Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Halm, Friedrich [d. i. Eligius Franz Joseph von Münch Bellinghausen]: Die Marzipan-Lise. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–70. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

mit dämonischer Freude zu erfüllen scheint. Mit Einem Worte: Kleist bringt das einfach Menschliche in ungewöhnliche Lagen, die seinem Wesen nichts anhaben können, während Halm verwickelte Seelenzustände und außerordentliche Vorgänge beziehungsvoll in einander verflicht. Aber für die mangelnde Naivetät des Dichters entschädigt uns in Halm die gesammelte Kraft des Künstlers, und für die geringere Macht des Tons leistet die Vornehmheit des Anschlags Ersatz. Ueber alles Künstliche, hebt er uns mit der Geschicklichkeit des Artisten hinüber, und den einzelnen psychologischen Fehlgriff gleicht die Virtuosität der ganzen Zeichnung wieder aus. Das Originelle dieser Erzählungen beruht auf dem innigen Verweben der landschaftlichen, architektonischen, nationalen, geschichtlichen Besonderheiten und Zustände mit den Charakteren und Situationen, wobei man an Beschreibung auch nicht von Ferne denken darf. Klima, Stammesart, Epoche und locale Umgebung üben auf die Personen dieser Erzählungen einen bestimmenden Einfluß. Der Dichter hat das Sittencostüm und die Staffage zu treibenden Motiven erhöht. Hierin sind diese Erzählungen geradezu einzig."

mit dämonischer Freude zu erfüllen scheint. Mit Einem Worte: Kleist bringt das einfach Menschliche in ungewöhnliche Lagen, die seinem Wesen nichts anhaben können, während Halm verwickelte Seelenzustände und außerordentliche Vorgänge beziehungsvoll in einander verflicht. Aber für die mangelnde Naivetät des Dichters entschädigt uns in Halm die gesammelte Kraft des Künstlers, und für die geringere Macht des Tons leistet die Vornehmheit des Anschlags Ersatz. Ueber alles Künstliche, hebt er uns mit der Geschicklichkeit des Artisten hinüber, und den einzelnen psychologischen Fehlgriff gleicht die Virtuosität der ganzen Zeichnung wieder aus. Das Originelle dieser Erzählungen beruht auf dem innigen Verweben der landschaftlichen, architektonischen, nationalen, geschichtlichen Besonderheiten und Zustände mit den Charakteren und Situationen, wobei man an Beschreibung auch nicht von Ferne denken darf. Klima, Stammesart, Epoche und locale Umgebung üben auf die Personen dieser Erzählungen einen bestimmenden Einfluß. Der Dichter hat das Sittencostüm und die Staffage zu treibenden Motiven erhöht. Hierin sind diese Erzählungen geradezu einzig.“

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface">
        <p><pb facs="#f0008"/>
mit dämonischer Freude zu erfüllen scheint.     Mit Einem Worte: Kleist bringt das einfach Menschliche in ungewöhnliche Lagen, die seinem Wesen     nichts anhaben können, während Halm verwickelte Seelenzustände und außerordentliche Vorgänge     beziehungsvoll in einander verflicht. Aber für die mangelnde Naivetät des Dichters entschädigt     uns in Halm die gesammelte Kraft des Künstlers, und für die geringere Macht des Tons leistet die     Vornehmheit des Anschlags Ersatz. Ueber alles Künstliche, hebt er uns mit der Geschicklichkeit     des Artisten hinüber, und den einzelnen psychologischen Fehlgriff gleicht die Virtuosität der     ganzen Zeichnung wieder aus. Das Originelle dieser Erzählungen beruht auf dem innigen Verweben     der landschaftlichen, architektonischen, nationalen, geschichtlichen Besonderheiten und Zustände     mit den Charakteren und Situationen, wobei man an Beschreibung auch nicht von Ferne denken darf.     Klima, Stammesart, Epoche und locale Umgebung üben auf die Personen dieser Erzählungen einen     bestimmenden Einfluß. Der Dichter hat das Sittencostüm und die Staffage zu treibenden Motiven     erhöht. Hierin sind diese Erzählungen geradezu einzig.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0008] mit dämonischer Freude zu erfüllen scheint. Mit Einem Worte: Kleist bringt das einfach Menschliche in ungewöhnliche Lagen, die seinem Wesen nichts anhaben können, während Halm verwickelte Seelenzustände und außerordentliche Vorgänge beziehungsvoll in einander verflicht. Aber für die mangelnde Naivetät des Dichters entschädigt uns in Halm die gesammelte Kraft des Künstlers, und für die geringere Macht des Tons leistet die Vornehmheit des Anschlags Ersatz. Ueber alles Künstliche, hebt er uns mit der Geschicklichkeit des Artisten hinüber, und den einzelnen psychologischen Fehlgriff gleicht die Virtuosität der ganzen Zeichnung wieder aus. Das Originelle dieser Erzählungen beruht auf dem innigen Verweben der landschaftlichen, architektonischen, nationalen, geschichtlichen Besonderheiten und Zustände mit den Charakteren und Situationen, wobei man an Beschreibung auch nicht von Ferne denken darf. Klima, Stammesart, Epoche und locale Umgebung üben auf die Personen dieser Erzählungen einen bestimmenden Einfluß. Der Dichter hat das Sittencostüm und die Staffage zu treibenden Motiven erhöht. Hierin sind diese Erzählungen geradezu einzig.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:52:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:52:38Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/halm_lise_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/halm_lise_1910/8
Zitationshilfe: Halm, Friedrich [d. i. Eligius Franz Joseph von Münch Bellinghausen]: Die Marzipan-Lise. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–70. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/halm_lise_1910/8>, abgerufen am 18.12.2024.