf diese beiden Söhne gekommen<lb/> zu sein. Philipp war ein zartgebauter Jüngling mit blondem Locken-<lb/> haar, fein in Aussehen, Umgangsformen und Bildung, der liebens-<lb/> würdigste unter den Staufern und wohl unter allen Herrschern des<lb/> deutschen Mittelalters, milde, heiter, leutselig, von makellosem<lb/> Wandel, ein „süßer, junger Mann“, wie ihn Walter nannte. Ihm<lb/> zur Seite, in innigster Gemeinschaft mit ihm die byzantinische<lb/> Prinzessin Irene, die „Rose ohne Dorn, die Taube ohne Galle“,<lb/> — ein Königspaar, wie es sich Deutschland für eine Friedensherr-<lb/> schaft nicht edler und besser hätte wünschen können. Den wilden<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [189/0197]
§ 15. Innozenz III. und die deutschen Thronwirren. (1198‒1216).
Heinrichs des Löwen zu beobachten war, zusammen, und alle
fürstlichen Elemente, die ein staufisches Erbkaisertum fürchteten,
gliederten sich an. So kam es vor allem auf Betreiben des Erz-
bischofs Adolf von Köln, der durch die Abwesenheit des Mainzers im
heiligen Lande an Einfluß gewann, zu der Gegenwahl Ottos IV.,
des dritten Sohnes Heinrichs des Löwen. Zu einem Zeitpunkte,
in dem es mehr denn je der Zusammenfassung aller Volkskräfte
gegen einen gewaltigen Papst und das ringsum drohende Ausland
bedurft hätte, brach die alte Wunde Deutschlands, der staufisch-
welfische Gegensatz, wieder auf. Ein verheerender Bürgerkrieg
begann, ohne rasche Entscheidungen im offnen Felde, umso lang-
wieriger und entsittlichender. Deutschlands größter politischer
Dichter, Walter von der Vogelweide, der damals mit der ganzen
Wucht seiner leidenschaftlichen Überzeugung für die Sache des
Staufers eintrat, glaubte die Vorzeichen des jüngsten Gerichts zu
erkennen.
Die Thronbewerber, beide Jünglinge von wenig mehr als
zwanzig Jahren, waren in ihrem Wesen sehr verschieden.
Philipp war als der jüngste von Barbarossas Söhnen ursprüng-
lich zum Geistlichen bestimmt und entsprechend herangebildet,
dann aber, als der Tod die Reihen der Staufer lichtete, hatte ihn
Heinrich VI. dem geistlichen Stande entzogen (1193) und mit
Tuszien und dem mathildischen Gute (1195), bald darauf mit dem
Herzogtum Schwaben (1196) belehnt. Während der schwierigen
Amtswaltung in Mittelitalien hatte er durch Eingriffe in päpstliches
Gebiet die Anwendung einer allgemeiner gehaltenen Banndrohung
auf sich gezogen. 1) Wenn er aber mit der politischen Richtung
Heinrichs VI. durchaus übereinstimmte, so reichte er doch nicht ent-
fernt an die staatsmännische Größe und durchgreifende Energie des
Bruders heran. Was der Vater in seinem Wesen vereinigt hatte,
schien getrennt und gesteigert auf diese beiden Söhne gekommen
zu sein. Philipp war ein zartgebauter Jüngling mit blondem Locken-
haar, fein in Aussehen, Umgangsformen und Bildung, der liebens-
würdigste unter den Staufern und wohl unter allen Herrschern des
deutschen Mittelalters, milde, heiter, leutselig, von makellosem
Wandel, ein „süßer, junger Mann“, wie ihn Walter nannte. Ihm
zur Seite, in innigster Gemeinschaft mit ihm die byzantinische
Prinzessin Irene, die „Rose ohne Dorn, die Taube ohne Galle“,
— ein Königspaar, wie es sich Deutschland für eine Friedensherr-
schaft nicht edler und besser hätte wünschen können. Den wilden
1) Über die Streitfrage betr. der Bannung u. Lösung Philipps vgl. Hauck,
Berichte der Sächs. Ges. d. Wiss., ph.-hist. Kl. 1904 S. 137 ff.
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