Halm, Friedrich [d. i. Eligius Franz Joseph von Münch Bellinghausen]: Die Marzipan-Lise. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–70. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Unruhe gewahrend, mit der sie den Bewegungen des Schreibers folgte, rief er, mit der derben Faust auf den Tisch hinschlagend, daß Flaschen und Gläser klirrten: Kreuz -- schwere Noth! Rühre dich, Mädel! Das Glas des Herrn Steidler ist leer! Schenk ein und präsentire ihm den Kuchenteller! Donnerwetter, paß auf! Während Czenczi zusammenfuhr und, so rauher Mahnung ungewohnt, zitternd die Aufträge des Vaters erfüllte, hatte dieser, seinen Unmuth, unter einer scherzenden Miene verbergend, sich wieder zu seinem Gaste gewandt und ihn aufgefordert, nach dieser unliebsamen Unterbrechung den Faden seiner Erzählung wieder aufzunehmen. Liebwerthester Freund, begann Herr Steidler, ich habe Euch wohl vorausgesagt, daß an jenem Vorfall, von dem ich Euch durchaus berichten sollte, nicht eben viel Merkwürdiges wäre; Ihr habt mir aber nicht glauben wollen; erstaunt also nicht, wenn ich an den Anfang meiner Geschichte statt ihrer Fortsetzung, die Ihr erwartet und begehrt, gleich unmittelbar ihr Ende knüpfen muß. Nachdem ich nämlich auf die Art und Weise, wie ich eben berichtet, die Marzipan-Lise und ihren Miethsmann kennen gelernt hatte, ging ich meinen Geschäften nach und kehrte dann in meine Heimath zurück, ohne von jenen Beiden weiter zu hören, oder ihrer auch nur von ferne zu gedenken. Nach etwa sechs Wochen hatte ich wieder eine Geschäftsreise nach Bruck anzutreten, und diese Gelegenheit benützte ich, einen Freund auf einem von Bruck kaum eine halbe Stunde entfernten Hammer- Unruhe gewahrend, mit der sie den Bewegungen des Schreibers folgte, rief er, mit der derben Faust auf den Tisch hinschlagend, daß Flaschen und Gläser klirrten: Kreuz — schwere Noth! Rühre dich, Mädel! Das Glas des Herrn Steidler ist leer! Schenk ein und präsentire ihm den Kuchenteller! Donnerwetter, paß auf! Während Czenczi zusammenfuhr und, so rauher Mahnung ungewohnt, zitternd die Aufträge des Vaters erfüllte, hatte dieser, seinen Unmuth, unter einer scherzenden Miene verbergend, sich wieder zu seinem Gaste gewandt und ihn aufgefordert, nach dieser unliebsamen Unterbrechung den Faden seiner Erzählung wieder aufzunehmen. Liebwerthester Freund, begann Herr Steidler, ich habe Euch wohl vorausgesagt, daß an jenem Vorfall, von dem ich Euch durchaus berichten sollte, nicht eben viel Merkwürdiges wäre; Ihr habt mir aber nicht glauben wollen; erstaunt also nicht, wenn ich an den Anfang meiner Geschichte statt ihrer Fortsetzung, die Ihr erwartet und begehrt, gleich unmittelbar ihr Ende knüpfen muß. Nachdem ich nämlich auf die Art und Weise, wie ich eben berichtet, die Marzipan-Lise und ihren Miethsmann kennen gelernt hatte, ging ich meinen Geschäften nach und kehrte dann in meine Heimath zurück, ohne von jenen Beiden weiter zu hören, oder ihrer auch nur von ferne zu gedenken. Nach etwa sechs Wochen hatte ich wieder eine Geschäftsreise nach Bruck anzutreten, und diese Gelegenheit benützte ich, einen Freund auf einem von Bruck kaum eine halbe Stunde entfernten Hammer- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0033"/> Unruhe gewahrend, mit der sie den Bewegungen des Schreibers folgte, rief er, mit der derben Faust auf den Tisch hinschlagend, daß Flaschen und Gläser klirrten: Kreuz — schwere Noth! Rühre dich, Mädel! Das Glas des Herrn Steidler ist leer! Schenk ein und präsentire ihm den Kuchenteller! Donnerwetter, paß auf! Während Czenczi zusammenfuhr und, so rauher Mahnung ungewohnt, zitternd die Aufträge des Vaters erfüllte, hatte dieser, seinen Unmuth, unter einer scherzenden Miene verbergend, sich wieder zu seinem Gaste gewandt und ihn aufgefordert, nach dieser unliebsamen Unterbrechung den Faden seiner Erzählung wieder aufzunehmen.</p><lb/> <p>Liebwerthester Freund, begann Herr Steidler, ich habe Euch wohl vorausgesagt, daß an jenem Vorfall, von dem ich Euch durchaus berichten sollte, nicht eben viel Merkwürdiges wäre; Ihr habt mir aber nicht glauben wollen; erstaunt also nicht, wenn ich an den Anfang meiner Geschichte statt ihrer Fortsetzung, die Ihr erwartet und begehrt, gleich unmittelbar ihr Ende knüpfen muß. Nachdem ich nämlich auf die Art und Weise, wie ich eben berichtet, die Marzipan-Lise und ihren Miethsmann kennen gelernt hatte, ging ich meinen Geschäften nach und kehrte dann in meine Heimath zurück, ohne von jenen Beiden weiter zu hören, oder ihrer auch nur von ferne zu gedenken. Nach etwa sechs Wochen hatte ich wieder eine Geschäftsreise nach Bruck anzutreten, und diese Gelegenheit benützte ich, einen Freund auf einem von Bruck kaum eine halbe Stunde entfernten Hammer-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0033]
Unruhe gewahrend, mit der sie den Bewegungen des Schreibers folgte, rief er, mit der derben Faust auf den Tisch hinschlagend, daß Flaschen und Gläser klirrten: Kreuz — schwere Noth! Rühre dich, Mädel! Das Glas des Herrn Steidler ist leer! Schenk ein und präsentire ihm den Kuchenteller! Donnerwetter, paß auf! Während Czenczi zusammenfuhr und, so rauher Mahnung ungewohnt, zitternd die Aufträge des Vaters erfüllte, hatte dieser, seinen Unmuth, unter einer scherzenden Miene verbergend, sich wieder zu seinem Gaste gewandt und ihn aufgefordert, nach dieser unliebsamen Unterbrechung den Faden seiner Erzählung wieder aufzunehmen.
Liebwerthester Freund, begann Herr Steidler, ich habe Euch wohl vorausgesagt, daß an jenem Vorfall, von dem ich Euch durchaus berichten sollte, nicht eben viel Merkwürdiges wäre; Ihr habt mir aber nicht glauben wollen; erstaunt also nicht, wenn ich an den Anfang meiner Geschichte statt ihrer Fortsetzung, die Ihr erwartet und begehrt, gleich unmittelbar ihr Ende knüpfen muß. Nachdem ich nämlich auf die Art und Weise, wie ich eben berichtet, die Marzipan-Lise und ihren Miethsmann kennen gelernt hatte, ging ich meinen Geschäften nach und kehrte dann in meine Heimath zurück, ohne von jenen Beiden weiter zu hören, oder ihrer auch nur von ferne zu gedenken. Nach etwa sechs Wochen hatte ich wieder eine Geschäftsreise nach Bruck anzutreten, und diese Gelegenheit benützte ich, einen Freund auf einem von Bruck kaum eine halbe Stunde entfernten Hammer-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/halm_lise_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/halm_lise_1910/33 |
Zitationshilfe: | Halm, Friedrich [d. i. Eligius Franz Joseph von Münch Bellinghausen]: Die Marzipan-Lise. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–70. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/halm_lise_1910/33>, abgerufen am 16.02.2025. |