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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178-1190).
lands und Siziliens gegen das griechische Kaisertum scheinen för-
dernd darauf eingewirkt zu haben, daß des Königs Tante und
Erbin, Konstanze, die nachgeborene, damals dreißigjährige Tochter
des großen Roger II., dem um elf Jahre jüngeren Heinrich die
Hand reichte. Was bedeutete dieser Bund und die dadurch in
nahe Aussicht gerückte Vereinigung beider Reiche für die deutsche
Geschichte? Man wird unbedenklich der namentlich von Ficker
energisch verfochtenen Ansicht beipflichten, daß zum mindesten
die tatsächlichen Folgen dieses Hinausgreifens über die jahrhun-
dertelang innegehaltenen Grenzen des Imperiums im höchsten
Grade verhängnisvoll gewesen sind. Der Versuch, so ganz ver-
schieden geartete Länder wie Norddeutschland und Sizilien dauernd
in einer Hand zusammenzufassen, mußte sich früher oder später
als unnatürlich und undurchführbar erweisen. Das Zentnergewicht,
das nun auf die transalpine Wagschale des Reiches gesetzt wurde,
mußte sie zu Ungunsten Deutschlands herabdrücken und zwar zu
einem Zeitpunkte, wo ein energischer und zielbewußter Ausbau der
deutschen Königsmacht notwendig und gerade noch möglich war.
Endlich mußte das Papsttum, seines südlichen Rückhalts beraubt
und in Zukunft dort selbst in seinen oberlehnsherrlichen Rechten
gefährdet, vom Imperium nun rings umklammert und in seiner
freien Bewegung gehemmt, zum Vernichtungskampfe getrieben werden,
der schließlich die kaiserliche Gewalt entwurzelt hat. Indessen wird
man sich hüten müssen, allein hier die Ursachen für eine Entwick-
lung zu sehen, die in ihrem für Deutschland unheilvollen Verlaufe
doch sehr wesentlich durch eine Reihe schwerer Unglücksfälle mit-
bestimmt worden ist. Und für den Staatsmann von 1184 konnten
solche historischen Erwägungen wenig in Betracht kommen. Es bot
sich Gelegenheit, die so oft gefährdete Südgrenze des Reiches zu
sichern und zu erweitern, dem päpstlichen Nebenbuhler seine
Hauptstütze zu entziehen, mit dem Imperium die hervorragenden
Mittel des am straffsten und modernsten organisierten Staates von
Europa zu vereinigen, der durch seine staunenerregende Finanz-
kraft und seine maritime Bedeutung gerade die am schmerzlichsten
empfundenen Lücken in der Machtstellung des Reiches auszufüllen
geeignet war: und das alles nicht auf dem Wege anfechtbarer Er-
oberung, sondern kraft unantastbaren Erbrechtes! Den Politiker
hätte man erst finden müssen, der solche Vorteile um unsicherer
Zukunftbefürchtungen willen in den Wind geschlagen hätte! Wahr-
lich, wenn die imperialen Hoffnungen, die damals stärker als je
am kaiserlichen Hofe genährt wurden, überhaupt in Erfüllung gehen
konnten, so war es auf diesem Wege! Jene Verlobung schien den
Zeitgenossen und war in der Tat der glänzendste Erfolg der Macht-

§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178‒1190).
lands und Siziliens gegen das griechische Kaisertum scheinen för-
dernd darauf eingewirkt zu haben, daß des Königs Tante und
Erbin, Konstanze, die nachgeborene, damals dreißigjährige Tochter
des großen Roger II., dem um elf Jahre jüngeren Heinrich die
Hand reichte. Was bedeutete dieser Bund und die dadurch in
nahe Aussicht gerückte Vereinigung beider Reiche für die deutsche
Geschichte? Man wird unbedenklich der namentlich von Ficker
energisch verfochtenen Ansicht beipflichten, daß zum mindesten
die tatsächlichen Folgen dieses Hinausgreifens über die jahrhun-
dertelang innegehaltenen Grenzen des Imperiums im höchsten
Grade verhängnisvoll gewesen sind. Der Versuch, so ganz ver-
schieden geartete Länder wie Norddeutschland und Sizilien dauernd
in einer Hand zusammenzufassen, mußte sich früher oder später
als unnatürlich und undurchführbar erweisen. Das Zentnergewicht,
das nun auf die transalpine Wagschale des Reiches gesetzt wurde,
mußte sie zu Ungunsten Deutschlands herabdrücken und zwar zu
einem Zeitpunkte, wo ein energischer und zielbewußter Ausbau der
deutschen Königsmacht notwendig und gerade noch möglich war.
Endlich mußte das Papsttum, seines südlichen Rückhalts beraubt
und in Zukunft dort selbst in seinen oberlehnsherrlichen Rechten
gefährdet, vom Imperium nun rings umklammert und in seiner
freien Bewegung gehemmt, zum Vernichtungskampfe getrieben werden,
der schließlich die kaiserliche Gewalt entwurzelt hat. Indessen wird
man sich hüten müssen, allein hier die Ursachen für eine Entwick-
lung zu sehen, die in ihrem für Deutschland unheilvollen Verlaufe
doch sehr wesentlich durch eine Reihe schwerer Unglücksfälle mit-
bestimmt worden ist. Und für den Staatsmann von 1184 konnten
solche historischen Erwägungen wenig in Betracht kommen. Es bot
sich Gelegenheit, die so oft gefährdete Südgrenze des Reiches zu
sichern und zu erweitern, dem päpstlichen Nebenbuhler seine
Hauptstütze zu entziehen, mit dem Imperium die hervorragenden
Mittel des am straffsten und modernsten organisierten Staates von
Europa zu vereinigen, der durch seine staunenerregende Finanz-
kraft und seine maritime Bedeutung gerade die am schmerzlichsten
empfundenen Lücken in der Machtstellung des Reiches auszufüllen
geeignet war: und das alles nicht auf dem Wege anfechtbarer Er-
oberung, sondern kraft unantastbaren Erbrechtes! Den Politiker
hätte man erst finden müssen, der solche Vorteile um unsicherer
Zukunftbefürchtungen willen in den Wind geschlagen hätte! Wahr-
lich, wenn die imperialen Hoffnungen, die damals stärker als je
am kaiserlichen Hofe genährt wurden, überhaupt in Erfüllung gehen
konnten, so war es auf diesem Wege! Jene Verlobung schien den
Zeitgenossen und war in der Tat der glänzendste Erfolg der Macht-

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[165/0173] § 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178‒1190). lands und Siziliens gegen das griechische Kaisertum scheinen för- dernd darauf eingewirkt zu haben, daß des Königs Tante und Erbin, Konstanze, die nachgeborene, damals dreißigjährige Tochter des großen Roger II., dem um elf Jahre jüngeren Heinrich die Hand reichte. Was bedeutete dieser Bund und die dadurch in nahe Aussicht gerückte Vereinigung beider Reiche für die deutsche Geschichte? Man wird unbedenklich der namentlich von Ficker energisch verfochtenen Ansicht beipflichten, daß zum mindesten die tatsächlichen Folgen dieses Hinausgreifens über die jahrhun- dertelang innegehaltenen Grenzen des Imperiums im höchsten Grade verhängnisvoll gewesen sind. Der Versuch, so ganz ver- schieden geartete Länder wie Norddeutschland und Sizilien dauernd in einer Hand zusammenzufassen, mußte sich früher oder später als unnatürlich und undurchführbar erweisen. Das Zentnergewicht, das nun auf die transalpine Wagschale des Reiches gesetzt wurde, mußte sie zu Ungunsten Deutschlands herabdrücken und zwar zu einem Zeitpunkte, wo ein energischer und zielbewußter Ausbau der deutschen Königsmacht notwendig und gerade noch möglich war. Endlich mußte das Papsttum, seines südlichen Rückhalts beraubt und in Zukunft dort selbst in seinen oberlehnsherrlichen Rechten gefährdet, vom Imperium nun rings umklammert und in seiner freien Bewegung gehemmt, zum Vernichtungskampfe getrieben werden, der schließlich die kaiserliche Gewalt entwurzelt hat. Indessen wird man sich hüten müssen, allein hier die Ursachen für eine Entwick- lung zu sehen, die in ihrem für Deutschland unheilvollen Verlaufe doch sehr wesentlich durch eine Reihe schwerer Unglücksfälle mit- bestimmt worden ist. Und für den Staatsmann von 1184 konnten solche historischen Erwägungen wenig in Betracht kommen. Es bot sich Gelegenheit, die so oft gefährdete Südgrenze des Reiches zu sichern und zu erweitern, dem päpstlichen Nebenbuhler seine Hauptstütze zu entziehen, mit dem Imperium die hervorragenden Mittel des am straffsten und modernsten organisierten Staates von Europa zu vereinigen, der durch seine staunenerregende Finanz- kraft und seine maritime Bedeutung gerade die am schmerzlichsten empfundenen Lücken in der Machtstellung des Reiches auszufüllen geeignet war: und das alles nicht auf dem Wege anfechtbarer Er- oberung, sondern kraft unantastbaren Erbrechtes! Den Politiker hätte man erst finden müssen, der solche Vorteile um unsicherer Zukunftbefürchtungen willen in den Wind geschlagen hätte! Wahr- lich, wenn die imperialen Hoffnungen, die damals stärker als je am kaiserlichen Hofe genährt wurden, überhaupt in Erfüllung gehen konnten, so war es auf diesem Wege! Jene Verlobung schien den Zeitgenossen und war in der Tat der glänzendste Erfolg der Macht-

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/173>, abgerufen am 26.11.2024.