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[Hamann, Johann Georg]: Sokratische Denkwürdigkeiten. Amsterdam [i. e. Königsberg], 1759.

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bold, eine hervorragende Jdea seiner Einbil-
dungskraft, oder ein erschlichner und will-
kührlich angenommener Begrif einer mathe-
matischen Unwissenheit; ob dieser Dämon
nicht vielleicht eine Quecksilberröhre oder den
Maschinen ähnlicher gewesen, welchen die
Leuwenhoeks ihre Offenbarungen zu verdan-
ken haben; ob man ihn mit dem wahrsagen-
dem Gefühl eines nüchternen Blinden oder
mit der Gabe aus Leichdornen und Narben
übelgeheilter Wunden die Revolutionen des
Wolkenhimmels vorher zu wissen, am be-
quemsten vergleichen kann: hierüber ist von
so vielen Sophisten mit so viel Bündigkeit
geschrieben worden, daß man erstaunen muß,
wie Sokrates bey der gelobten Erkenntniß
seiner Selbst, auch hierinn so unwissend ge-
wesen, daß er einem Sinnas darauf die Ant-
wort hat schuldig bleiben wollen. Keinem
Leser von Geschmack fehlt es in unsern Tagen
an Freunden von Genie, die mich der Mühe
überheben weitläuftiger über den Genius des
Sokrates zu seyn.

Aus dieser sokratischen Unwissenheit flüssen
als leichte Folgen die Sonderbarkeiten seiner

Lehr-
D 3

bold, eine hervorragende Jdea ſeiner Einbil-
dungskraft, oder ein erſchlichner und will-
kuͤhrlich angenommener Begrif einer mathe-
matiſchen Unwiſſenheit; ob dieſer Daͤmon
nicht vielleicht eine Queckſilberroͤhre oder den
Maſchinen aͤhnlicher geweſen, welchen die
Leuwenhoeks ihre Offenbarungen zu verdan-
ken haben; ob man ihn mit dem wahrſagen-
dem Gefuͤhl eines nuͤchternen Blinden oder
mit der Gabe aus Leichdornen und Narben
uͤbelgeheilter Wunden die Revolutionen des
Wolkenhimmels vorher zu wiſſen, am be-
quemſten vergleichen kann: hieruͤber iſt von
ſo vielen Sophiſten mit ſo viel Buͤndigkeit
geſchrieben worden, daß man erſtaunen muß,
wie Sokrates bey der gelobten Erkenntniß
ſeiner Selbſt, auch hierinn ſo unwiſſend ge-
weſen, daß er einem Sinnas darauf die Ant-
wort hat ſchuldig bleiben wollen. Keinem
Leſer von Geſchmack fehlt es in unſern Tagen
an Freunden von Genie, die mich der Muͤhe
uͤberheben weitlaͤuftiger uͤber den Genius des
Sokrates zu ſeyn.

Aus dieſer ſokratiſchen Unwiſſenheit fluͤſſen
als leichte Folgen die Sonderbarkeiten ſeiner

Lehr-
D 3
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[53/0057] bold, eine hervorragende Jdea ſeiner Einbil- dungskraft, oder ein erſchlichner und will- kuͤhrlich angenommener Begrif einer mathe- matiſchen Unwiſſenheit; ob dieſer Daͤmon nicht vielleicht eine Queckſilberroͤhre oder den Maſchinen aͤhnlicher geweſen, welchen die Leuwenhoeks ihre Offenbarungen zu verdan- ken haben; ob man ihn mit dem wahrſagen- dem Gefuͤhl eines nuͤchternen Blinden oder mit der Gabe aus Leichdornen und Narben uͤbelgeheilter Wunden die Revolutionen des Wolkenhimmels vorher zu wiſſen, am be- quemſten vergleichen kann: hieruͤber iſt von ſo vielen Sophiſten mit ſo viel Buͤndigkeit geſchrieben worden, daß man erſtaunen muß, wie Sokrates bey der gelobten Erkenntniß ſeiner Selbſt, auch hierinn ſo unwiſſend ge- weſen, daß er einem Sinnas darauf die Ant- wort hat ſchuldig bleiben wollen. Keinem Leſer von Geſchmack fehlt es in unſern Tagen an Freunden von Genie, die mich der Muͤhe uͤberheben weitlaͤuftiger uͤber den Genius des Sokrates zu ſeyn. Aus dieſer ſokratiſchen Unwiſſenheit fluͤſſen als leichte Folgen die Sonderbarkeiten ſeiner Lehr- D 3

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Zitationshilfe: [Hamann, Johann Georg]: Sokratische Denkwürdigkeiten. Amsterdam [i. e. Königsberg], 1759, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hamann_denkwuerdigkeiten_1759/57>, abgerufen am 25.11.2024.