Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Die Zeit der Staufer.
sollte die Kriegsleitung und die oberste Gerichtsbarkeit zustehen.
Der Bund war also eine Schöpfung, die nicht nur auf den augen-
blicklichen Zweck, sondern auf die Dauer berechnet war, ein selb-
ständiges föderatives Staatsgebilde innerhalb des Staates!

Wäre Friedrich mit ungeschwächtem Heer und unvermindertem
Ansehn zurückgekehrt, so hätte er diesen feindlichen Bund wohl
noch zu zersprengen vermocht. So aber wandte sich alles zum
Schlimmen. Seine verzweifelten Anstrengungen, von dem getreuen
Pavia aus durch rasche Erfolge den bösen Eindruck zu verwischen,
waren fruchtlos. Schon ergriff der Aufstand auch die westliche
Lombardei und bedrohte durch Sperrung der Alpenpässe seine
Rückzugslinien. Einen Augenblick schien er wirklich abgeschnitten
und seinen übermächtigen Gegnern preisgegeben. Da gelang noch
in letzter Stunde die Umstimmung des Grafen von Savoyen; durch
sein Gebiet, noch zuletzt in Susa mit Gefangenschaft und Tod be-
droht, flüchtete der Kaiser in Knechtstracht nach Deutschland
(März 1168).

Und nun konnte sich die lombardische Liga, die in ihrem
Zusammenschluß mit dem Veroneser Bunde bald zweiundzwanzig
Städte umfaßte, in voller Ruhe weiten und festigen. Mit dem
kaiserlichen Regiment schwand auch die Geltung des Gegenpapstes
dahin. Die Lombarden traten mit Alexander in die engste Ver-
bindung; als sie damals (1168) zwischen Tortona und Asti ein
neues Gemeinwesen gründeten, das aus einer Zusammenlegung
dörflicher Ortschaften erwachsen, städtisches Leben auch in dieser
westlicheren Landschaft entfalten und zugleich den Zwecken des
Angriffs und der Abwehr gegenüber dem Reste kaiserlicher An-
hänger und dem Gebiete der Reichsdomänen dienen sollte, da
gaben sie ihm zu Ehren des Papstes den Namen Alessandria.1)

Welcher Wandel hatte sich doch in wenigen Monaten voll-
zogen! Von der ersehnten Beendigung des kirchlichen Schismas
war man jetzt weiter als je entfernt, und der stolze Herrschaftsbau,
den Friedrich mit der Hilfe Reinalds von Dassel in Italien errichtet
hatte, war in den Grundfesten erschüttert. Es war vorderhand
nicht abzusehen, wann die Verhältnisse Deutschlands dem Kaiser
ein erneutes Ausgreifen über die Alpen gestatten würden.



1) Vgl. die Berliner Diss. von F. Gräf, der bestreitet, daß man schon
bei der Gründung daran gedacht habe, eine Bundesfestung zu schaffen. Ganz
gefehlt aber haben militärische Zwecke sicherlich nicht.

II. Die Zeit der Staufer.
sollte die Kriegsleitung und die oberste Gerichtsbarkeit zustehen.
Der Bund war also eine Schöpfung, die nicht nur auf den augen-
blicklichen Zweck, sondern auf die Dauer berechnet war, ein selb-
ständiges föderatives Staatsgebilde innerhalb des Staates!

Wäre Friedrich mit ungeschwächtem Heer und unvermindertem
Ansehn zurückgekehrt, so hätte er diesen feindlichen Bund wohl
noch zu zersprengen vermocht. So aber wandte sich alles zum
Schlimmen. Seine verzweifelten Anstrengungen, von dem getreuen
Pavia aus durch rasche Erfolge den bösen Eindruck zu verwischen,
waren fruchtlos. Schon ergriff der Aufstand auch die westliche
Lombardei und bedrohte durch Sperrung der Alpenpässe seine
Rückzugslinien. Einen Augenblick schien er wirklich abgeschnitten
und seinen übermächtigen Gegnern preisgegeben. Da gelang noch
in letzter Stunde die Umstimmung des Grafen von Savoyen; durch
sein Gebiet, noch zuletzt in Susa mit Gefangenschaft und Tod be-
droht, flüchtete der Kaiser in Knechtstracht nach Deutschland
(März 1168).

Und nun konnte sich die lombardische Liga, die in ihrem
Zusammenschluß mit dem Veroneser Bunde bald zweiundzwanzig
Städte umfaßte, in voller Ruhe weiten und festigen. Mit dem
kaiserlichen Regiment schwand auch die Geltung des Gegenpapstes
dahin. Die Lombarden traten mit Alexander in die engste Ver-
bindung; als sie damals (1168) zwischen Tortona und Asti ein
neues Gemeinwesen gründeten, das aus einer Zusammenlegung
dörflicher Ortschaften erwachsen, städtisches Leben auch in dieser
westlicheren Landschaft entfalten und zugleich den Zwecken des
Angriffs und der Abwehr gegenüber dem Reste kaiserlicher An-
hänger und dem Gebiete der Reichsdomänen dienen sollte, da
gaben sie ihm zu Ehren des Papstes den Namen Alessandria.1)

Welcher Wandel hatte sich doch in wenigen Monaten voll-
zogen! Von der ersehnten Beendigung des kirchlichen Schismas
war man jetzt weiter als je entfernt, und der stolze Herrschaftsbau,
den Friedrich mit der Hilfe Reinalds von Dassel in Italien errichtet
hatte, war in den Grundfesten erschüttert. Es war vorderhand
nicht abzusehen, wann die Verhältnisse Deutschlands dem Kaiser
ein erneutes Ausgreifen über die Alpen gestatten würden.



1) Vgl. die Berliner Diss. von F. Gräf, der bestreitet, daß man schon
bei der Gründung daran gedacht habe, eine Bundesfestung zu schaffen. Ganz
gefehlt aber haben militärische Zwecke sicherlich nicht.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0154" n="146"/><fw place="top" type="header">II. Die Zeit der Staufer.</fw><lb/>
sollte die Kriegsleitung und die oberste Gerichtsbarkeit zustehen.<lb/>
Der Bund war also eine Schöpfung, die nicht nur auf den augen-<lb/>
blicklichen Zweck, sondern auf die Dauer berechnet war, ein selb-<lb/>
ständiges föderatives Staatsgebilde innerhalb des Staates!</p><lb/>
          <p>Wäre Friedrich mit ungeschwächtem Heer und unvermindertem<lb/>
Ansehn zurückgekehrt, so hätte er diesen feindlichen Bund wohl<lb/>
noch zu zersprengen vermocht. So aber wandte sich alles zum<lb/>
Schlimmen. Seine verzweifelten Anstrengungen, von dem getreuen<lb/>
Pavia aus durch rasche Erfolge den bösen Eindruck zu verwischen,<lb/>
waren fruchtlos. Schon ergriff der Aufstand auch die westliche<lb/>
Lombardei und bedrohte durch Sperrung der Alpenpässe seine<lb/>
Rückzugslinien. Einen Augenblick schien er wirklich abgeschnitten<lb/>
und seinen übermächtigen Gegnern preisgegeben. Da gelang noch<lb/>
in letzter Stunde die Umstimmung des Grafen von Savoyen; durch<lb/>
sein Gebiet, noch zuletzt in Susa mit Gefangenschaft und Tod be-<lb/>
droht, flüchtete der Kaiser in Knechtstracht nach Deutschland<lb/>
(März 1168).</p><lb/>
          <p>Und nun konnte sich die lombardische Liga, die in ihrem<lb/>
Zusammenschluß mit dem Veroneser Bunde bald zweiundzwanzig<lb/>
Städte umfaßte, in voller Ruhe weiten und festigen. Mit dem<lb/>
kaiserlichen Regiment schwand auch die Geltung des Gegenpapstes<lb/>
dahin. Die Lombarden traten mit Alexander in die engste Ver-<lb/>
bindung; als sie damals (1168) zwischen Tortona und Asti ein<lb/>
neues Gemeinwesen gründeten, das aus einer Zusammenlegung<lb/>
dörflicher Ortschaften erwachsen, städtisches Leben auch in dieser<lb/>
westlicheren Landschaft entfalten und zugleich den Zwecken des<lb/>
Angriffs und der Abwehr gegenüber dem Reste kaiserlicher An-<lb/>
hänger und dem Gebiete der Reichsdomänen dienen sollte, da<lb/>
gaben sie ihm zu Ehren des Papstes den Namen Alessandria.<note place="foot" n="1)">Vgl. die Berliner Diss. von F. Gräf, der bestreitet, daß man schon<lb/>
bei der Gründung daran gedacht habe, eine Bundesfestung zu schaffen. Ganz<lb/>
gefehlt aber haben militärische Zwecke sicherlich nicht.</note></p><lb/>
          <p>Welcher Wandel hatte sich doch in wenigen Monaten voll-<lb/>
zogen! Von der ersehnten Beendigung des kirchlichen Schismas<lb/>
war man jetzt weiter als je entfernt, und der stolze Herrschaftsbau,<lb/>
den Friedrich mit der Hilfe Reinalds von Dassel in Italien errichtet<lb/>
hatte, war in den Grundfesten erschüttert. Es war vorderhand<lb/>
nicht abzusehen, wann die Verhältnisse Deutschlands dem Kaiser<lb/>
ein erneutes Ausgreifen über die Alpen gestatten würden.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0154] II. Die Zeit der Staufer. sollte die Kriegsleitung und die oberste Gerichtsbarkeit zustehen. Der Bund war also eine Schöpfung, die nicht nur auf den augen- blicklichen Zweck, sondern auf die Dauer berechnet war, ein selb- ständiges föderatives Staatsgebilde innerhalb des Staates! Wäre Friedrich mit ungeschwächtem Heer und unvermindertem Ansehn zurückgekehrt, so hätte er diesen feindlichen Bund wohl noch zu zersprengen vermocht. So aber wandte sich alles zum Schlimmen. Seine verzweifelten Anstrengungen, von dem getreuen Pavia aus durch rasche Erfolge den bösen Eindruck zu verwischen, waren fruchtlos. Schon ergriff der Aufstand auch die westliche Lombardei und bedrohte durch Sperrung der Alpenpässe seine Rückzugslinien. Einen Augenblick schien er wirklich abgeschnitten und seinen übermächtigen Gegnern preisgegeben. Da gelang noch in letzter Stunde die Umstimmung des Grafen von Savoyen; durch sein Gebiet, noch zuletzt in Susa mit Gefangenschaft und Tod be- droht, flüchtete der Kaiser in Knechtstracht nach Deutschland (März 1168). Und nun konnte sich die lombardische Liga, die in ihrem Zusammenschluß mit dem Veroneser Bunde bald zweiundzwanzig Städte umfaßte, in voller Ruhe weiten und festigen. Mit dem kaiserlichen Regiment schwand auch die Geltung des Gegenpapstes dahin. Die Lombarden traten mit Alexander in die engste Ver- bindung; als sie damals (1168) zwischen Tortona und Asti ein neues Gemeinwesen gründeten, das aus einer Zusammenlegung dörflicher Ortschaften erwachsen, städtisches Leben auch in dieser westlicheren Landschaft entfalten und zugleich den Zwecken des Angriffs und der Abwehr gegenüber dem Reste kaiserlicher An- hänger und dem Gebiete der Reichsdomänen dienen sollte, da gaben sie ihm zu Ehren des Papstes den Namen Alessandria. 1) Welcher Wandel hatte sich doch in wenigen Monaten voll- zogen! Von der ersehnten Beendigung des kirchlichen Schismas war man jetzt weiter als je entfernt, und der stolze Herrschaftsbau, den Friedrich mit der Hilfe Reinalds von Dassel in Italien errichtet hatte, war in den Grundfesten erschüttert. Es war vorderhand nicht abzusehen, wann die Verhältnisse Deutschlands dem Kaiser ein erneutes Ausgreifen über die Alpen gestatten würden. 1) Vgl. die Berliner Diss. von F. Gräf, der bestreitet, daß man schon bei der Gründung daran gedacht habe, eine Bundesfestung zu schaffen. Ganz gefehlt aber haben militärische Zwecke sicherlich nicht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/154
Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/154>, abgerufen am 24.11.2024.