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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 9. Konrad III. (1138-1152).
mit Engländern und Normannen über See und errangen unterwegs,
indem sie dem König von Portugal zur Eroberung des moham-
medanischen Lissabon verhalfen (1147), den einzigen großen Erfolg
des gesamten Kreuzzugunternehmens. Andre Lothringer zogen mit
dem französischen Heere, das den Massen Konrads III. durch
Ungarn in das griechische Reich folgte.

Dort kam dem deutschen Könige seine Verschwägerung und
Freundschaft mit dem ritterlichen und unternehmungslustigen Kaiser
Manuel zu statten, mit dem ihn überdies die gleiche Feindschaft
gegen Roger von Sizilien politisch eng verknüpfte. Manuels durch
eignes Interesse geförderter guter Wille, seine reichen Mittel und
die der abendländischen noch immer weit überlegene byzantinische
Technik brachten die unzweifelhaft auf viele Zehntausende zu
schätzenden deutschen Kreuzfahrer ohne Störung hinüber nach
Nicaea. Von da aus riet er zu dem weiteren, aber sichereren
Küstenwege. Indes der Drang vorwärts entschied für den näheren
Marsch durch das Innere, der ein festgeschlossenes, berittenes und
verproviantiertes Heer in der Tat in etwa drei Wochen nach Iko-
nium hätte führen können. Konrad suchte daher die ungeordneten,
mittellosen Massen mit einer kleineren Truppenabteilung unter
Bischof Otto von Freising die Küste entlang zu schicken; aber nur
wenige gehorchten, die meisten ließen sich in der Furcht, preis-
gegeben zu werden, von dem Hauptheere nicht abschütteln. Es
gehörte schon der volle Glaube an die unmittelbare Leitung Gottes
dazu, um ohne genaue Kenntnis des Weges und mit gänzlich un-
zureichenden Lebensmitteln den Marsch trotzdem zu wagen. Nach
zehn Tagen sah man sich in dem öden, von den Feinden überdies
noch verwüsteten Lande am Ende des Unterhaltes, von den mit
Schmähungen überhäuften griechischen Führern verlassen, von be-
henden türkischen Reiterscharen auf allen Seiten angegriffen. So-
fern noch Rettung möglich war, lag sie in schleunigster Umkehr,
zumal eine schreckenerregende Sonnenfinsternis Gottes Zorn zu ver-
raten schien. Der Rückzug gestaltete sich dann durch Hunger,
Krankheit und Feindesnot zu einer furchtbaren Katastrophe, aus
der Konrad, der Gefahren, Mühen und Entbehrungen in der auf-
opferndsten Weise mit den Seinen teilte, nur einen kümmerlichen
Heeresrest nach Nicaea zurückbrachte. Im Anschluß an die fran-
zösischen Kreuzfahrer, die er dort antraf, marschierte er mit einem
Teil seiner Leute dann noch eine Strecke weit auf dem Küsten-
wege, um sich von Ephesus aus in völliger Erschöpfung nach
Konstantinopel in die sorgsame Pflege Manuels zu begeben
(Januar 1148). Kurz zuvor war auch die Abteilung Ottos von
Freising, die von dort das Mäandertal aufwärts gezogen war, im

§ 9. Konrad III. (1138‒1152).
mit Engländern und Normannen über See und errangen unterwegs,
indem sie dem König von Portugal zur Eroberung des moham-
medanischen Lissabon verhalfen (1147), den einzigen großen Erfolg
des gesamten Kreuzzugunternehmens. Andre Lothringer zogen mit
dem französischen Heere, das den Massen Konrads III. durch
Ungarn in das griechische Reich folgte.

Dort kam dem deutschen Könige seine Verschwägerung und
Freundschaft mit dem ritterlichen und unternehmungslustigen Kaiser
Manuel zu statten, mit dem ihn überdies die gleiche Feindschaft
gegen Roger von Sizilien politisch eng verknüpfte. Manuels durch
eignes Interesse geförderter guter Wille, seine reichen Mittel und
die der abendländischen noch immer weit überlegene byzantinische
Technik brachten die unzweifelhaft auf viele Zehntausende zu
schätzenden deutschen Kreuzfahrer ohne Störung hinüber nach
Nicaea. Von da aus riet er zu dem weiteren, aber sichereren
Küstenwege. Indes der Drang vorwärts entschied für den näheren
Marsch durch das Innere, der ein festgeschlossenes, berittenes und
verproviantiertes Heer in der Tat in etwa drei Wochen nach Iko-
nium hätte führen können. Konrad suchte daher die ungeordneten,
mittellosen Massen mit einer kleineren Truppenabteilung unter
Bischof Otto von Freising die Küste entlang zu schicken; aber nur
wenige gehorchten, die meisten ließen sich in der Furcht, preis-
gegeben zu werden, von dem Hauptheere nicht abschütteln. Es
gehörte schon der volle Glaube an die unmittelbare Leitung Gottes
dazu, um ohne genaue Kenntnis des Weges und mit gänzlich un-
zureichenden Lebensmitteln den Marsch trotzdem zu wagen. Nach
zehn Tagen sah man sich in dem öden, von den Feinden überdies
noch verwüsteten Lande am Ende des Unterhaltes, von den mit
Schmähungen überhäuften griechischen Führern verlassen, von be-
henden türkischen Reiterscharen auf allen Seiten angegriffen. So-
fern noch Rettung möglich war, lag sie in schleunigster Umkehr,
zumal eine schreckenerregende Sonnenfinsternis Gottes Zorn zu ver-
raten schien. Der Rückzug gestaltete sich dann durch Hunger,
Krankheit und Feindesnot zu einer furchtbaren Katastrophe, aus
der Konrad, der Gefahren, Mühen und Entbehrungen in der auf-
opferndsten Weise mit den Seinen teilte, nur einen kümmerlichen
Heeresrest nach Nicaea zurückbrachte. Im Anschluß an die fran-
zösischen Kreuzfahrer, die er dort antraf, marschierte er mit einem
Teil seiner Leute dann noch eine Strecke weit auf dem Küsten-
wege, um sich von Ephesus aus in völliger Erschöpfung nach
Konstantinopel in die sorgsame Pflege Manuels zu begeben
(Januar 1148). Kurz zuvor war auch die Abteilung Ottos von
Freising, die von dort das Mäandertal aufwärts gezogen war, im

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[109/0117] § 9. Konrad III. (1138‒1152). mit Engländern und Normannen über See und errangen unterwegs, indem sie dem König von Portugal zur Eroberung des moham- medanischen Lissabon verhalfen (1147), den einzigen großen Erfolg des gesamten Kreuzzugunternehmens. Andre Lothringer zogen mit dem französischen Heere, das den Massen Konrads III. durch Ungarn in das griechische Reich folgte. Dort kam dem deutschen Könige seine Verschwägerung und Freundschaft mit dem ritterlichen und unternehmungslustigen Kaiser Manuel zu statten, mit dem ihn überdies die gleiche Feindschaft gegen Roger von Sizilien politisch eng verknüpfte. Manuels durch eignes Interesse geförderter guter Wille, seine reichen Mittel und die der abendländischen noch immer weit überlegene byzantinische Technik brachten die unzweifelhaft auf viele Zehntausende zu schätzenden deutschen Kreuzfahrer ohne Störung hinüber nach Nicaea. Von da aus riet er zu dem weiteren, aber sichereren Küstenwege. Indes der Drang vorwärts entschied für den näheren Marsch durch das Innere, der ein festgeschlossenes, berittenes und verproviantiertes Heer in der Tat in etwa drei Wochen nach Iko- nium hätte führen können. Konrad suchte daher die ungeordneten, mittellosen Massen mit einer kleineren Truppenabteilung unter Bischof Otto von Freising die Küste entlang zu schicken; aber nur wenige gehorchten, die meisten ließen sich in der Furcht, preis- gegeben zu werden, von dem Hauptheere nicht abschütteln. Es gehörte schon der volle Glaube an die unmittelbare Leitung Gottes dazu, um ohne genaue Kenntnis des Weges und mit gänzlich un- zureichenden Lebensmitteln den Marsch trotzdem zu wagen. Nach zehn Tagen sah man sich in dem öden, von den Feinden überdies noch verwüsteten Lande am Ende des Unterhaltes, von den mit Schmähungen überhäuften griechischen Führern verlassen, von be- henden türkischen Reiterscharen auf allen Seiten angegriffen. So- fern noch Rettung möglich war, lag sie in schleunigster Umkehr, zumal eine schreckenerregende Sonnenfinsternis Gottes Zorn zu ver- raten schien. Der Rückzug gestaltete sich dann durch Hunger, Krankheit und Feindesnot zu einer furchtbaren Katastrophe, aus der Konrad, der Gefahren, Mühen und Entbehrungen in der auf- opferndsten Weise mit den Seinen teilte, nur einen kümmerlichen Heeresrest nach Nicaea zurückbrachte. Im Anschluß an die fran- zösischen Kreuzfahrer, die er dort antraf, marschierte er mit einem Teil seiner Leute dann noch eine Strecke weit auf dem Küsten- wege, um sich von Ephesus aus in völliger Erschöpfung nach Konstantinopel in die sorgsame Pflege Manuels zu begeben (Januar 1148). Kurz zuvor war auch die Abteilung Ottos von Freising, die von dort das Mäandertal aufwärts gezogen war, im

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/117>, abgerufen am 24.11.2024.