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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157-1167).
den Kaiser richtete, seinem mit ungenügenden Kräften unternommenen
Angriff erfolgreichen Widerstand leistete, die hoffnungsvollen Blicke
aller Bedrückten in der Lombardei auf sich lenkte und ihnen ein
gefährliches Beispiel der Selbsthilfe durch Zusammenschluß gab.

Alle diese Mißerfolge der letzten Jahre begannen schließlich
den festen Grund zu erschüttern, auf dem Friedrichs Macht ruhte.
Die heimlichen Alexandriner unter den deutschen Bischöfen erhoben
kühner ihr Haupt, ein Teil der Neutralen schloß sich ihnen an.
Friedrich hatte bisher, wo er politischen Gehorsam fand, gern
kirchliche Duldung walten lassen. Der immer weiterdringenden
Spaltung aber schien jetzt nur durch härteren Druck begegnet
werden zu können. Das geschah unter dem Eindruck einer neuen
politischen Wandlung, die noch einmal die Aussicht bot, das Schisma
im Sinne des Kaisers zu beendigen.

Das normannische Königtum Heinrichs II. von England,
kräftig entwickelt und zentralistisch, wie das sizilische schon mit
einem Fuße außerhalb des mittelalterlichen Lehensstaates, keine
Selbständigkeit, auch keine kirchliche, neben sich duldend, war eben
damals auf das schärfste zusammengestoßen mit den namentlich
auf gerichtlichem Gebiete vordringenden Unabhängigkeitsbestrebungen
der Geistlichen. Als die Konstitutionen von Clarendon (1164)
solchen Tendenzen scharf entgegentraten, erhob sich der frühere
Kanzler des Königs Thomas Becket, den er zum Erzbischof von
Canterbury gemacht, dagegen als das Haupt der geistlichen Oppo-
sition. Bald mußte er vor dem leidenschaftlichen Zorn Heinrichs
nach Frankreich flüchten, und indem er dort nun den Papst
Alexander für die Aufhebung jener Konstitutionen gewann, erweiterte
sich der englische Kirchenstreit zu einer heftigen Spannung zwischen
König Heinrich und den Alexandrinern. Diesen Stimmungswechsel
suchte Reinald von Dassel sofort für seine Zwecke auszunützen.
Als Gesandter am englischen Königshofe in Rouen wußte er nicht
nur enge Verbindungen zwischen den Dynastien anzubahnen, son-
dern auch Heinrich II. für Anerkennung des kaiserlichen Gegen-
papstes zu gewinnen.

Das war das glänzende Ergebnis, mit dem er rückkehrend vor
den Würzburger Reichstag (Pfingsten 1165) trat. Was es bedeutete,
kann man ganz nur ermessen, wenn man bedenkt, daß das König-
tum der Plantagenet mit seiner Ausdehnung über mehr als die
volle westliche Hälfte Frankreichs unbestritten die zweite Welt-
macht des Abendlandes war, daß der unmittelbare Besitz Ludwigs VII.,
damit verglichen, nur ein winziger Fleck war, und auch sein ge-
samter übriger Lehensbesitz nicht an das Festlandsgebiet seines größten
Vasallen, des englischen Königs, heranreichte. Der Zusammenschluß

§ 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157‒1167).
den Kaiser richtete, seinem mit ungenügenden Kräften unternommenen
Angriff erfolgreichen Widerstand leistete, die hoffnungsvollen Blicke
aller Bedrückten in der Lombardei auf sich lenkte und ihnen ein
gefährliches Beispiel der Selbsthilfe durch Zusammenschluß gab.

Alle diese Mißerfolge der letzten Jahre begannen schließlich
den festen Grund zu erschüttern, auf dem Friedrichs Macht ruhte.
Die heimlichen Alexandriner unter den deutschen Bischöfen erhoben
kühner ihr Haupt, ein Teil der Neutralen schloß sich ihnen an.
Friedrich hatte bisher, wo er politischen Gehorsam fand, gern
kirchliche Duldung walten lassen. Der immer weiterdringenden
Spaltung aber schien jetzt nur durch härteren Druck begegnet
werden zu können. Das geschah unter dem Eindruck einer neuen
politischen Wandlung, die noch einmal die Aussicht bot, das Schisma
im Sinne des Kaisers zu beendigen.

Das normannische Königtum Heinrichs II. von England,
kräftig entwickelt und zentralistisch, wie das sizilische schon mit
einem Fuße außerhalb des mittelalterlichen Lehensstaates, keine
Selbständigkeit, auch keine kirchliche, neben sich duldend, war eben
damals auf das schärfste zusammengestoßen mit den namentlich
auf gerichtlichem Gebiete vordringenden Unabhängigkeitsbestrebungen
der Geistlichen. Als die Konstitutionen von Clarendon (1164)
solchen Tendenzen scharf entgegentraten, erhob sich der frühere
Kanzler des Königs Thomas Becket, den er zum Erzbischof von
Canterbury gemacht, dagegen als das Haupt der geistlichen Oppo-
sition. Bald mußte er vor dem leidenschaftlichen Zorn Heinrichs
nach Frankreich flüchten, und indem er dort nun den Papst
Alexander für die Aufhebung jener Konstitutionen gewann, erweiterte
sich der englische Kirchenstreit zu einer heftigen Spannung zwischen
König Heinrich und den Alexandrinern. Diesen Stimmungswechsel
suchte Reinald von Dassel sofort für seine Zwecke auszunützen.
Als Gesandter am englischen Königshofe in Rouen wußte er nicht
nur enge Verbindungen zwischen den Dynastien anzubahnen, son-
dern auch Heinrich II. für Anerkennung des kaiserlichen Gegen-
papstes zu gewinnen.

Das war das glänzende Ergebnis, mit dem er rückkehrend vor
den Würzburger Reichstag (Pfingsten 1165) trat. Was es bedeutete,
kann man ganz nur ermessen, wenn man bedenkt, daß das König-
tum der Plantagenet mit seiner Ausdehnung über mehr als die
volle westliche Hälfte Frankreichs unbestritten die zweite Welt-
macht des Abendlandes war, daß der unmittelbare Besitz Ludwigs VII.,
damit verglichen, nur ein winziger Fleck war, und auch sein ge-
samter übriger Lehensbesitz nicht an das Festlandsgebiet seines größten
Vasallen, des englischen Königs, heranreichte. Der Zusammenschluß

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[141/0149] § 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157‒1167). den Kaiser richtete, seinem mit ungenügenden Kräften unternommenen Angriff erfolgreichen Widerstand leistete, die hoffnungsvollen Blicke aller Bedrückten in der Lombardei auf sich lenkte und ihnen ein gefährliches Beispiel der Selbsthilfe durch Zusammenschluß gab. Alle diese Mißerfolge der letzten Jahre begannen schließlich den festen Grund zu erschüttern, auf dem Friedrichs Macht ruhte. Die heimlichen Alexandriner unter den deutschen Bischöfen erhoben kühner ihr Haupt, ein Teil der Neutralen schloß sich ihnen an. Friedrich hatte bisher, wo er politischen Gehorsam fand, gern kirchliche Duldung walten lassen. Der immer weiterdringenden Spaltung aber schien jetzt nur durch härteren Druck begegnet werden zu können. Das geschah unter dem Eindruck einer neuen politischen Wandlung, die noch einmal die Aussicht bot, das Schisma im Sinne des Kaisers zu beendigen. Das normannische Königtum Heinrichs II. von England, kräftig entwickelt und zentralistisch, wie das sizilische schon mit einem Fuße außerhalb des mittelalterlichen Lehensstaates, keine Selbständigkeit, auch keine kirchliche, neben sich duldend, war eben damals auf das schärfste zusammengestoßen mit den namentlich auf gerichtlichem Gebiete vordringenden Unabhängigkeitsbestrebungen der Geistlichen. Als die Konstitutionen von Clarendon (1164) solchen Tendenzen scharf entgegentraten, erhob sich der frühere Kanzler des Königs Thomas Becket, den er zum Erzbischof von Canterbury gemacht, dagegen als das Haupt der geistlichen Oppo- sition. Bald mußte er vor dem leidenschaftlichen Zorn Heinrichs nach Frankreich flüchten, und indem er dort nun den Papst Alexander für die Aufhebung jener Konstitutionen gewann, erweiterte sich der englische Kirchenstreit zu einer heftigen Spannung zwischen König Heinrich und den Alexandrinern. Diesen Stimmungswechsel suchte Reinald von Dassel sofort für seine Zwecke auszunützen. Als Gesandter am englischen Königshofe in Rouen wußte er nicht nur enge Verbindungen zwischen den Dynastien anzubahnen, son- dern auch Heinrich II. für Anerkennung des kaiserlichen Gegen- papstes zu gewinnen. Das war das glänzende Ergebnis, mit dem er rückkehrend vor den Würzburger Reichstag (Pfingsten 1165) trat. Was es bedeutete, kann man ganz nur ermessen, wenn man bedenkt, daß das König- tum der Plantagenet mit seiner Ausdehnung über mehr als die volle westliche Hälfte Frankreichs unbestritten die zweite Welt- macht des Abendlandes war, daß der unmittelbare Besitz Ludwigs VII., damit verglichen, nur ein winziger Fleck war, und auch sein ge- samter übriger Lehensbesitz nicht an das Festlandsgebiet seines größten Vasallen, des englischen Königs, heranreichte. Der Zusammenschluß

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/149>, abgerufen am 28.11.2024.