Halm, Friedrich [d. i. Eligius Franz Joseph von Münch Bellinghausen]: Die Marzipan-Lise. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–70. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.seinen Mann zu finden, dabei bleibe ich! Aber laßt uns doch die Geschichte hören, deren Ihr eben gedachtet! Noch ein Glas Somlyoer, werther Herr Steidler; dem Wein dürft Ihr trauen, er ist eigenes Baugut und vom besten Jahrgang, und nun gebt uns Eure Mordthat zum Besten! Horvath hatte während dieser Worte die Gläser gefüllt, und Steidler, der vergebens vorstellte, daß jener Vorfall an und für sich nicht besonders spannend und nur vielleicht für Jene, welche die betheiligten Personen gekannt, merkwürdig wäre, fügte sich endlich dem Andringen seines freundlichen Wirthes und begann folgendermaßen seine Erzählung: Ihr müßt wissen, sagte Steidler, daß mich meine Geschäfte mehr als einmal des Jahres nach Bruck führen, einem hübschen Städtchen, das einige Meilen von meiner Heimath am Zusammenfluß der Mürz und der Mur gelegen ist. Ich pflege dort beim Kreuzwirth Herberge zu nehmen und habe mich, seit Jahren ein Stammgast des Hauses, unter seinem Dache immer so wohl besorgt und aufgehoben gefühlt, wie nur am eigenen Herd. Eines Tages, es mögen nicht ganz drei Jahre sein, gegen Abend ankommend, finde ich jedoch das Haus von oben bis unten erleuchtet, Gänge und Treppen von Menschen wimmelnd und vor dem Hause ein Gewirr ineinandergefahrener Wagen, daß ich nur mit Mühe an den Thorweg gelangen konnte. Kreuzwirth, sage ich absteigend, Euer Haus sieht heute nicht anders aus als die leibhaftige Arche Noäh, da werde ich denn wohl rechtsum seinen Mann zu finden, dabei bleibe ich! Aber laßt uns doch die Geschichte hören, deren Ihr eben gedachtet! Noch ein Glas Somlyóer, werther Herr Steidler; dem Wein dürft Ihr trauen, er ist eigenes Baugut und vom besten Jahrgang, und nun gebt uns Eure Mordthat zum Besten! Horváth hatte während dieser Worte die Gläser gefüllt, und Steidler, der vergebens vorstellte, daß jener Vorfall an und für sich nicht besonders spannend und nur vielleicht für Jene, welche die betheiligten Personen gekannt, merkwürdig wäre, fügte sich endlich dem Andringen seines freundlichen Wirthes und begann folgendermaßen seine Erzählung: Ihr müßt wissen, sagte Steidler, daß mich meine Geschäfte mehr als einmal des Jahres nach Bruck führen, einem hübschen Städtchen, das einige Meilen von meiner Heimath am Zusammenfluß der Mürz und der Mur gelegen ist. Ich pflege dort beim Kreuzwirth Herberge zu nehmen und habe mich, seit Jahren ein Stammgast des Hauses, unter seinem Dache immer so wohl besorgt und aufgehoben gefühlt, wie nur am eigenen Herd. Eines Tages, es mögen nicht ganz drei Jahre sein, gegen Abend ankommend, finde ich jedoch das Haus von oben bis unten erleuchtet, Gänge und Treppen von Menschen wimmelnd und vor dem Hause ein Gewirr ineinandergefahrener Wagen, daß ich nur mit Mühe an den Thorweg gelangen konnte. Kreuzwirth, sage ich absteigend, Euer Haus sieht heute nicht anders aus als die leibhaftige Arche Noäh, da werde ich denn wohl rechtsum <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0027"/> seinen Mann zu finden, dabei bleibe ich! Aber laßt uns doch die Geschichte hören, deren Ihr eben gedachtet! Noch ein Glas Somlyóer, werther Herr Steidler; dem Wein dürft Ihr trauen, er ist eigenes Baugut und vom besten Jahrgang, und nun gebt uns Eure Mordthat zum Besten! Horváth hatte während dieser Worte die Gläser gefüllt, und Steidler, der vergebens vorstellte, daß jener Vorfall an und für sich nicht besonders spannend und nur vielleicht für Jene, welche die betheiligten Personen gekannt, merkwürdig wäre, fügte sich endlich dem Andringen seines freundlichen Wirthes und begann folgendermaßen seine Erzählung:</p><lb/> <p>Ihr müßt wissen, sagte Steidler, daß mich meine Geschäfte mehr als einmal des Jahres nach Bruck führen, einem hübschen Städtchen, das einige Meilen von meiner Heimath am Zusammenfluß der Mürz und der Mur gelegen ist. Ich pflege dort beim Kreuzwirth Herberge zu nehmen und habe mich, seit Jahren ein Stammgast des Hauses, unter seinem Dache immer so wohl besorgt und aufgehoben gefühlt, wie nur am eigenen Herd. Eines Tages, es mögen nicht ganz drei Jahre sein, gegen Abend ankommend, finde ich jedoch das Haus von oben bis unten erleuchtet, Gänge und Treppen von Menschen wimmelnd und vor dem Hause ein Gewirr ineinandergefahrener Wagen, daß ich nur mit Mühe an den Thorweg gelangen konnte. Kreuzwirth, sage ich absteigend, Euer Haus sieht heute nicht anders aus als die leibhaftige Arche Noäh, da werde ich denn wohl rechtsum<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0027]
seinen Mann zu finden, dabei bleibe ich! Aber laßt uns doch die Geschichte hören, deren Ihr eben gedachtet! Noch ein Glas Somlyóer, werther Herr Steidler; dem Wein dürft Ihr trauen, er ist eigenes Baugut und vom besten Jahrgang, und nun gebt uns Eure Mordthat zum Besten! Horváth hatte während dieser Worte die Gläser gefüllt, und Steidler, der vergebens vorstellte, daß jener Vorfall an und für sich nicht besonders spannend und nur vielleicht für Jene, welche die betheiligten Personen gekannt, merkwürdig wäre, fügte sich endlich dem Andringen seines freundlichen Wirthes und begann folgendermaßen seine Erzählung:
Ihr müßt wissen, sagte Steidler, daß mich meine Geschäfte mehr als einmal des Jahres nach Bruck führen, einem hübschen Städtchen, das einige Meilen von meiner Heimath am Zusammenfluß der Mürz und der Mur gelegen ist. Ich pflege dort beim Kreuzwirth Herberge zu nehmen und habe mich, seit Jahren ein Stammgast des Hauses, unter seinem Dache immer so wohl besorgt und aufgehoben gefühlt, wie nur am eigenen Herd. Eines Tages, es mögen nicht ganz drei Jahre sein, gegen Abend ankommend, finde ich jedoch das Haus von oben bis unten erleuchtet, Gänge und Treppen von Menschen wimmelnd und vor dem Hause ein Gewirr ineinandergefahrener Wagen, daß ich nur mit Mühe an den Thorweg gelangen konnte. Kreuzwirth, sage ich absteigend, Euer Haus sieht heute nicht anders aus als die leibhaftige Arche Noäh, da werde ich denn wohl rechtsum
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Zitationshilfe: | Halm, Friedrich [d. i. Eligius Franz Joseph von Münch Bellinghausen]: Die Marzipan-Lise. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–70. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/halm_lise_1910/27>, abgerufen am 16.07.2024. |