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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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Die Zeit der Staufer.
Erinnerung an das Schicksal des Thomas Becket war es vielleicht
nicht zum wenigsten, die den Verdacht der Mitschuld sofort, wenn
auch ungerechtfertigterweise, auf den Kaiser selbst lenkte. Von
der weitverzweigten Verwandtschaft des Ermordeten ausgehend, ergriff
der Aufruhr alsbald die gesamten niederrheinischen Gebiete. Und
nun schlossen sich jene beiden norddeutschen Kreise, deren Rivalität
der Kaisermacht Barbarossas lange zugute gekommen war, die sich
dann beim Abfall des Erzbischofs Philipp von Heinsberg erstmals
berührt hatten, der niederrheinisch-kölnische und der sächsisch-
welfische, zu einer gefährlichen Verbindung zusammen, aus der bald
genug das Gegenkönigtum Ottos IV. erwachsen sollte. Hinter beiden
stand England, das mit Köln durch wirtschaftliche, mit den Welfen
durch verwandtschaftliche Bande verknüpft war. Erwägt man, daß
sich die deutsche Fürstenverschwörung noch weiter, auch nach
Oberdeutschland erstreckte, daß der englische König mit dem sizi-
lischen Usurpator verbündet war, daß im Hintergrunde der Papst
alle Feinde des Kaisers mehr oder weniger offen unterstützte, so
sah sich Heinrich in der Tat einem internationalen Bunde von
großer Ausdehnung und Bedeutung gegenüber.

Da ermöglichten ihm Glück und diplomatische Meisterschaft,
mit einem lächerlich geringen Kräfteaufwand diesen Bund zu zer-
sprengen. Schon längst war er mit Philipp II. August von Frankreich
übereingekommen, auf Richard Löwenherz, ihren gemeinsamen Feind,
bei seiner Rückkehr aus dem Orient zu fahnden, obwohl er als
Kreuzfahrer hätte gesichert sein sollen. Für den Herzog Leopold
von Österreich kam noch persönliche Rache hinzu, als er den
König, der sich in Pilgertracht unerkannt durch das Reich hindurch-
zuschleichen versuchte, gefangennahm und dem Kaiser auslieferte.
Wie dieser nun den Glücksfall ausbeutete, wie er durch wieder-
holte Drohung einer Auslieferung Richards an seinen Todfeind, den
französischen König, schließlich die harten Freiheitsbedingungen in
zähen, mit unzweifelhafter Überlegenheit geführten Verhandlungen
erpreßte, das war freilich weder ritterlich, noch vornehm, aber es
brachte ihm Erfolg auf der ganzen Linie. Zunächst durch Richards
Einfluß die Befriedigung Deutschlands! Eine die Plane der hohen
Politik durchbrechende, rasch vollzogene Liebesheirat zwischen dem
jüngeren Welfen Heinrich und einer Base des Kaisers, dem einzigen
Kinde Konrads, des staufischen Pfalzgrafen bei Rhein, schien über-
dies geeignet, die Welfen durch die Anwartschaft auf die Pfalz
dauernd zufriedenzustellen. Weitere Erfolge waren die Preisgabe
Tancreds, die Zahlung einer enormen Lösesumme, die zugleich die
Mittel für ein neues sizilisches Unternehmen bereitstellte, endlich
die Lehenshoheit Heinrichs über den englischen König, ein bedeut-

Die Zeit der Staufer.
Erinnerung an das Schicksal des Thomas Becket war es vielleicht
nicht zum wenigsten, die den Verdacht der Mitschuld sofort, wenn
auch ungerechtfertigterweise, auf den Kaiser selbst lenkte. Von
der weitverzweigten Verwandtschaft des Ermordeten ausgehend, ergriff
der Aufruhr alsbald die gesamten niederrheinischen Gebiete. Und
nun schlossen sich jene beiden norddeutschen Kreise, deren Rivalität
der Kaisermacht Barbarossas lange zugute gekommen war, die sich
dann beim Abfall des Erzbischofs Philipp von Heinsberg erstmals
berührt hatten, der niederrheinisch-kölnische und der sächsisch-
welfische, zu einer gefährlichen Verbindung zusammen, aus der bald
genug das Gegenkönigtum Ottos IV. erwachsen sollte. Hinter beiden
stand England, das mit Köln durch wirtschaftliche, mit den Welfen
durch verwandtschaftliche Bande verknüpft war. Erwägt man, daß
sich die deutsche Fürstenverschwörung noch weiter, auch nach
Oberdeutschland erstreckte, daß der englische König mit dem sizi-
lischen Usurpator verbündet war, daß im Hintergrunde der Papst
alle Feinde des Kaisers mehr oder weniger offen unterstützte, so
sah sich Heinrich in der Tat einem internationalen Bunde von
großer Ausdehnung und Bedeutung gegenüber.

Da ermöglichten ihm Glück und diplomatische Meisterschaft,
mit einem lächerlich geringen Kräfteaufwand diesen Bund zu zer-
sprengen. Schon längst war er mit Philipp II. August von Frankreich
übereingekommen, auf Richard Löwenherz, ihren gemeinsamen Feind,
bei seiner Rückkehr aus dem Orient zu fahnden, obwohl er als
Kreuzfahrer hätte gesichert sein sollen. Für den Herzog Leopold
von Österreich kam noch persönliche Rache hinzu, als er den
König, der sich in Pilgertracht unerkannt durch das Reich hindurch-
zuschleichen versuchte, gefangennahm und dem Kaiser auslieferte.
Wie dieser nun den Glücksfall ausbeutete, wie er durch wieder-
holte Drohung einer Auslieferung Richards an seinen Todfeind, den
französischen König, schließlich die harten Freiheitsbedingungen in
zähen, mit unzweifelhafter Überlegenheit geführten Verhandlungen
erpreßte, das war freilich weder ritterlich, noch vornehm, aber es
brachte ihm Erfolg auf der ganzen Linie. Zunächst durch Richards
Einfluß die Befriedigung Deutschlands! Eine die Plane der hohen
Politik durchbrechende, rasch vollzogene Liebesheirat zwischen dem
jüngeren Welfen Heinrich und einer Base des Kaisers, dem einzigen
Kinde Konrads, des staufischen Pfalzgrafen bei Rhein, schien über-
dies geeignet, die Welfen durch die Anwartschaft auf die Pfalz
dauernd zufriedenzustellen. Weitere Erfolge waren die Preisgabe
Tancreds, die Zahlung einer enormen Lösesumme, die zugleich die
Mittel für ein neues sizilisches Unternehmen bereitstellte, endlich
die Lehenshoheit Heinrichs über den englischen König, ein bedeut-

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[176/0184] Die Zeit der Staufer. Erinnerung an das Schicksal des Thomas Becket war es vielleicht nicht zum wenigsten, die den Verdacht der Mitschuld sofort, wenn auch ungerechtfertigterweise, auf den Kaiser selbst lenkte. Von der weitverzweigten Verwandtschaft des Ermordeten ausgehend, ergriff der Aufruhr alsbald die gesamten niederrheinischen Gebiete. Und nun schlossen sich jene beiden norddeutschen Kreise, deren Rivalität der Kaisermacht Barbarossas lange zugute gekommen war, die sich dann beim Abfall des Erzbischofs Philipp von Heinsberg erstmals berührt hatten, der niederrheinisch-kölnische und der sächsisch- welfische, zu einer gefährlichen Verbindung zusammen, aus der bald genug das Gegenkönigtum Ottos IV. erwachsen sollte. Hinter beiden stand England, das mit Köln durch wirtschaftliche, mit den Welfen durch verwandtschaftliche Bande verknüpft war. Erwägt man, daß sich die deutsche Fürstenverschwörung noch weiter, auch nach Oberdeutschland erstreckte, daß der englische König mit dem sizi- lischen Usurpator verbündet war, daß im Hintergrunde der Papst alle Feinde des Kaisers mehr oder weniger offen unterstützte, so sah sich Heinrich in der Tat einem internationalen Bunde von großer Ausdehnung und Bedeutung gegenüber. Da ermöglichten ihm Glück und diplomatische Meisterschaft, mit einem lächerlich geringen Kräfteaufwand diesen Bund zu zer- sprengen. Schon längst war er mit Philipp II. August von Frankreich übereingekommen, auf Richard Löwenherz, ihren gemeinsamen Feind, bei seiner Rückkehr aus dem Orient zu fahnden, obwohl er als Kreuzfahrer hätte gesichert sein sollen. Für den Herzog Leopold von Österreich kam noch persönliche Rache hinzu, als er den König, der sich in Pilgertracht unerkannt durch das Reich hindurch- zuschleichen versuchte, gefangennahm und dem Kaiser auslieferte. Wie dieser nun den Glücksfall ausbeutete, wie er durch wieder- holte Drohung einer Auslieferung Richards an seinen Todfeind, den französischen König, schließlich die harten Freiheitsbedingungen in zähen, mit unzweifelhafter Überlegenheit geführten Verhandlungen erpreßte, das war freilich weder ritterlich, noch vornehm, aber es brachte ihm Erfolg auf der ganzen Linie. Zunächst durch Richards Einfluß die Befriedigung Deutschlands! Eine die Plane der hohen Politik durchbrechende, rasch vollzogene Liebesheirat zwischen dem jüngeren Welfen Heinrich und einer Base des Kaisers, dem einzigen Kinde Konrads, des staufischen Pfalzgrafen bei Rhein, schien über- dies geeignet, die Welfen durch die Anwartschaft auf die Pfalz dauernd zufriedenzustellen. Weitere Erfolge waren die Preisgabe Tancreds, die Zahlung einer enormen Lösesumme, die zugleich die Mittel für ein neues sizilisches Unternehmen bereitstellte, endlich die Lehenshoheit Heinrichs über den englischen König, ein bedeut-

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/184>, abgerufen am 26.11.2024.