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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
früheren fränkischen und deutschen Herrscher. Ganz spurlos ist die
römischrechtliche Auffassung der bolognesischen Juristen an dem Werke
gleichwohl nicht geblieben. Wichtiger als die Begründung einiger neben-
sächlicheren Einnahmequellen oder ein gelegentliches Zitat aus dem
Corpus juris war der über dem Ganzen schwebende Grundsatz,
daß Staatseigentum nicht durch Verjährung abhanden kommen
könne. Und indem nun für das praktische Verfahren als Regel
aufgestellt wurde, die ganze namhaft gemachte ungeheure Summe
von Rechten für die Krone wahrzunehmen, falls nicht Privilegien
über ihre Verleihung vorgewiesen würden, ward dieser gesamte
rein tatsächliche Regalienbesitz den Städten entzogen, und Bahn
geschaffen für eine völlige Neugestaltung der kaiserlichen Herrschaft
in Oberitalien, die freilich nicht ohne erbitterten Widerstand der
Betroffenen durchzuführen war.

Um was handelte es sich bei diesen Kämpfen der Folgezeit? Gewiß
nicht schlechthin um den Gegensatz zwischen Feudalismus und Bürgertum,
Mittelalter und Neuzeit, wie man noch heute in populären Darstellungen lesen
kann. Diese Auffassung wäre nur stichhaltig, wenn Friedrich die eingezogenen
Rechtstitel wieder wie einst zu Lehen ausgetan hätte. Das aber war Aus-
nahme, nicht Regel! Hatten die früheren Lehnsträger sie nicht zu behaupten
vermocht, so wären sie auch jetzt bald genug wieder in Verlust geraten.
Man mußte sich schon an die kräftigeren jeweiligen Besitzer, die Städte,
halten. Bisher hätte sich Friedrich vielleicht damit begnügt, durch Verleihung
der Regalien an sie seine Hoheitsrechte zu wahren und die ordnungsmäßigen
Leistungen an das Reich zu sichern. Die roncalischen Beschlüsse aber führten
darüber hinaus zu dem bedeutsamen Versuche einer unmittelbaren Verwaltung
durch Reichsbeamte. Der Kaiser begnügte sich nun nicht mehr mit der In-
vestitur der freigewählten Konsuln, sondern setzte von sich aus je einen oder
mehrere, zunächst einheimische, dann auch deutsche Podestas ein, die auf Zeit
und als absetzbare Behörden angestellt, die Regalien nicht als Lehnsbesitz,
sondern von Amts wegen für das Reich wahrnehmen sollten. Friedrich mochte
immerhin auch hier nur die Herstellung des Vergangenen im Auge haben, --
das Reich Karls d. Gr. hatte ja in der Tat schon ein derartiges zentralisiertes
Beamtentum gekannt, -- aber ebensowohl wie auf die Vergangenheit wies
doch der Versuch auf den modernen Beamtenstaat der Zukunft, der bestimmt
war, das mittelalterliche Lehnswesen zu überwinden. Reaktion und Fort-
schritt reichten sich hier die Hände!

Auch der nationale Gegensatz, etwa die Beschirmung der italischen
Freiheit gegen den barbarischen Unterdrücker, von der im modernen Italien
so viel geredet worden ist, hat in Wahrheit noch keine erheblichere Rolle
in diesem Ringen gespielt. Das lombardische Volk hat Barbarossa lauter zu-
gejubelt, die italienischen Dichter haben ihn begeisterter gepriesen, als seine
deutschen Landsleute. Ein einheimischer Monarch mit ähnlichen Zielen ein-
heitlicher Herrschaft hätte genau denselben hartnäckigen Widerstand gefunden,
denn entscheidend für die Beurteilung war nicht ein nationales Gemeingefühl,
das zum mindesten in politischer Färbung noch nicht vorhanden war, sondern
Selbständigkeit und Blüte des eignen Gemeinwesens, und die konkurrierenden
Nachbarstädte wurden schon damals weit ingrimmiger gehaßt, als der Kaiser
und seine deutschen Ministerialen.

II. Die Zeit der Staufer.
früheren fränkischen und deutschen Herrscher. Ganz spurlos ist die
römischrechtliche Auffassung der bolognesischen Juristen an dem Werke
gleichwohl nicht geblieben. Wichtiger als die Begründung einiger neben-
sächlicheren Einnahmequellen oder ein gelegentliches Zitat aus dem
Corpus juris war der über dem Ganzen schwebende Grundsatz,
daß Staatseigentum nicht durch Verjährung abhanden kommen
könne. Und indem nun für das praktische Verfahren als Regel
aufgestellt wurde, die ganze namhaft gemachte ungeheure Summe
von Rechten für die Krone wahrzunehmen, falls nicht Privilegien
über ihre Verleihung vorgewiesen würden, ward dieser gesamte
rein tatsächliche Regalienbesitz den Städten entzogen, und Bahn
geschaffen für eine völlige Neugestaltung der kaiserlichen Herrschaft
in Oberitalien, die freilich nicht ohne erbitterten Widerstand der
Betroffenen durchzuführen war.

Um was handelte es sich bei diesen Kämpfen der Folgezeit? Gewiß
nicht schlechthin um den Gegensatz zwischen Feudalismus und Bürgertum,
Mittelalter und Neuzeit, wie man noch heute in populären Darstellungen lesen
kann. Diese Auffassung wäre nur stichhaltig, wenn Friedrich die eingezogenen
Rechtstitel wieder wie einst zu Lehen ausgetan hätte. Das aber war Aus-
nahme, nicht Regel! Hatten die früheren Lehnsträger sie nicht zu behaupten
vermocht, so wären sie auch jetzt bald genug wieder in Verlust geraten.
Man mußte sich schon an die kräftigeren jeweiligen Besitzer, die Städte,
halten. Bisher hätte sich Friedrich vielleicht damit begnügt, durch Verleihung
der Regalien an sie seine Hoheitsrechte zu wahren und die ordnungsmäßigen
Leistungen an das Reich zu sichern. Die roncalischen Beschlüsse aber führten
darüber hinaus zu dem bedeutsamen Versuche einer unmittelbaren Verwaltung
durch Reichsbeamte. Der Kaiser begnügte sich nun nicht mehr mit der In-
vestitur der freigewählten Konsuln, sondern setzte von sich aus je einen oder
mehrere, zunächst einheimische, dann auch deutsche Podestàs ein, die auf Zeit
und als absetzbare Behörden angestellt, die Regalien nicht als Lehnsbesitz,
sondern von Amts wegen für das Reich wahrnehmen sollten. Friedrich mochte
immerhin auch hier nur die Herstellung des Vergangenen im Auge haben, —
das Reich Karls d. Gr. hatte ja in der Tat schon ein derartiges zentralisiertes
Beamtentum gekannt, — aber ebensowohl wie auf die Vergangenheit wies
doch der Versuch auf den modernen Beamtenstaat der Zukunft, der bestimmt
war, das mittelalterliche Lehnswesen zu überwinden. Reaktion und Fort-
schritt reichten sich hier die Hände!

Auch der nationale Gegensatz, etwa die Beschirmung der italischen
Freiheit gegen den barbarischen Unterdrücker, von der im modernen Italien
so viel geredet worden ist, hat in Wahrheit noch keine erheblichere Rolle
in diesem Ringen gespielt. Das lombardische Volk hat Barbarossa lauter zu-
gejubelt, die italienischen Dichter haben ihn begeisterter gepriesen, als seine
deutschen Landsleute. Ein einheimischer Monarch mit ähnlichen Zielen ein-
heitlicher Herrschaft hätte genau denselben hartnäckigen Widerstand gefunden,
denn entscheidend für die Beurteilung war nicht ein nationales Gemeingefühl,
das zum mindesten in politischer Färbung noch nicht vorhanden war, sondern
Selbständigkeit und Blüte des eignen Gemeinwesens, und die konkurrierenden
Nachbarstädte wurden schon damals weit ingrimmiger gehaßt, als der Kaiser
und seine deutschen Ministerialen.

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[132/0140] II. Die Zeit der Staufer. früheren fränkischen und deutschen Herrscher. Ganz spurlos ist die römischrechtliche Auffassung der bolognesischen Juristen an dem Werke gleichwohl nicht geblieben. Wichtiger als die Begründung einiger neben- sächlicheren Einnahmequellen oder ein gelegentliches Zitat aus dem Corpus juris war der über dem Ganzen schwebende Grundsatz, daß Staatseigentum nicht durch Verjährung abhanden kommen könne. Und indem nun für das praktische Verfahren als Regel aufgestellt wurde, die ganze namhaft gemachte ungeheure Summe von Rechten für die Krone wahrzunehmen, falls nicht Privilegien über ihre Verleihung vorgewiesen würden, ward dieser gesamte rein tatsächliche Regalienbesitz den Städten entzogen, und Bahn geschaffen für eine völlige Neugestaltung der kaiserlichen Herrschaft in Oberitalien, die freilich nicht ohne erbitterten Widerstand der Betroffenen durchzuführen war. Um was handelte es sich bei diesen Kämpfen der Folgezeit? Gewiß nicht schlechthin um den Gegensatz zwischen Feudalismus und Bürgertum, Mittelalter und Neuzeit, wie man noch heute in populären Darstellungen lesen kann. Diese Auffassung wäre nur stichhaltig, wenn Friedrich die eingezogenen Rechtstitel wieder wie einst zu Lehen ausgetan hätte. Das aber war Aus- nahme, nicht Regel! Hatten die früheren Lehnsträger sie nicht zu behaupten vermocht, so wären sie auch jetzt bald genug wieder in Verlust geraten. Man mußte sich schon an die kräftigeren jeweiligen Besitzer, die Städte, halten. Bisher hätte sich Friedrich vielleicht damit begnügt, durch Verleihung der Regalien an sie seine Hoheitsrechte zu wahren und die ordnungsmäßigen Leistungen an das Reich zu sichern. Die roncalischen Beschlüsse aber führten darüber hinaus zu dem bedeutsamen Versuche einer unmittelbaren Verwaltung durch Reichsbeamte. Der Kaiser begnügte sich nun nicht mehr mit der In- vestitur der freigewählten Konsuln, sondern setzte von sich aus je einen oder mehrere, zunächst einheimische, dann auch deutsche Podestàs ein, die auf Zeit und als absetzbare Behörden angestellt, die Regalien nicht als Lehnsbesitz, sondern von Amts wegen für das Reich wahrnehmen sollten. Friedrich mochte immerhin auch hier nur die Herstellung des Vergangenen im Auge haben, — das Reich Karls d. Gr. hatte ja in der Tat schon ein derartiges zentralisiertes Beamtentum gekannt, — aber ebensowohl wie auf die Vergangenheit wies doch der Versuch auf den modernen Beamtenstaat der Zukunft, der bestimmt war, das mittelalterliche Lehnswesen zu überwinden. Reaktion und Fort- schritt reichten sich hier die Hände! Auch der nationale Gegensatz, etwa die Beschirmung der italischen Freiheit gegen den barbarischen Unterdrücker, von der im modernen Italien so viel geredet worden ist, hat in Wahrheit noch keine erheblichere Rolle in diesem Ringen gespielt. Das lombardische Volk hat Barbarossa lauter zu- gejubelt, die italienischen Dichter haben ihn begeisterter gepriesen, als seine deutschen Landsleute. Ein einheimischer Monarch mit ähnlichen Zielen ein- heitlicher Herrschaft hätte genau denselben hartnäckigen Widerstand gefunden, denn entscheidend für die Beurteilung war nicht ein nationales Gemeingefühl, das zum mindesten in politischer Färbung noch nicht vorhanden war, sondern Selbständigkeit und Blüte des eignen Gemeinwesens, und die konkurrierenden Nachbarstädte wurden schon damals weit ingrimmiger gehaßt, als der Kaiser und seine deutschen Ministerialen.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/140>, abgerufen am 25.11.2024.