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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178-1190).
höchst bedeutend gewesen. Kernpunkt, Eigenart und weltgeschicht-
lichen Wert erhielt sie indes erst dadurch, daß Heinrich es ver-
standen hatte, die seit einem Menschenalter gegen den slawischen
Osten heranbrausenden Wogen der deutschen Kolonisation in seinen
Machtkreis zu leiten. Der rücksichtslos-stürmischen Tatkraft des
Löwen, die seinen Namen bei den Abotritenhäuptlingen gefürchteter
machte als den Gottes, war vor allem die Unterwerfung, Germani-
sierung und Christianisierung der Wendengebiete des heutigen
Holsteins, Lauenburg und Mecklenburg zu danken, jener Lande,
die schon um das Jahr 1172, wie Helmold schreibt, gleichsam eine
große Ansiedlung der Sachsen mit Städten und Dörfern und einer
wachsenden Zahl von Kirchen und Geistlichen geworden waren.
Heinrichs Sorge für das Emporkommen des neugegründeten Lübeck,
die Empfehlung seines Marktes in Dänemark, Schweden, Norwegen
und Rußland, die Privilegierung der Kaufleute von Gotland, die
Befreiung der Ostsee von der wendischen Piraterie, die Einmischung
in die Thronwirren Dänemarks und die Anlehnung von dessen
Königtum an die Macht des Löwen, alles das scheint bereits vor-
auszudeuten auf die Glanztage der Hanse. Das Vorrücken der
Grenze und die erzwungene Achtung des Auslandes kamen auch
dem Reiche zugute. Gleichwohl darf von einer bewußt deutsch-
nationalen Politik Heinrichs ebenso wenig gesprochen werden, wie
etwa von einer solchen des brandenburgisch-preußischen Staates
bis hinein in das neunzehnte Jahrhundert. Denn gerade die neu-
gewonnenen Slawenlande mit ihrem weiten Umkreis landesherrlicher
Befugnisse, der Verfügung über Rechtsprechung und Besteuerung,
Bischofstühle und kirchliche Regalien, mit einer Beamtenverwaltung,
wie sie der Kaiser in Ober- und Mittelitalien aufzurichten versuchte,
taten dem rein egoistischen Machtstreben des Löwen Genüge.
Ähnliche Grundsätze einer neuen Landeshoheit auch in seinen
altdeutschen Territorien zur Anwendung zu bringen, konnte nur
auf geringe Hindernisse in Bayern stoßen, wo das Herzogtum von
alters her im Besitze der meisten Grafschaften war, und keine
nennenswerte Mittelgewalt ihm im Wege stand. Anders in Sachsen,
wo das beschränkte billungische Grenzherzogtum sich trotz seiner
Verschmelzung mit den lotharianischen Hausgütern nicht entfernt
mit dem Umfang des alten Stammesgebietes deckte. Hier gab es
in den Markgrafen von Brandenburg und Meißen, in dem Land-
grafen von Thüringen, in den Erzbischöfen von Köln, Bremen und
Magdeburg ansehnliche Mächte, die sich dem Vordringen der
landesherrlichen Ansprüche Heinrichs widersetzten und auch den
bedrohten kleineren Herren Rückhalt gewährten. Schon mehrfach
war es daher in den sechziger und siebziger Jahren zu geheimen

§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178‒1190).
höchst bedeutend gewesen. Kernpunkt, Eigenart und weltgeschicht-
lichen Wert erhielt sie indes erst dadurch, daß Heinrich es ver-
standen hatte, die seit einem Menschenalter gegen den slawischen
Osten heranbrausenden Wogen der deutschen Kolonisation in seinen
Machtkreis zu leiten. Der rücksichtslos-stürmischen Tatkraft des
Löwen, die seinen Namen bei den Abotritenhäuptlingen gefürchteter
machte als den Gottes, war vor allem die Unterwerfung, Germani-
sierung und Christianisierung der Wendengebiete des heutigen
Holsteins, Lauenburg und Mecklenburg zu danken, jener Lande,
die schon um das Jahr 1172, wie Helmold schreibt, gleichsam eine
große Ansiedlung der Sachsen mit Städten und Dörfern und einer
wachsenden Zahl von Kirchen und Geistlichen geworden waren.
Heinrichs Sorge für das Emporkommen des neugegründeten Lübeck,
die Empfehlung seines Marktes in Dänemark, Schweden, Norwegen
und Rußland, die Privilegierung der Kaufleute von Gotland, die
Befreiung der Ostsee von der wendischen Piraterie, die Einmischung
in die Thronwirren Dänemarks und die Anlehnung von dessen
Königtum an die Macht des Löwen, alles das scheint bereits vor-
auszudeuten auf die Glanztage der Hanse. Das Vorrücken der
Grenze und die erzwungene Achtung des Auslandes kamen auch
dem Reiche zugute. Gleichwohl darf von einer bewußt deutsch-
nationalen Politik Heinrichs ebenso wenig gesprochen werden, wie
etwa von einer solchen des brandenburgisch-preußischen Staates
bis hinein in das neunzehnte Jahrhundert. Denn gerade die neu-
gewonnenen Slawenlande mit ihrem weiten Umkreis landesherrlicher
Befugnisse, der Verfügung über Rechtsprechung und Besteuerung,
Bischofstühle und kirchliche Regalien, mit einer Beamtenverwaltung,
wie sie der Kaiser in Ober- und Mittelitalien aufzurichten versuchte,
taten dem rein egoistischen Machtstreben des Löwen Genüge.
Ähnliche Grundsätze einer neuen Landeshoheit auch in seinen
altdeutschen Territorien zur Anwendung zu bringen, konnte nur
auf geringe Hindernisse in Bayern stoßen, wo das Herzogtum von
alters her im Besitze der meisten Grafschaften war, und keine
nennenswerte Mittelgewalt ihm im Wege stand. Anders in Sachsen,
wo das beschränkte billungische Grenzherzogtum sich trotz seiner
Verschmelzung mit den lotharianischen Hausgütern nicht entfernt
mit dem Umfang des alten Stammesgebietes deckte. Hier gab es
in den Markgrafen von Brandenburg und Meißen, in dem Land-
grafen von Thüringen, in den Erzbischöfen von Köln, Bremen und
Magdeburg ansehnliche Mächte, die sich dem Vordringen der
landesherrlichen Ansprüche Heinrichs widersetzten und auch den
bedrohten kleineren Herren Rückhalt gewährten. Schon mehrfach
war es daher in den sechziger und siebziger Jahren zu geheimen

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[157/0165] § 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178‒1190). höchst bedeutend gewesen. Kernpunkt, Eigenart und weltgeschicht- lichen Wert erhielt sie indes erst dadurch, daß Heinrich es ver- standen hatte, die seit einem Menschenalter gegen den slawischen Osten heranbrausenden Wogen der deutschen Kolonisation in seinen Machtkreis zu leiten. Der rücksichtslos-stürmischen Tatkraft des Löwen, die seinen Namen bei den Abotritenhäuptlingen gefürchteter machte als den Gottes, war vor allem die Unterwerfung, Germani- sierung und Christianisierung der Wendengebiete des heutigen Holsteins, Lauenburg und Mecklenburg zu danken, jener Lande, die schon um das Jahr 1172, wie Helmold schreibt, gleichsam eine große Ansiedlung der Sachsen mit Städten und Dörfern und einer wachsenden Zahl von Kirchen und Geistlichen geworden waren. Heinrichs Sorge für das Emporkommen des neugegründeten Lübeck, die Empfehlung seines Marktes in Dänemark, Schweden, Norwegen und Rußland, die Privilegierung der Kaufleute von Gotland, die Befreiung der Ostsee von der wendischen Piraterie, die Einmischung in die Thronwirren Dänemarks und die Anlehnung von dessen Königtum an die Macht des Löwen, alles das scheint bereits vor- auszudeuten auf die Glanztage der Hanse. Das Vorrücken der Grenze und die erzwungene Achtung des Auslandes kamen auch dem Reiche zugute. Gleichwohl darf von einer bewußt deutsch- nationalen Politik Heinrichs ebenso wenig gesprochen werden, wie etwa von einer solchen des brandenburgisch-preußischen Staates bis hinein in das neunzehnte Jahrhundert. Denn gerade die neu- gewonnenen Slawenlande mit ihrem weiten Umkreis landesherrlicher Befugnisse, der Verfügung über Rechtsprechung und Besteuerung, Bischofstühle und kirchliche Regalien, mit einer Beamtenverwaltung, wie sie der Kaiser in Ober- und Mittelitalien aufzurichten versuchte, taten dem rein egoistischen Machtstreben des Löwen Genüge. Ähnliche Grundsätze einer neuen Landeshoheit auch in seinen altdeutschen Territorien zur Anwendung zu bringen, konnte nur auf geringe Hindernisse in Bayern stoßen, wo das Herzogtum von alters her im Besitze der meisten Grafschaften war, und keine nennenswerte Mittelgewalt ihm im Wege stand. Anders in Sachsen, wo das beschränkte billungische Grenzherzogtum sich trotz seiner Verschmelzung mit den lotharianischen Hausgütern nicht entfernt mit dem Umfang des alten Stammesgebietes deckte. Hier gab es in den Markgrafen von Brandenburg und Meißen, in dem Land- grafen von Thüringen, in den Erzbischöfen von Köln, Bremen und Magdeburg ansehnliche Mächte, die sich dem Vordringen der landesherrlichen Ansprüche Heinrichs widersetzten und auch den bedrohten kleineren Herren Rückhalt gewährten. Schon mehrfach war es daher in den sechziger und siebziger Jahren zu geheimen

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/165>, abgerufen am 25.11.2024.